I. Allgemeine Quellenkunde, Bibliographie und Genealogie.

Als Bd. V der Reihe »Vom Mittelalter zur Reformation« veröffentlicht K. Burdach ( 199) unter Mitwirkung von G. Bebermeyer »Schlesisch-böhmische Briefmuster aus der Wende des 14. Jahrhunderts« aus der Sammelhandschr. Cod. Plag. 194 des Prämonstratenserstifts Schlägl in Oberösterreich, der Handschr. II 287 der Gymnasialbibliothek zu Schneeberg in Sachsen und der von K. Wutke (Darst. u. Quell. z. Schles. Gesch. Bd. 26 [1919]) entdeckten und von E. Schieche ( 406) und darauf im Bd. 61 [1927] der Ztschr. d. Ver. f. Gesch. Schles. (S. 312 ff.) näher beschriebenen Handschr. I, 243 des Schweidnitzer Stadtarchivs. Unter kurzen Angaben über den Gesamtinhalt und das Abhängigkeitsverhältnis


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der genannten Handschriften werden die germanistisch wichtigsten Textstellen abgedruckt und erörtert. So liegt die Hauptbedeutung dieser Akademieveröffentlichung, die die »Texte und Untersuchungen zur Geschichte der ostmitteldeutschen Schrift- und Kanzleisprache von 1300--1450« eröffnet, auf sprachgeschichtlichem Gebiet, zugleich aber ist sie von hoher Bedeutung für das Werden und Wachsen der geistigen Kultur an der Schwelle der Renaissance, die von Böhmen und Mähren aus über Schlesien und die Lausitz nach Meißen zog. Erstaunlich ist die Mannigfaltigkeit des Inhalts und die Masse des in den Quellen gebotenen Materials, das alle Gebiete des notariellen, gelehrten und gesellschaftlichen Lebens berührt. Das auf S. 163 von Burdach aus der Schweidnitzer Handschr. (S. 87--140) angeführte Formelbuch mit Stücken aus der »Summa Cancellariae« des Johann v. Neumarkt, das eine große Anzahl neuer, bisher unbekannter Formulare enthält, und von Tadra zu seiner Ausgabe (Historicky Archiv, Prag 1895) nicht benutzt wurde, ist in der genannten Arbeit von E. Schieche zum Gegenstand einer besonderen Untersuchung genommen worden und hat sich als eine vollkommen selbständige Spielart der »Summa Cancellariae« erwiesen. -- Einen gedrängten Überblick einiger Ergebnisse dieser schlesisch-böhmischen Briefmuster gibt Burdach ( 2409) im Euphorion. Der letzte Abschnitt und der Schluß des vorletzten in dieser Betrachtung sind wörtlich einem Exkurs der Einleitung zur Quellenausgabe entnommen. -- Vom Corpus Schwenckfeldianorum erschien Vol. 7 ( 2197), das unter den 52 Dokumenten der Jahre 1540/41 C. Schwenckfelds »Confession unnd Erclerung vom Erkandtnus Christi vnd seiner Gottlichen Herrlichkeit« (Dez. 1541), die über die Hälfte des umfangreichen Bandes (S. 451--884) einnimmt, enthält. Im September 1539 hatte Schwenckfeld Ulm wegen der Unduldsamkeit der Geistlichkeit verlassen müssen und Zuflucht im Bruderheim nördlich von Eßlingen und auf den Schlössern von Freunden unter den Adelsfamilien in der Gemeinschaft Ulm-Justingen-Eßlingen gefunden. Unter seinen von dort ergangenen Korrespondenzen sind auch eine Anzahl Briefe an die Führer der Schwenckfelder in Schlesien gerichtet, so an Fabian Eckel von Glatz, die Gebr. von Pannwitz aus Glatz, Caspar von Wohlau, Caspar von Kittlitz zu Malmitz, Val. Crautwald und Joh. Sigismund Werner v. Rengersdorf. Die Korrespondenz mit Herzog Friedrich II. v. Liegnitz betr. C. Schwenckfelds Rückkehr nach Schlesien führte nicht zu dem gewünschten Erfolg. -- Als Sonderdruck aus dem später (1927) erschienenen Cod. dipl. Sil. XXXII (die Inventare der nichtstaatl. Archive Schlesiens. Kreis Sagan) veröffentlicht E. Graber ( 74) zugleich als Festgabe des Herzogs Howard zu Sagan an die Versammlung deutscher Historiker zu Breslau das Verzeichnis der historisch wichtigsten Stücke des eigentlichen herzoglichen Hausarchivs zu Sagan und ein vollständiges Verzeichnis der bis dahin dort befindlichen Urkunden und Akten der Registraturen der früheren Behörden des Fürstentums (jetzt bis auf wenige Einzelstücke im Breslauer Staatsarchiv deponiert), ferner die Manuskripte der hzgl. Lehnsbibliothek, deren Grundstock der umfangreiche und ungewöhnlich bedeutende Briefwechsel der Herzogin Dorothea zu Sagan, Herzogin von Dino (geb. 1793 als Tochter des Herzogs Peter von Kurland, der 1786 das Fürstentum Sagan erwarb), wie der ihres Vaters und ihrer Mutter bildet. Namentlich der die zeitgenössischen Ereignisse berührende Schriftwechsel der Herzogin mit Politikern aller Nationen, den Mitgliedern des Kgl. Preuß. Hauses, deutscher

