VII. Wirtschaftsgeschichte.

Von welcher großen wirtschaftlichen Bedeutung die Salzsiederei und der Salzhandel gerade für das Erzstift Magdeburg mit seinen berühmten Salinen zu Halle, Staßfurt, Sülldorf und Groß-Salze waren, lassen besonders gut und deutlich die Ausführungen von W. Schulze ( 1852) über den Handel der Pfännerschaft zu Groß-Salze erkennen. Bereits für das Jahr 1170 weist er nach, daß man in der Nähe von Frohse das Salzsieden betrieben hat, und nicht lange dauerte es, so hatte sich hier ein neuer Ort, die »große Saline«, das spätere Groß-Salze, gebildet (zwischen 1219 und 1227), in dem zeitweise in 59 Koten die Salzgewinnung vorgenommen wurde. Einen guten Begriff von dem Umfang der Produktion erhält man, wenn man erfährt, daß im Jahre 1440 in 32 Koten nicht weniger als 135 400 Zentner Salz gesiedet worden sind. Der Handel, dessen technische Einzelheiten eingehend geschildert werden, ging vornehmlich nach dem Osten und Südosten, nach Polen, Schlesien und vor allem nach Kursachsen, später auch nach Kurbrandenburg. Die sich im 18. Jahrhundert immer mehr verschlechternden Absatzmöglichkeiten zwangen die Pfänner schließlich, ihre Betriebe 1792 an den Preußischen Staat zu veräußern. -- Der Aufsatz von S. Neufeld ( 2328) über die Vertreibung der Juden aus Sachsen und Thüringen schließt die früheren umfassenden Untersuchungen des genannten Verfassers über die mittelalterliche Geschichte der Juden im thüringisch-sächsischen Gebiet ab. Schon für die Mitte des 15. Jahrhunderts wird eine wesentliche Verschlechterung der Lage der Juden, verursacht durch »die Herabdrückung ihrer sozialen Lage, ihre ausschließliche Beschränkung auf das Geldgewerbe und die Einführung einer besonderen Judentracht«, festgestellt, die dann endlich ihre Vertreibung zur Folge hatte (1458 in Halle und Erfurt, das die größte Judengemeinde unseres Gebietes aufweist, 1466 in Helmstedt, gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Magdeburg und Halberstadt, wo sich am frühesten wieder eine neue Gemeinde bildete, 1543 in Mühlhausen und 1559 in Nordhausen). -- Etwas dürftig sind die Ausführungen M. Hoffmanns ( 1776) über die wirtschaftliche Struktur des Amts Torgau zu Anfang des 16. Jahrhunderts, denen Verfasser in der Hauptsache nur das älteste Erbbuch von 1510 zugrunde gelegt hat. Es ist entschieden zu bedauern, daß das Thema nicht auf das ganze 16. Jahrhundert ausgedehnt ist unter Berücksichtigung auch der späteren Erbbücher. -- Der Frage nach dem Einfluß des Dreißigjährigen Krieges auf die Stadt Naumburg geht A. Ritter ( 1052) in ihrer fleißigen Dissertation nach. Ausgangspunkt ihrer Darstellung ist der Zustand der Stadt unmittelbar vor dem Kriege; in einem weiteren Abschnitt werden dann die äußeren Kriegsereignisse, jedenfalls soweit Naumburg von ihnen betroffen wurde, geschildert, worauf eine ausführliche Betrachtung der Wirkung des Krieges auf die Stadt folgt. Wenn auch kein gänzlicher Verfall des geistigen und sittlichen Lebens eingetreten zu sein scheint, so fand


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doch dank der schwankenden Neutralitätspolitik des Kurfürsten ein starker Niedergang statt, sowohl in bezug auf die Bevölkerungszahl, die um die Hälfte abnahm, wie auch in bezug auf die Finanzen, die sich allerdings schon vor dem Kriege in schlechtem Zustand befanden, von dem sich Naumburg nie wieder ganz erholt hat. -- Die Ergebnisse der Dissertation von H. Weiss ( 1772) über die Bevölkerungs- und Vermögensverhältnisse der Stadt Mühlhausen in der Zeit von 1563 bis 1614 lassen sich dahin zusammenfassen, daß in dem genannten Zeitraum eine Abnahme des Vermögens um ungefähr 25 Prozent eingetreten ist, daß aber im übrigen eine breite Mittelklasse als Gros der Bevölkerung vorhanden war, der nur eine schwache Oberschicht und ein nicht bedeutendes Proletariat gegenüberstanden. Es bestand demnach eine ziemliche Gleichheit der sozialen Lage. Die Grundlage des städtischen Erwerbslebens bildeten ein starker Grundbesitz und die Landwirtschaft. -- Einen weiteren Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Mühlhausens liefert M. Claes ( 1844), die die Geschichte des noch heute dort blühenden Gerberhandwerks von seinen Anfängen bis zum 19. Jahrhundert verfolgt. Nach einem allgemeinen Überblick über die Grundlagen des Mühlhäuser Gerbergewerbes werden die Produktions- und Organisationsverhältnisse der Zunft, deren ältestes Privileg aus dem Jahre 1297 stammt, und anschließend daran die Umgestaltung der Organisation des genannten Gewerbes im 19. Jahrhundert dargestellt. -- Einen ausgezeichneten Einblick in die wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse der Stadt Halle a. S. in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermittelt die sowohl nach Form wie auch nach Inhalt wirklich mustergültige Biographie Ludwig Wucherers (1790 bis 1861), dessen Persönlichkeit E. Neuss ( 1853), der Verfasser des trefflichen Buchs über das Hallische Wirtschaftsleben im 19. Jahrhundert, in jeder Weise gerecht wird. Es ist zwar unmöglich, an dieser Stelle näher auf die umfassende Wirksamkeit dieses wirklich genialen Mannes einzugehen, doch soll hier wenigstens darauf hingewiesen werden, daß mit dem Namen Wucherer unlösbar die Schaffung und der Ausbau des mitteldeutschen Eisenbahnnetzes, der wirtschaftliche und kulturelle Aufstieg Halles und die Entwicklung dieser Stadt zum modernen Wirtschafts- und Industriezentrum verknüpft ist. -- Treffend und mit großem Verständnis schildert Kurt Müller ( 1857) die wirtschaftliche Entwicklung Anhalts von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag. War es im 18. Jahrhundert noch nicht gut um die anhaltische Wirtschaft bestellt, so trat in den darauffolgenden Jahrzehnten, besonders nach dem Zollanschluß an Preußen, ein entscheidender Umschwung ein, der sich in einem ungeahnten Aufschwung der Industrie, vor allem der Zucker- und Maschinenindustrie äußert.


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