VI. Kirchengeschichte.

Während die Bearbeitung der profanen Bauwerke für die Lübecker Bau- und Kunstdenkmäler sich immer noch in Vorbereitung befindet, brachte das Berichtsjahr einen weiteren Halbband heraus, der die Klöster (St. Johannis, St. Katharinen, Burgkloster und St. Annen) behandelt ( 2012). Erschwert, aber auch in höherem Grade wünschenswert, erwies sich die Bearbeitung dadurch, daß die besprochenen Bauwerke zum größeren Teil heute nicht mehr in der alten Form vorhanden sind. Allein die Katharinenkirche ist unverändert auf unsere Zeit gekommen. Zum erstenmal erscheint an der Seite der beiden Bearbeiter Joh. Baltzer und Fr. Bruns als dritter Hugo Rahtgens, der für die bauliche Besprechung des Burgklosters, wie des St. Annenklosters verantwortlich zeichnet. Darstellung und Ausstattung halten sich in der bewährten gediegenen Form der früheren Bände. Deren Personalangaben haben sich im Gebrauch hie und da als ergänzungsbedürftig herausgestellt. Für die neue Veröffentlichung wird erst die Benutzung in dieser Hinsicht ein Urteil zulassen. -- Ein Verdienst um die Bremer Geschichte erwirbt sich R. Cappelle durch die im Auftrag der »Männer vom Morgenstern« besorgte und seit langem erwünschte Herausgabe ( 2055) der historisch hochbedeutsamen Nachweisung aller Güter und Rechte der Bremer Kirche, wie sie Erzbischof Johann Rode (um 1500) als Rüstzeug im Kampf um die Landeshoheit -- also natürlich im schärfsten Gegensatz zur Stadt Bremen -- niederlegte. Der Herausgeber benutzte den Cop. Brem. II. 42 a des Staatsarchivs Hannover als die älteste und zuverlässigste Abschrift des verlorenen Originals. Diese Handschrift aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist nebenher durch den Übergang vom Mittelniederdeutschen zum Hochdeutschen auch sprachlich interessant. Abweichende Lesarten anderer Niederschriften zu berücksichtigen hielt der Herausgeber nur in vereinzelten Fällen für rätlich. Ein Orts- und Personenregister findet sich am Ende, ein Sachregister stellt die Inhaltsangabe dar. -- Über die Bremer mittelalterlichen Altarpfründen legt Emma Katz eine gründliche Dissertation vor ( 2054), die sich überwiegend auf stadtbremisches Material stützt und den gesamten Fragenbezirk


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einer abwägenden Betrachtung unterzieht (Zahl der Altäre, Benennung, Stellung, Dienst, Einkünfte und Korporationswesen der Vikare, Patronate, Pfründenkumulation, Verwaltung der Pfründen u. a. m.). Vielfach werden auswärtige Zustände zum Vergleich herangezogen. Insgesamt sieht die Verfasserin die Bremer Altaristenverhältnisse in günstigerem Licht, als etwa Sauerland die der Rheinlande oder Hashagen die westfälischen. In einem Exkurs, der das Wesen der Kommende untersucht, wird die Definition von Hinschius abgelehnt. -- Auch in der Arbeit von F. Prüser über die Güterverhältnisse des Bremer Wilhadi-Stephani-Kapitels, deren mittelalterlicher Teil hier vorliegt ( 2013), nimmt die Behandlung der Altarpfründen einen verhältnismäßig breiten Raum ein, weil diese einen reicheren urkundlichen Niederschlag gefunden haben, als die Präbenden der Chorherren. Die Ausdehnung des Güterbesitzes wird durch eine beigegebene Kartenskizze veranschaulicht. In Einzelheiten fördert die Arbeit die bremische Topographie. -- Den im Vorjahre herausgegebenen Briefen des Hamburger Pastors Erdmann Neumeister läßt Th. Wotschke eine Auswahl aus dem Briefwechsel des 1713 als Superintendent nach Lübeck berufenen J. G. Carpzow folgen ( 2280), zum größeren Teil wieder an Cyprian gerichtet, zum kleineren an den Dresdener Superintendenten Löscher. Die Briefe äußern sich vom Standpunkte der Orthodoxie aus über die kirchlichen Verhältnisse Lübecks und Schleswig-Holsteins, bieten mancherlei Charakteristiken von Persönlichkeiten und widmen der Herrnhuter-Gründung Pilgerruh bei Oldesloe ein besonderes polemisches Interesse. In seiner Auswahl bestrebt sich der Herausgeber die etwas farblose Darstellung der Pilgerruh von E. Jacobs zu ergänzen. -- In einem Beitrag zur hamburgischen Kirchengeschichte behandelt K. D. Möller ( 2279) das Ringen des positiven Christentums mit dem Rationalismus in den Jahren nach der Franzosenzeit. Die treffenden Schilderungen der religiösen Ideen und ihrer treibenden Kräfte werden vollends lebendig durch eingehende Behandlung des Charakters und der Entwicklung ihrer Träger. Zur Kennzeichnung Gurlitts und Rautenbergs benutzt der Verfasser Gurlitts Nachlaß in der Staats- und Universitätsbibliothek, zum Verständnis M. H. Hudtwalckers dessen als Manuskript gedruckte und bis heute fast unbekannt gebliebene Selbstbiographie. Dem Aufsatz sind als Anhang briefliche Äußerungen aus dem Gurlittschen Nachlaß beigegeben, aus denen die Person Rautenbergs noch deutlicher hervortritt.


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