I. Allgemeines.

Von Bretholz' Handbuch ( 340) liegt die dritte Auflage vor. Während den beiden ersten nachgerühmt werden konnte, daß sie den jeweiligen Stand der Forschung vortrefflich zusammenfaßten, muß der letzten diese Anerkennung versagt bleiben. Zwar viel neue Literatur wird aufgezählt, (immerhin gibt es auch hier erhebliche Lücken), aber nicht so wie früher verarbeitet. Das große Forschungsgebiet der vorkarolingischen Schriftarten, welches Liebaert und Lindsay, im Anschluß an Traube, eröffnet haben, ist nur rasch gestreift, dafür sind veraltete Kategorien, wie »sogenannte Langobardische Schrift« beibehalten. Und vielleicht noch deutlicher zeigen die letzten Abschnitte den unberechtigten Konservatismus des Verfassers. Hier erfährt man nichts von Pariser oder Bologneser Schrift, von Bastarda oder Rotunda. -- Keine streng wissenschaftlichen Ziele, wie Bretholz, verfolgt Blanckertz ( 341). Trotz mancherlei Mängel eignet sich seine Einführung wohl, weitere Kreise für das Schriftwesen zu interessieren.

Das schwierige Kapitel der Abkürzungen behandelt eine vortreffliche Studie von Schiaparelli ( 352). Es würde sich meiner Meinung nach verlohnen, das Büchlein für unsere Studierenden ins Deutsche zu übertragen. -- Eine Absonderlichkeit, die Anwendung des 7-Zeichen für verschiedene Wortschlüsse, beschreibt Oldfather ( 375). -- Hingewiesen sei ferner auf die Untersuchung von Caspar ( 364) über den Kanon des Eusebius und die Übersetzung des Hieronymus. Um den Wert der erhaltenen lateinischen Handschriften in ihrem Verhältnis zum verlorenen griechischen Original festzustellen, bedient er sich eines bisher nicht beachteten Merkmals. Er prüft nämlich den Grad der Sorgfalt, mit welcher erstere die Paragraphoi oder Virgulae des letzteren wiedergeben. (Betr. die Weiterentwicklung der Paragraphierung im eigentlichen Mittelalter vgl. P. Lehmann in Deutsche Lit. Ztg. 1927, 2587.)

Mit der bisher recht stiefmütterlich bedachten Epigraphik des Mittelalters hat sich Bauer ( 355) auf Grund des reichen Mainzer Materials eingehender beschäftigt. Er versucht einen Überblick über die Entwicklung der inschriftlichen Majuskelbuchstaben von der Antike bis ins 14. Jahrhundert zu geben. Im einzelnen erscheint mir mancherlei anfechtbar (z. B. S. 12: »eine eigenartige germanische Lapidarschrift« des 6.--7. Jahrhunderts, oder S. 18 »eine nachdenkliche Hand spricht aus der Schrift«), was aber den Wert des Ganzen nicht wesentlich beeinträchtigt. Für eine zweite Auflage würde ich noch engere Verbindung mit der Buchschrift empfehlen. -- Wäre Erben ( 353) die Studie


S.182

B.s bekannt gewesen, er hätte seiner beachtenswerten Einleitung zur Dissertation seiner Schülerin Michaël-Schweder sicher eine etwas andere Fassung gegeben. M.-S. selbst untersucht die Schriftzeichen auf den päpstlichen Bleibullen. Ihre Resultate, in Tabellen und Bildertafeln niedergelegt, werden auch bei Echtheitsprüfungen gute Dienste leisten.

Es bleibt noch ein Wort zur Palimpsest-Forschung. Die gewaltigen Fortschritte, welche diese dem bekannten Institut des Klosters Beuron verdankt, schildert ein Vortrag des Pater Dold ( 348). Derselbe Gelehrte untersucht Palimpsest-Fragmente liturgischen Inhalts (Karlsruhe Aug. 195, München lat. 14429) sowie die zweimal reskribierten Halberstädter Blätter ( 362, 363).


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