VI. Kirchengeschichte.

Das wichtigste Quellenwerk zur mittelalterlichen Kirchengeschichte der heute badischen Lande, die Regesta episcoporum Constantiensium, erfreut sich jetzt eines raschen Fortschreitens, seitdem die Folgen des Krieges und der Inflation überwunden sind. Im Berichtsjahr hat der dritte, die Jahre 1384 bis 1436 umfassende Band durch die mit gewohnter Gründlichkeit von K. Rieder gearbeiteten Register seinen Abschluß erhalten ( 186). Da das Material zum vierten Band schon großenteils gesammelt ist, besteht begründete Aussicht, daß die wertvolle Publikation in absehbarer Zeit wie geplant bis an die Schwelle des Reformationszeitalters geführt werden kann. -- Die kleineren Beiträge zur oberrheinischen Kirchengeschichte sind zumeist wieder im Freiburger Diözesanarchiv vereinigt. Daß L. Baur seine früher begonnene Arbeit über das Pfründenwesen der Reichsstadt Buchhorn mit drei Abschnitten über die Verwaltung und Besetzung der Pfründen sowie die Pflichten der Pfründner zu Ende führt ( 2047), sei an dieser Stelle nur kurz angedeutet, da das Thema nicht in den Umkreis der badischen Geschichte gehört. -- Aus der Arbeit Strohmeyers über St. Trudpert ( 398) hebe ich


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die Bemerkungen S. 136 ff. über die geographischen Benennungen hervor, die für die Interpretation von JL 8563 nicht unwesentlich sind. Im übrigen kommt Str., dem es in erster Linie um eine Ehrenrettung der Trudperter Fälscher zu tun ist, über die früheren Feststellungen Schultes und von Weechs nicht hinaus. Seine Arbeit ist deshalb ziemlich verfehlt, weil es nur dann Zweck hat, die Trudperter Fälschungsfrage aufzugreifen, wenn man die damit zusammenhängenden Probleme, wie das Verhältnis der Habsburger und der Bischöfe von Straßburg zum Kloster sowie den Ursprung und die Entwicklung der Vogtei auf Grund einer eindringlichen Urkundenkritik erneut prüft. Dieser dornenvollen Aufgabe ist Str. ausgewichen. Im einzelnen noch einige Richtigstellungen! Die Urkunde von 1211, die auf S. 124 als wahrscheinlich gefälscht, S. 134 als allerdings gefälscht bezeichnet wird, ist nicht nur in einem Kopialbuch überliefert, wie Str. angibt, sondern in drei angeblich originalen Ausfertigungen, deren Unechtheit evident ist (vgl. Regesten d. Bischöfe v. Straßb. 784); die Datierung der Bischofsurkunde im Trudperter Dingrodel ist unzulänglich (vgl. ebenda 828) usw. Auch der König Albrecht im Jahre 1186 (S. 116) ist sehr bedenklich. -- Schrohes Ausführungen über die oberrheinische Jesuitenprovinz ( 2115) bringen aus den in der Mainzer Stadtbibliothek verwahrten Catalogi personarum einiges statistisch-biographische Beiwerk zu Duhrs Geschichte der Jesuiten. -- Das Schicksal des Klosters Allerheiligen, das nach der Säkularisation in kurzer Zeit aus einem der ehrwürdigsten Baudenkmäler zu einer traurigen Ruine wurde, bildet kein Ruhmesblatt der badischen Verwaltung. K. Rögele ( 2116) schildert diesen »Untergang« des Klosters an Hand der Akten. Eine Übersicht über den Personalbestand und den Besitz des Klosters zur Zeit der Säkularisation ist beigegeben. -- Zur kirchlichen Geschichte des 19. Jahrhunderts liefert H. Baier zwei Beiträge. Der Aufsatz über Wessenbergs Romreise ( 2102) bringt gegenüber der Darstellung von Beck manches Neue, da die von Baier als Hauptquelle herangezogenen Briefe Wessenbergs von dem bisher zugrunde gelegten Reisebericht, der erst später unter dem Eindruck des Mißerfolgs der Reise abgefaßt wurde, in nicht unwesentlichen Punkten abweichen. Auch einige ganz sinnentstellende gewaltsame Änderungen, die Beck an seinen Texten vorgenommen hat, werden berichtigt. Die Einwirkung Österreichs auf W.s Reiseplan ist stärker gewesen, als man bisher angenommen hatte. B. sagt geradezu, Wessenberg sei als »Werkzeug Metternichs« nach Rom gegangen. -- Aus dem Briefwechsel J. V. Burgs mit Major Hennenhofer bringt der gleiche Verfasser ( 2123) zahlreiche unbekannte Einzelheiten zur Errichtung der oberrheinischen Kirchenprovinz und des Erzbistums Freiburg, an der Burg als »Geschäftsmann der badischen Regierung« einen sehr wesentlichen, von seinen zahlreichen Gegnern allerdings stark bestrittenen Anteil hatte. -- In die vierziger und fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, da sich der deutsche und der badische Katholizismus nach Überwindung der Krisenzeit neu festigte und politisch zusammenschloß, führt uns die Arbeit Schnütgens über F. J. Mone, die im Berichtsjahre zum Abschluß gebracht wurde ( 2120). Mone hat neben seinen umfassenden wissenschaftlichen Leistungen auch auf dem Gebiet der Kirchenpolitik eine in der Öffentlichkeit nicht allzu stark hervortretende, aber darum doch weitgreifende Tätigkeit entfaltet. Zur Freiburger Kurie stand er in ebenso enger Beziehung wie zu den badischen Regierungskreisen; an der Bewegung, die zur Gründung

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der katholischen Vereine führte, war er entscheidend beteiligt. Mones Grundüberzeugung von der Kirche als dem »konservativen Zentrum der Welt« bestimmte seine kirchenpolitische Betätigung, die man vom gegnerischen Standpunkt aus tadeln kann, aber doch wenigstens als folgerichtig verstehen und anerkennen sollte.


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