4. Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

G. Buchwald ( 1779) bietet auf Grund eines Registers aus dem Jenaer Ratsarchiv manche Ergänzung zu Straßburger: Geschichte des Leipziger Tuchhandels bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts ( 1915). Er zeigt den Umfang des Leipziger Tuchhandels und den auswärtigen Besuch des Oster- und Herbstmarktes 1436 und gibt weiter Hinweise auf die Leipziger Hausbesitzer von damals.

R. Freytag ( 1849) berichtet aktenmäßig über den Bergbau auf Zinn (und Kupfer) besonders östlich von Auerbach (Gottesberg) im Herrschaftsgebiet der Edlen von der Planitz von 1477 bis ins 19. Jahrhundert. Der Ertrag war im 16. Jahrhundert groß (S. 64), ließ dann infolge allerhand Schwierigkeiten mit Holz und Wasser nach und kam um die Mitte des 19. Jahrhunderts ganz zu erliegen, nachdem schon das 18. Jahrhundert mit der Erfindung des Porzellans einen dauernden Rückgang der Nachfrage nach Zinn gebracht hatte.

O. Trautmann ( 1778) entwirft aus Akten und Literatur ein anschauliches Bild des Altenburger Zinnbaues bis 1659. Herzog Moritz erlitt 1545 durch einen gewaltigen Tagebruch, der die heute allen Besuchern Altenburgs wohlbekannte Binge entstehen ließ, eine beträchtliche Einbuße an seinem bisherigen Einkommen aus Altenburg. Er änderte aber schließlich doch nichts am Betriebe durch privilegierte sächsische Gewerke, obwohl Georg von Carlowitz schon riet: »die Fremden müssen die Bergwerke erbauen, mit den Einheimischen ist es verloren« (S. 235). Unter Kurfürst August verhinderte die bevorrechtete Zinnhandelsgesellschaft der kurfürstlichen Beamten -- zum Teil mit großen Verlusten der Gewerkschafter -- den Übergang des Bergwerks an außersächsisches Kapital. Dann aber überwiegen seit 1570 die Bestrebungen, Zinnerzeugung und Zinnhandel im großen miteinander zu verknüpfen. Die Verbindung des kurfürstlichen Kammermeisters Harrer und des Münzmeisters Biener in dieser Absicht stellt den Anfang der Zwitterstocksgesellschaft dar. Nach einem zweiten großen Bruch im Jahre 1578 machten sich Augsburger Handelshäuser schon bereit, den Betrieb zu übernehmen. Mindestens 1588 sind sie dann in Altenberg seßhaft. Auf dem Umwege über die Gewerkschaft haben sie eine rein kapitalistische Organisation aufgebaut. Wolfgang Paller in Augsburg ist der treibende Geist in Verbindung mit Martin Zobel, den Nürnberger Ammons, Biener und Harrers Erben. Die neue Gesellschaft wußte ferner großen Landbesitz in ihre Gewalt zu bringen, vermochte mit ihrer Kapitalkraft auch den dritten großen Bergsturz von 1620 zu überstehen und saugte bald die anderen kleinen Gesellschaften auf. Bis über den Dreißigjährigen Krieg hinaus haben die Augsburger


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und Nürnberger Gesellschafter reichen Ertrag aus dem Altenberger Zwitterstock herausgeholt, und erst 1659 ging ihr Besitz wieder an sächsische Gewerke über. Die Arbeit Trautmanns ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur sächsischen und süddeutschen Wirtschaftsgeschichte, sondern mit ihren vielen Hinweisen auch wertvoll für die Würdigung Wolfgang Pallers, als eines großen Wirtschaftsführers um die Wende des 16. Jahrhunderts, und für die Familiengeschichte Augsburgs, Nürnbergs und Ostsachsens.

E. Kalkschmidt ( 1847) kommt offenbar einem weitverbreiteten Bedürfnis entgegen, da sein Buch rasch mehrere Auflagen erlebt hat. Böttgers Leben gleicht einem Roman durch das künstliche Dunkel, das lange über den »Goldkoch« Augusts d. St. gebreitet wurde. Sicher hätte Böttger auch im Dunkel geendet, wenn nicht Tschirnhaus sich seiner angenommen hätte. Der berühmte Gelehrte hat den Adepten allmählich aus dem verworrenen Dickicht phantastischer Pläne und Vorspiegelungen auf den geraden Weg strenger Arbeit geführt und sein eigenes Streben nach dem Porzellan auch jenem als Ziel gewiesen. Man möchte vermuten, daß er auch das Gedicht veranlaßt hat, das S. 30 den Umschwung dem König ankündigt; denn die Nachschrift spricht durchaus nicht dagegen. Die Absicht von Tschirnhaus ging zunächst auf die Herstellung von Delfter Steinzeug, ward aber durch die Erfindung des Porzellans überholt, die freilich auch erst mit Hilfe eines Delfter Brenners gelang (vgl. N. Archiv Sächs. Gesch. 1926, S. 170). Gegenüber Reinhard hält auch Kalkschmidt daran fest, daß Böttger und nicht Tschirnhaus der eigentliche Erfinder gewesen ist. Böttger hat jetzt auch so fleißig gearbeitet, daß er bei seiner großen chemischen Begabung sich mit seiner neuen Aufgabe rasch zurechtfand. Schon am 23. 1. 1710 wurde das Gründungspatent der Königl. Porzellanmanufaktur ausgefertigt. Sie konnte freilich bis 1712 nur das rote Steinzeug (Jaspisporzellan) liefern, aber erstaunlich war, wie schmuck und mannigfaltig Form und Verwendung gestaltet wurden. Trotzdem war der Absatz gering, bis auf der Leipziger Ostermesse 1713 das erste weiße Porzellan gezeigt werden konnte. Wesentlich war dafür die Auffindung des Schnorrschen Kaolins (vgl. N. Archiv Sächs. Gesch. 1926, S. 171 f.). Merkwürdigerweise sparte nun August der St. gegenüber der Fabrik so sehr, daß sie sich nicht recht entwickelte, obwohl sie einer ersten preußischen Konkurrenz durch einen entlaufenen Arbeiter siegreich widerstand. Die letzten Jahre Böttgers bis zu seinem Tode (13. 3. 1719) waren nur noch ein von gelegentlichem Aufflackern -- auch der Goldmacherei -- unterbrochenes Hindämmern. Charakter und Körper waren von der langen Gefangenschaft zu sehr geschwächt, als daß sie die kärgliche Freiheit der letzten Zeit gut hätten vertragen können. --


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