I. Quellenkunde und Hilfswissenschaften.

Das Unternehmen R. A. Kellers ( 25) hat mit dem vorliegenden zweiten Band einen vorzüglichen Abschluß gefunden. Denn nicht nur quantitativ, sondern vor allem qualitativ ist dieser dem ersten, 1922 erschienenen, bei weitem überlegen. Er bildet tatsächlich einen sehr erwünschten literarischen Ratgeber und Helfer für jegliche Art heimatkundlicher Tätigkeit. Diese Rheinlandkunde, die das Gebiet vom Oberrhein bis zum Niederrhein umfaßt, ist nicht nur dadurch verdienstlich, daß sie uns auf die wichtigsten literarischen Erscheinungen über die zahlreichen Themata rheinischer Kultur hinweist, sondern auch durch die vielfach trefflichen kurzen geschichtlichen Überblicke, die -- wie etwa der von A. Mailänder über Saargebiet und Deutschlothringen oder der von P. Wentzcke über deutsche Kultur im Elsaß und Lothringen -- vollständig abgeschlossene Essays bieten. Sehr dankenswert ist auch die wohl vom Herausgeber beigesteuerte Übersicht über Archive, Bibliotheken und Sammlungen im Rheingebiet nebst 3 Karten ihrer Verbreitung sowie die Gesamtübersicht über die im 1. und 2. Band enthaltenen Beiträge. Bei dem regen Interesse, das im Rheinland für die Heimatkunde erwacht ist und das jetzt auch durch die Schule gefördert wird, darf man wünschen, daß dieses Buch eine baldige Neuauflage erlebt. -- Außerdem wäre hier auf einige Einzeluntersuchungen und Quellensammlungen hinzuweisen.

M. Buchner ( 874) sucht den Beweis zu führen, daß das heute übereinstimmend mit der Kanonisation Karls d. Gr. in Zusammenhang gebrachte, von Kaiser Friedrich I. am 8. Jan. 1166 bestätigte falsche Karlsprivileg für Aachen eine Fälschung Reinalds von Dassel ist oder doch auf seine Veranlassung angefertigt wurde. Der Zweck der Fälschung beruhte zweifellos darin, den Kaiser in der Politik zu bestärken, in welche er durch Betreiben Reinalds hineingeraten war und für den großen kirchenpolitischen Streit mit der Kurie eine geeignete Waffe zu schmieden. Zugleich mußte das Falsifikat die Stellung des Kölner Erzbischofs als eigentlichen Königsmachers stärken. Bemerkenswert sind die Hinweise auf die 1161 erfolgte Heiligsprechung Eduards von England und dessen Erhebung im Jahre 1163, sowie auf das etwa im Jahre 1149 entstandene falsche Karlsprivileg für St. Denis, da auch hier die privilegierte Kirche als Krönungsstätte bestimmt wird. Interessant auch die Mutmaßung, daß der Archipoeta bei der Komposition des Karlsprivilegs eine Rolle gespielt haben mag. Auch über Tendenz, Entstehungszeit und Verfasser der sogenannten Aachener »Vita Karoli« hat sich der Verfasser im Eingang zu seiner Untersuchung ausgesprochen. Nach seiner Überzeugung ist der von 1172 bis 1186 als kaiserlicher Kanzler nachzuweisende Gottfried von Helfenstein als Verfasser dieser Vita anzusprechen.

Für das stadtkölnische Gebiet sind zwei Arbeiten des allezeit rührigen H. Keußen zu erwähnen. Die seit langem ruhende Veröffentlichung des Inventars der städtischen Urkunden ist jetzt von ihm ( 191) wieder aufgenommen worden. Die Regestierung der Urkunden wurde zumeist von Keußen selbst bewirkt. Abgesehen von den Stücken, die durch die Publikationen von B. Kuske und von Loesch bekannt geworden sind, wird durch das Inventar ein großer bisher unbekannter Stoff erschlossen. -- Außerdem verdanken wir Keußen


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( 1565) genauere Mitteilungen über die neuerdings vom Kölner Stadtarchiv erworbene Handschrift der Chronica praesulum, die sich unter den Handschriften der Bodmann-Habelschen Sammlung befand. Hartzheim hatte diese von Conrad Iserenheuft von Ratingen im Jahre 1526 geschriebene Handschrift bereits erwähnt. Die wichtigsten Nachrichten hieraus wurden durch Cardauns aus einer Würzburger Abschrift mitgeteilt. Einige bemerkenswerte Stücke werden uns jetzt durch Keußen bekannt, so z. B. eine Aufzeichnung über eine Stiftung der Essener Äbtissin Theophanu (gest. 954).

Außer dem jetzt (durch E. Both) abgeschlossenen Urkunden- und Regestenwerk des 1924 verstorbenen E. Braße ( 189) verdient das von H. Schubert veröffentlichte Urkundenbuch ( 188) besondere Erwähnung, da Schubert hier den Urkunden Erläuterungen beifügt, die es dem Benutzer ermöglichen, in den Wert und die Bedeutung der einzelnen Stücke einzudringen und ihre Verknüpfung mit anderen zu erkennen. Diese Erläuterungen bieten weit mehr als eine trockene Kommentierung der Urkunden und dürften für alle ähnlichen Veröffentlichungen, die auch Laienkreise interessieren sollen (es handelt sich um eine Publikation des kleinen Mülheimer Geschichtsvereins), als Muster empfohlen werden. -- Schließlich mag hier noch auf die durch K. Meisen ( 960 a) besorgte Neuausgabe der von Christian Wierstrait verfaßten trefflichen Reimchronik der Stadt Neuß aus der Zeit der Belagerung durch Herzog Karl den Kühnen von Burgund hingewiesen werden. Hier ist der Originaldruck von 1476 zugrunde gelegt unter Berücksichtigung der Ausgaben von 1497 und 1564. Der reiche sprachliche Gehalt der Chronik wird durch ein gutes Glossar erschlossen. Für die Erkenntnis rheinischer Mundart bietet diese Ausgabe die beste Grundlage.


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