II. Zeitgeschichte.

Die nachstehend genannten Arbeiten gelten zum Teil größeren Zeitabschnitten, sämtlich aber der Neuzeit. In einem Vortrag ( 305) entwirft Hermann Entholt in ansprechender Schilderung drei Bilder der Kultur, wie der politischen und wirtschaftlichen Lage Bremens gegen Ende des 16., des 17. und des 18. Jahrhunderts. -- Das Jubiläumsbuch der »Lübeckischen Anzeigen« »Lübeck seit Mitte des 18. Jahrhunderts« ( 304) bietet eine Sammlung kultureller Zeitungsaufsätze aus verschiedenen Gebieten. -- Im Rahmen eines Lebensbildes des Senators und späteren Oberappellationsrates J. F. Hach gibt Johs. Kretzschmar ( 1164 a) nach Briefen und Aufzeichnungen ein Stück lebendiger Zeitgeschichte. Die schlichte, klare, starke und liebenswürdige Persönlichkeit dieses Senators von altem Schrot und Korn vertritt die Geschicke der Vaterstadt vor den französischen Gewalthabern der Okkupationszeit in Lübeck, Hamburg und Paris, wie auf dem Parkett der Diplomaten zu Regensburg, im Hauptquartier der Alliierten, auf dem Wiener Kongreß, beim Bundestag und bei der Ministerkonferenz von 1819 und darf schließlich mit edlem Selbstgefühl von sich behaupten, »mit Bescheidenheit, verbunden mit Ernst und Festigkeit, die Achtung für die Städte und den Glauben an ihre Nützlichkeit im Bunde aufs neue gegründet zu haben«. Die sympathieverwandte


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Einfühlung des Bearbeiters verleiht den Schilderungen besonderen Reiz. -- Viel breiter angelegt ist das Lebensbild eines Hamburger Zeitgenossen, Karl Sieveking, dessen 1923 erschienenem ersten Teil H. Sieveking, der Enkel, nunmehr den zweiten folgen läßt ( 1164). Zu der Breite der Darstellung veranlaßte den Bearbeiter nicht sowohl die Liebe zur eigenen Familiengeschichte, von der bereits das früher herausgegebene Lebensbild Gg. Heinr. Sievekings Zeugnis ablegte, als vielmehr die reizvolle Möglichkeit, im Rahmen dieser auf zeitgenössischen Quellenäußerungen aufgebauten Arbeit ein Bild des Sichdurchringens einer neuen Zeit zu entwerfen. Ein Romantiker, der sich schmerzvoll mit allen Regungen jener Epoche auseinandersetzt, mit dem eigenen Gedankenreichtum kennzeichnend für das Drängen ihrer jüngeren Generation, politisch der überzeugteste Vertreter des deutschen Einheitsgedankens gegenüber dem alten Hamburg, läßt Karl Sieveking im Briefwechsel die Besten seiner Zeit in sein Inneres blicken, am tiefsten die eigene Mutter. Mehr noch mit Wort und Schrift als mit der Tat begleitet er mitgestaltend das religiöse, politische und wirtschaftliche Werden. Der vorliegende Band läßt noch ausgedehnter als der erste den Briefwechsel in wörtlichen Auszügen reden. Darüber treten allerdings die Linien der Person etwas zurück. Der Band bildet noch nicht den Abschluß des gesamten Werks, sondern führt erst bis zu der 1820 erfolgten Berufung Sievekings zum hamburgischen Syndikus. -- Es mutet fast an, als wollte die reich erschienene Hamburger neuere Geschichtsliteratur gegen Baaschs Tadel, Hamburg mangele der vaterstädtische Sinn, Verwahrung einlegen. Böttiger stellt in einer Sonderuntersuchung den Wandel vom Kosmopolitismus zum Nationalbewußtsein an den Charakteristiken der Patrioten Friedrich Perthes, Ferd. Benecke, David Christian Mettlerkamp und Karl Sieveking dar ( 1129). Am eingehendsten behandelt er Benecke, weil er allein bisher noch keinen Biographen gefunden hat; nur kurz umreißt er das Bild Sievekings mit Rücksicht auf die oben besprochene Arbeit. Die einleitende Schilderung der Geistesverfassung Hamburgs um die Jahrhundertwende zeigt ebenso klare Linien, wie die Charakterschilderung der einzelnen Persönlichkeiten. Die abschließende Betrachtung der Wirksamkeit der Patrioten bei der Befreiung Hamburgs und im Hanseatischen Direktorium läßt nicht darüber im Zweifel, daß die gleiche patriotische Gesinnung immerhin nicht Gemeingut der gesamten Bevölkerung wurde. Eingehende Quellennachweise erhöhen den Wert der Arbeit, die mit Recht als ein auf kleinere Verhältnisse umgestelltes Seitenstück zu Meineckes »Weltbürgertum und Nationalstaat« auftritt. -- Als Teil einer Reihe städtegeschichtlicher Publikationen erscheint die neue Bearbeitung des Hamburger 19. Jahrhunderts von V. Dirksen ( 301). Mangels eines Besprechungsexemplars kann hier nur nach einer Äußerung von anderer Seite wiedergegeben werden, daß es sich dabei um eine illustrierte Zusammenstellung von Lebensbeschreibungen und Aufsätzen verschiedener Autoren handelt.


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