III. Spezielles.

Von dem Ursprung der päpstlichen Kuriale handelt Schiaparelli ( 349), betrachtet dabei besonders die charakteristischen Buchstaben a, e, q, t. Indem er auch Ravennatische Papyri heranzieht, gelangt er, ähnlich wie Brandi, zu dem Schluß, daß die Kuriale auf die Behördenschrift des spätrömischen Reiches zurückzuführen ist, daß sie aber bei ihrer Weiterentwicklung gewisse Einflüsse von seiten der gleichzeitigen Urkundenkursive erfahren hat. -- Was die späteren Schicksale der päpstlichen Schrift anbetrifft, so bringen Kehrs ( 167) erste Arbeiten zur Hispania Pontificia ganz überraschend neue Ergebnisse, die auch durch Beigabe sehr wertvoller Faksimiles illustriert werden. Danach begann die Konkurrenz zwischen der karolingischen Minuskel und der Kuriale erheblich früher, als bisher allgemein angenommen wurde. -- Wir besitzen kein Original aus der langobardischen Königskanzlei. Daher kommt gewisse Bedeutung der Federprobe auf der Rückseite einer Urkunde von Montamiata zu, welche Schiaparelli ( 351) entdeckt und als Nachahmung der Intitulatio eines Diploms von König Desiderius gedeutet hat.

Gehen wir zur älteren Buchschrift über, so ist zuerst Lauer ( 356) zu nennen mit einer Beschreibung des Corbie-Typ. Sein Versuch aber, die Anschauungen der Mauriner gegenüber Traube wieder zur Geltung zu bringen, scheint mir aussichtslos. -- Zum vielumstrittenen Problem der Entstehung der karolingischen Minuskel liefert Schiaparelli ( 350) einen neuen Beitrag. Er empfiehlt stärkere Berücksichtigung der Urkundenschriften, setzt sich mit den bisher geäußerten Meinungen auseinander und bekämpft (meiner Überzeugung nach zu Unrecht) die Ansicht, daß es sich um eine bewußte Schöpfung des Gelehrtenkreises am Hofe Karls des Großen handelt. -- Den Höhepunkt der karolingischen Schriftreform bedeutet die Schule von Tours. Ihr sind zwei Abhandlungen gewidmet, eine speziellere von Wilmart ( 358), betr. ein Lektionar (heute Bibl. Chartres 212), und eine allgemeinere aus der Feder Köhlers ( 360), wohl unseres besten Kenners der St.-Martin-Schule. Er will auch im Gegensatz zu Rand von einem Anteil Alcuins an der Reform nichts wissen. --


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Dem Skriptorium von St. Denis weist Friend ( 357) zwei Sakramentare (Bibl. Paris lat. 1141 und 2292) zu; doch halte ich seine Schlußfolgerungen für etwas kühn. -- In diesen Zusammenhang gehören auch das Staveloter Evangeliar und der Eginokodex der Berliner Staatsbibliothek. Ihnen hat Kirchner ( 359, 361) seine Aufmerksamkeit gewidmet. Das Evangeliar soll nach ihm in Nordfrankreich, der Kodex in Verona entstanden sein.

Die zuletzt angeführten Studien fassen das Manuskript als Ganzes ins Auge, untersuchen also neben der Schrift auch den Miniaturenschmuck. Noch mehr ins Gebiet der Kunstgeschichte gehören die Aufsätze von Böckler ( 370) über die Erzeugnisse Kölner Schreibstuben des 12. und 13. Jahrhunderts und von Bömer ( 369) über ein spätgotisches Prachtmissale (heute Bibl. Münster). -- Angeschlossen sei hier die Skizze von Husung ( 371), welche ein neues Beispiel beibringt für die Bemühung der Bibliophilen in der Frührenaissance, den ersten Drucken den Schein einer Handschrift zu geben. -- Zeitlich an den Schluß meines Referates gehört der Aufsatz von Jenkinson ( 373), welcher eine umfangreichere Arbeit ankündigt. Er handelt von den verschiedenen Bedarfs- und Urkundenschriften in England um die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, ferner von den verschiedenen Schreiberkategorien und weist dabei mit erfreulichem Nachdruck auf die damals so wichtigen Schreibmeister hin.

(Einige der in der Bibliographie aufgeführten Arbeiten waren mir bisher nicht zugänglich.)


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