V. Rechts-, Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte.

Die überaus wichtige Schrift von Viktor Ernst über die Entstehung des deutschen Grundeigentums ( 1529), deren kritische Beurteilung einem Referat allgemeinerer Natur überlassen bleibt, muß von uns wenigstens vermerkt werden, weil sie dem Boden der württembergischen landesgeschichtlichen Forschung entstammt, überwiegend schwäbisches Material verwertet und für die Erforschung der schwäbischen Rechts- und Siedlungsgeschichte von wesentlicher Bedeutung ist. Die Nichtbeachtung der Ernstschen Studien macht sich im geschichtlichen Teil der stark rechtstheoretisch eingestellten Arbeit von B. Schönberger über die bis ins 19. Jahrhundert fortlebenden Zwangs- und Bannrechte (Mühlenzwang, Bierzwang, Kelterzwang u. dgl.) störend geltend ( 1559). Jedoch wird man seine aus Lagerbüchern und anderen Quellen zusammengetragenen Angaben über die in Württemberg nachweisbaren Zwangs- und Bannrechte, auch wenn sie nicht erschöpfend sein sollten, und seine Schilderung des erst 1849 erfolgreich beendeten Kampfes um ihre Aufhebung mit Nutzen verwerten.

Mit der Geschichte des höchsten württembergischen Appellationsgerichts für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, des in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichteten, 1805 endgültig aufgehobenen Hofgerichts zu Tübingen, seiner Organisation und seinem Rechtsverfahren beschäftigt sich F. Graner ( 1621). Weit kürzer, aber durchaus selbständig behandelt Th. Knapp das gleiche Thema ( 1620). Unsere Kenntnis von Wesen und Grenzen des privilegierten Gerichtsstands der Universität Tübingen wird gefördert durch den Bericht von W. Göz über einen vom akademischen Senat gegen Universitätsverwandte im Jahr 1592 durchgeführten Kindsmordprozeß, von dem M. Crusius in seinem Tagebuch erzählt ( 2528).

Unter stetem Hinweis auf verwandte Erscheinungen im englischen Verfassungsleben beleuchtet Wintterlin am Beispiel des »Geheimen Rats« die dem altwürttembergischen Beamtentum eigentümliche rechtliche Doppelstellung zwischen Landesherrn und Landschaft, die sich aus dem Vertragscharakter der altwürttembergischen Verfassung ergab ( 1618). Derselbe stellt das nur lückenhaft erhaltene Material über die durch fortschreitende Geldentwertung und Münzverschlechterung 1622--1624 veranlaßte Gesetzgebung Herzogs Johann Friedrich von Württemberg zusammen, die auf Grund des schwäbischen Kreisabschieds vom 11/21. März 1622 die Rückzahlung von Darlehen und


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Entrichtung von Geldschulden in möglichst billiger Gestalt regeln und die Mündelgelder vor Entwertung sicherstellen sollte ( 1619).

Die Hundertjahrfeier der Durchführung des neuen württembergischen Notariatsediktes hat zwei Arbeiten veranlaßt. Artur Kurr betrachtet die Württemberg eigentümliche, seit 1826 endgültig festgelegte Spaltung des Notarstandes in öffentliche und in im Beamtenverhältnis stehende Bezirks- (Gerichts- und Amts-) Notare von der geschichtlichen Seite her ( 1622). Er verfolgt, angeregt durch Köchlings Arbeit über die Anfänge des öffentlichen Notariats in Deutschland, die ältere Geschichte des Notariats und des Schreiberstands in Württemberg von den Tagen der alamannischen Gerichtsschreiber an bis zur Ausbildung des vielbesprochenen Schreiberwesens und seiner schwer gerügten Auswüchse im Herzogtum Württemberg. Besonders eingehend werden die Reformversuche in der Zeit des Neuaufbaus des württembergischen Staates unter den beiden ersten Königen, die schließlich das Notariatsedikt zeitigten, und die daran anschließende Entwicklung bis in unsere Tage behandelt. Neben dieser umfassenden und gründlich gearbeiteten Untersuchung ist noch eine auf Veranlassung des Württembergischen Notariatsvereines herausgegebene Festschrift zu erwähnen, in der der Herausgeber Gestrich einen kurz gefaßten geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des württembergischen Notariats während der letzten 100 Jahre bietet ( 1623).

Die Geschichte der Pressezensur in Württemberg, vor allem unter den beiden ersten Königen, das freiheitliche Pressegesetz von 1817 und die an dessen Handhabung und Durchführung anknüpfenden Schwierigkeiten und außen- wie innenpolitischen Verwicklungen erörtert E. Schneider ( 2517 a).

Die völker- und staatsrechtliche Untersuchung von Otto Elben über die durch Württemberg seit 1806 mit nichtdeutschen Staaten abgeschlossenen Staatsverträge will zunächst als ein Beitrag zur Klärung des Staatsvertragsrechts der deutschen Länder angesehen sein ( 1624). Da aber die Arbeit auch stark geschichtlich eingestellt ist und grundlegende Fragen, wie die Stellung W.s im Rahmen des Deutschen Bundes und des Deutschen Reiches, berührt, hat sie, zumal sie sehr viel Material enthält, auch für den Historiker erhebliches Interesse.

Als Beitrag zur Wirtschafts- und Gewerbegeschichte des Landes sei schließlich noch die Materialsammlung zur Geschichte der alten Papiermühlen im Gebiete des Königreiches W. hervorgehoben, die Fr. v. Hoeßle zusammengetragen hat ( 1690). Besonders dankenswert sind die in großer Zahl beigegebenen Abbildungen von Papierwasserzeichen.


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