VII. Wirtschaftsgeschichte.

Das kleine Fürstentum Siegen, durch natürliche Bedingungen auf die gewerbliche Betätigung hingewiesen, hat schon im Mittelalter eine Reihe Wirtschaftszweige in zum Teil eigenartiger Weise entwickelt; die neuzeitliche landesherrliche Fürsorge der Nassauer fand hier besondere Aufgaben vor. In welcher Weise sie schon früh ein- und mitgewirkt hat, durch Regelung der Wald-, Wasser- und Wiesennutzung sowie der Betriebszeiten von Hütten- und Hammerwerken, in dem Ausbau der gewerblichen


S.592

Organisation, durch Beschränkung des Güteraustausches mit dem Ausland usw. hat Scheuner ( 1830) zu zeigen unternommen; an der Arbeit, die sich nur zum kleineren Teil mit dem eigentlichen Thema befaßt, vermißt man aber tieferes Eindringen und stärkere eigene Betätigung der Verfasserin. -- Das Münsterland und die Grafschaft Ravensberg sind innerhalb Westfalens die Gebiete, in denen die Leinwandherstellung von alters her heimisch war; sie weisen noch heute eine blühende Textilindustrie auf. Im Zusammenhang mit Studien über den Ursprung der holländischen Kattunindustrie hat Sneller ( 1797) auch die zeitweilig recht bedeutende Baumseidefabrikation in Koesfeld, Warendorf, Bocholt und anderen Orten des Münsterlandes gestreift. -- In dem vielverzweigten Wirtschaftsleben des fast ganz ravensbergischen Kreises Herford, das Schinkel unter vorzugsweiser Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts dargestellt hat ( 1698), nimmt das Textilgewerbe noch immer einen hervorragenden Platz ein. Die große Leinenkrise der 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts hat freilich einschneidende Wandlungen in Betriebssystem und Produktionsart wie in den Fabrikationsgegenständen zur Folge gehabt. Baumwollverarbeitung und Wäscheherstellung stehen hier jetzt im Vordergrund, während die Bevölkerung in der Zigarrenfabrikation Ersatz für die frühere Beschäftigung im Leinengewerbe gefunden hat. Wie sich im benachbarten Bielefeld der Übergang »Vom Leinen zur Seide« vollzog, zeigt Hans Schmidt in einer so betitelten Monographie (Lemgo, F. L. Wagener; 387 S.) am Beispiel der im 18. Jahrhundert gegründeten Firma C. A. Delius Söhne. Im Zusammenhang mit der Weberkrise, deren Ursachen näher untersucht werden, erfolgte die Umstellung vom Handels- und Verlagssystem zum Fabriksystem mit maschinellem Großbetrieb in Spinnerei und Weberei.J. Bauermann.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)