IX. Personen- und Familiengeschichte.

Nach dem Muster der Badischen und Schlesischen Kommission eröffnet die historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt mit dem ersten Bande ihrer »mitteldeutschen Lebensbilder« ( 442), der in bezug auf Inhalt wie auch auf Ausstattung als außerordentlich gelungen und gediegen bezeichnet werden muß, eine neue Reihe ihrer Veröffentlichungen. Zweck dieser Lebensbilder ist es, alle durch ihr Wirken besonders hervorgetretenen Männer und Frauen, soweit sie in der Provinz und in Anhalt geboren bzw. tätig gewesen sind, biographisch zu erfassen und für sie und ihre Werke weitere Kreise zu interessieren; außerdem sollen aber auch durch die Darstellung des »mitteldeutschen Menschen« die Bestrebungen, die verschiedenen Gebiete der Provinz zu einer inneren Einheit zusammenzuschweißen, gefördert werden. Entsprechend dem soeben skizzierten umfassenden Programm finden wir in dem uns vorliegenden Bande, in dem 36 bedeutende Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts behandelt werden, die verschiedensten Geistesrichtungen und Berufe vertreten, neben Gelehrten wie Beyschlag, Schleiermacher und Kirchhoff den Erfinder des Zündnadelgewehres Dreyse, den Staatsminister Klewiz, den Maler Olivier, den Volkswirt Schulze- Delitsch, den Kaufmann Nathusius, die Schriftstellerin Luise von François, den Dichter Immermann und andere mehr. Die demnächst folgenden Bände werden den zeitlichen Rahmen weiter spannen und auch Biographien des achtzehnten Jahrhunderts umfassen. -- Zu denjenigen, die bahnbrechend auf dem Gebiete der Technik gewirkt haben, gehört mit an erster Stelle der Magdeburger Hermann Gruson (1821--1895), der Erfinder des Hartgusses, dessen überragende Bedeutung und Wirksamkeit in eindringender und liebevoller Weise von M. Dreger ( 1854), einem seiner früheren Mitarbeiter, gewürdigt wird. -- Nicht nur familiengeschichtlichen, sondern auch verfassungs- und wirtschaftsgeschichtlichen Interessen dient das von R. Schulze ( 443) herausgegebene Verzeichnis der von 1630--1729 neu aufgenommenen Bürger der Stadt Köthen, zu dessen Ergänzung auch die Taufbücher der reformierten St. Jakobskirche herangezogen sind. Wie in den meisten Städten, so hat auch in Köthen der Dreißigjährige Krieg hindernd auf die Entwicklung der Stadt gewirkt, was darin seinen Ausdruck findet, das sich bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts


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die Bürgeraufnahmen in nur sehr bescheidenen Grenzen halten. -- Entschieden mehr, als man nach dem etwas ungenauen und irreführenden Titel seiner Arbeit annehmen sollte, bringt H. Groth ( 720), der seinen in den Mühlhäuser Geschichtsblättern Jahrgang 21 begonnenen Aufsatz über die Mühlhäuser Personen- und Familiennamen aus dem 14. Jahrhundert jetzt zu Ende führt. Denn Groth beschränkt sich keineswegs darauf, lediglich die in den zwei Mühlhäuser Stadtbüchern (A enthält Schuldverschreibungen der Stadt von 1323 bis 1402, B Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit von 1371 bis 1391) enthaltenen Namen zusammenzustellen; vielmehr bietet er ausführliche Regesten der einzelnen Rechtsgeschäfte bzw. gibt er die Eintragungen wörtlich wieder, allerdings gemäß seiner Absicht, diese bisher noch nicht ausgeschöpfte Quelle der Familienforschung zugänglich zu machen, nicht in chronologischer, sondern in alphabetischer Anordnung. Man findet daher hier ein reiches und bislang wenig bekanntes Material sowohl zur Rechts- und Verfassungsgeschichte wie auch zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Mühlhausen, dessen weitere wissenschaftliche Auswertung durch zwei am Schluß beigegebene chronologische Übersichten über den Inhalt der genannten Stadtbücher sehr erleichtert wird. -- Auf Grund von Aufzeichnungen des Generalmajors Wolfgang von Hagen entwirft von Ehrenkrook ( 1156) ein anschauliches Lebensbild von dem 1780 zu Haus Nienburg bei Halberstadt geborenen Karl von Hagen, der als Rittmeister und Freikorpsführer die Befreiungskriege mitmachte und 1816 Landrat des neugebildeten Kreises Mühlhausen wurde, den er bis zu seinem am 8. Dezember 1837 erfolgten Tode verwaltet hat. -- Erwähnt sei an dieser Stelle noch die Biographie des Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode (geb. 1785 zu Wernigerode, gest. 1854), der zeitweilig auch als Oberpräsident der Provinz Sachsen gewirkt hat. Seine Rolle als Freund und Ratgeber Friedrich Wilhelms IV. grade in den entscheidenden Zeiten der Revolution von 1848, seine spätere Tätigkeit als Hausminister, seine gegensätzliche Stellung zum Prinzen von Preußen und sein Verhältnis zu Bismarck verschaffen ihm allgemeinere Beachtung ( 1197).


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