IV. Ortsgeschichte.

Die ortsgeschichtliche Literatur, der eine größere Schar periodisch geplanter Heimatblätter und verwandter Veröffentlichungen zur Verfügung steht, hat einen derartigen Umfang erreicht, daß selbst aus der Zahl hierher gehöriger Arbeiten, die in irgendeiner Form neues bringen, nur eine beschränkte Auswahl zur Besprechung gelangen kann.

Anspruchslos, aber materialreich sind die Skizzen aus der Vergangenheit des heutigen Stuttgarter Vororts Degerloch, die der ehemalige Stadtpfarrer Keidel veröffentlicht ( 266). Die über 600 Wiegen- und Altdrucke aufzählenden Verzeichnisse des ältesten Bestandes der 1553 errichteten Stadt-, Kirchen- und Schulbibliothek in der alten Reichsstadt Esslingen, den der schnöde Nützlichkeitsgeist des beginnenden 19. Jahrhunderts in alle Welt zerstreut hat, verwertet O. Mayer zur Ergänzung und Vervollständigung seiner 1900 erschienenen Studie über das geistige Leben in der Reichsstadt vor der Durchführung der Reformation ( 88). Für die Geschichte der Bodenseefischerei von Interesse sind die Bestimmungen eines zwischen der Fischerzunft der Stadt Buchhorn (= Friedrichshafen) und den Fischern von Hofen im Jahre 1529 abgeschlossenen


S.628

Fischereivertrags sowie Bruchstücke der verloren geglaubten Fischereiordnung der Stadt von 1539, die K. O. Müller mit einleitenden Erläuterungen aus den Beständen des Klosters Hofen veröffentlicht ( 1753). Gleichfalls in die Bodenseegegend führt die von dem Stadtpfarrer H. Eggart besorgte Neubearbeitung der von dem Lehrer J. B. Kichler erstmals 1911 herausgegebenen Geschichte der Seestadt Langenargen ( 268); sie weitet sich an gegebener Stelle zu einer Geschichte des Hauses Montfort (das seit dem 15. Jahrhundert ausschließlich die Ortsherrschaft inne hatte und L. auch zur Stadt erhob) und seines Gebietes aus. Von selbständigem Interesse sind die von Paul Schmid veröffentlichten, bescheiden als »Vorarbeiten« bezeichneten Beiträge zur Geschichte des auf einem Ausläufer des kleinen Heubergs gelegenen Städtchens Rosenfeld, das, wahrscheinlich eine Gründung der Herzöge von Teck aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, sich seit 1317 als leicht bedrohbarer Außenposten in württembergischen Händen befand. Der leider jung verstorbene Gelehrte erörtert zunächst Gründung und Frühgeschichte des Städtchens, über die nur wenig Material zur Verfügung steht, und gibt sodann an der Hand von Kirchenbüchereinträgen und sonstigen Archivalien eine breite Schilderung der Schicksale der Stadt und ihrer Umgebung in den wechselvollen Kämpfen des Dreißigjährigen Krieges ( 267). Bei dem Mangel an jeder einschlägigen neueren Literatur brauchbar ist der von A. Willburger und A. Walser sorgfältig, wenn auch in den ältesten Partien nicht genügend kritisch gearbeitete Überblick über die Geschichte des 1126 gegründeten Prämonstratenserklosters Rot bei Leutkirch ( 1985 a), das als älteste Prämonstratensergründung im Gebiete des heutigen Württemberg bald die Mutter zahlreicher Tochterklöster (z. B. Weißenau, Obermarchtal) wurde. Der Rechtshistoriker Beyerle würdigt -- unter Anfügung kleiner Richtigstellungen -- voller Anerkennung die im vorjährigen Bericht kurz hervorgehobenen Forschungen Max Ernsts über die Beziehungen des Klosters Reichenau zum ältesten Ulm und ergänzt sie durch die ansprechende Vermutung, daß der Erwerb der Villicatio und die Pfarreigründung in Ulm durch die Reichenau in den Zeitraum zwischen dem Regierungsantritt Karls des Großen und der Auflösung der zwischen der Abtei Reichenau und dem Bistum Konstanz bestehenden Personalunion, also in die Jahre 768--782, fallen dürfte, zumal nach Ausweis des örtlichen Grenzverlaufs zur Zeit der Festlegung der Diözesangrenzen zwischen den Bistümern Konstanz und Augsburg die Großpfarrei Ulm bereits in Händen der Reichenau gewesen sein müsse ( 1987). Die von Ernst vermutete Verschmelzung von Reichs- und Klostervogtei zu einer einheitlichen Reichsvogtei durch Barbarossa kann sich nach B. nur in der Zeit nach 1160 vollzogen haben. Kurt Weißer ergänzt seine im vorjährigen Bericht erwähnten Ausführungen über das Bündnis Ulms mit Augsburg und Nürnberg in den Jahren 1533--1547 durch weitere Darlegungen über die Stellung, die die drei Reichsstädte, voran Ulm, zu den in den Jahren 1542--1547 wiederholt auftauchenden Bündnisplänen Karls V. einnahmen (»Kaiser Karls V. Bündnisbestrebungen und die Städte Ulm, Augsburg und Nürnberg« [1016]). Für die vor und während der schmachvollen Kapitulation von 1805 in und um Ulm sich abspielenden Ereignisse und ihre Beurteilung ist von Interesse eine aus der Feder des verstorbenen Stadtarchivars Greiner stammende Besprechung des kriegsgerichtlichen Verfahrens, das gegen den verantwortlichen General Mack eingeleitet wurde,

S.629

und der dabei gegen ihn erhobenen Anklagen ( 1131). Das spätmittelalterliche Gesundheitswesen Ulms wird berührt mit der kurzen Betrachtung von Leben und Werk des Ulmer Stadtarztes Heinrich Steinhöwel, die Sudhoff seinem Abdruck von St.s Pestbuch voraufschickt ( 742). Hasenöhrl setzt seine im vorjährigen Bericht erwähnten Veröffentlichungen zur mittelalterlichen Gewerbe- und Wirtschaftsgeschichte Ulms fort; wir heben einen wirtschaftsgeschichtlich nicht uninteressanten Aufsatz über die Regelung des nebengewerblichen Rechtes der Bäcker, Krämer und Müller zur Schweinemast und der Metzger zur Schafhaltung hervor ( 1751). Über die Organisation der christlichen Wohltätigkeit in Ulm während der Reformationszeit finden sich gelegentlich wertvolle Zusammenstellungen und Bemerkungen in dem umfangreichen Buche von Theodor Stark, das im übrigen hauptsächlich sich mit den heute auf bayrischem Boden liegenden früheren Reichsstädten Ostschwabens beschäftigt ( 2066).


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)