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und ausländischer Herrscherhäuser, mit Gelehrten, Schriftstellern, Künstlern usw. bietet dem Historiker eine Fülle wertvollsten Materials. -- Dem (1891 erschienenen) fünften Bande der Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz ließ der Verein für Glatzer Heimatkunde das erste Heft des sechsten Bandes, der das Handschriftenmaterial in und außerhalb der Grafschaft Glatz nach Wert und Bedeutung beschreiben soll, folgen. Landesarchivar i. R. Bretholz aus Brünn ( 162 a) beschreibt im vorliegenden Heft in altbewährter Weise die Handschriften des Glatzer Ratsarchivs, die mit dem Stadtbuch (1324--1412) beginnen und mit dem Schöffenbuch beim Dorfe Altheide (angelegt zirka 1809) endigen. -- Das im »Liber fundationis ep. Vratislaviensis (Cod. dipl. Sil. XIV.) und im »Register der Einkünfte des Bistums Breslau« (Darstell. u. Quell. z. Schles. Gesch. Bd. 3) als Quelle angeführte, doch nicht mehr erhaltene »alte Register« des Breslauer Bistums ist nach F. Stolle ( 2056) anläßlich des Zehntkampfes des Breslauer Bischofs Thomas II (1270--1292) mit den schlesischen Herzögen entstanden. Dieses »antiquum registrum«, die großzügige Besitzstandsaufnahme des Breslauer Bistums, aus der der Liber fundationis einen Auszug darstellt, ist eine der ältesten schlesischen Geschichtsquellen insbesondere zur Geschichte der Kolonisation Schlesiens, die noch bis ins 16. Jahrhundert hinein benutzt worden ist. -- (Vgl. zur Quellenkunde auch unter Kapitel 7.)

Bibliographie:

Das von W. v. Boetticher ( 9) bearbeitete, sehr sorgfältige Register zu den Bänden 86--101 (1900--1925) des Neuen Lausitzer Magazins enthält wie seine Vorgänger Sach- und Personenregister, sowie Verzeichnisse der Nekrologe und besprochenen Schriften. -- F. Voigt ( 2209) gibt einen kritischen Überblick über die neueste Böhmeliteratur. -- Die von Lena Vogt ( 449) mitgeteilte Literatur zur oberschlesischen Familiengeschichte ist eine Vorarbeit zu Abt. I, Kapitel 5 des vorzüglichen oberschlesischen Literaturnachweises »Deutsches Grenzland Oberschlesien« (hrsg. v. K. Kaisig u. H. Bellée unter Mitwirkung v. L. Vogt, Gleiwitz 1927).

Genealogie:

Eine willkommene Ergänzung zu R. Jecht, Beiträge zur Görlitzer Namenkunde (N. Laus. Mag. Bd. 68) und H. Reichert, Die dten. Familiennamen nach Breslauer Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts (Breslau 1918) ist die Jenenser Dissertation von H. Bahlow ( 723), die nach den Liegnitzer Urkunden und Handschriften bis zum Jahre 1399 die Taufnamen und die auf sie zurückgehenden Familiennamen geschichtlich behandelt. -- F. Reiche ( 610 a) schneidet in seinem Aufsatz »Die Herkunft des Peter Wlast« eine vielumstrittene, zugleich die staatsrechtliche Stellung Schlesiens im polnischen Staatsverband streifende Frage an, zu der F. v. Heydebrand u. d. Lassa im 61. Bande der Ztschr. d. V. f. Gesch. Schles. (1927) eine zum Teil gegensätzliche Stellung einnimmt. -- Zu der von F. v. Heydebrand u. d. Lasa (Ztschr. Bd. 51, 134 ff.) bereits festgestellten Abstammung der Breslauer Bischöfe Thomas I (1232--1268) aus dem Geschlecht der Rawitsch und Thomas II (1270--1292) aus dem der Cechow weist J. Pfitzner ( 1961) nach, daß Thomas II. der Sohn einer Schwester Thomas I., also dessen Neffe war. Die letztere Arbeit ist zugleich ein wertvoller Beitrag zur Geschichte des Pfründewesens, da beide Bischöfe das Netz enger verwandschaftlicher Beziehungen im dynastischen Interesse nutzten. -- Nicht so sehr der amtlichen Tätigkeit des schlesischen Kammerpräsidenten Horaz v. Forno († 1654), über die der Autor sich die notwendigen Ergänzungen aus Prager und Wiener Archiven vorbehält,


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als dem in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Schlesien erloschenen Geschlecht v. Forno, das -- wahrscheinlich italienischen Ursprungs -- aus Böhmen oder Mähren zu Anfang des 17. Jahrhunderts nach Schlesien kam, dienen E. Boehlichs ( 455) Untersuchungen hierüber.


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