X. Neuere Geschichte seit 1820.

Über Fürstprimas Karl von Dalberg als Freund der Armen und Mäcen der Gelehrten weiß H. Huber ( 1128) einiges Neue aus der Zeit um 1813 zu sagen, in der Hauptsache auf Grund eines erstmals benützten Faszikels Korrespondenzen mit seinem Aschaffenburger Kabinettsekretär, Geheimrat Müller. -- Die weitläufigen Verhandlungen des bayerischen Landtages nur als Hintergrund verwendend gibt E. Franz ( 1617), in erster Linie auf Grund des damals wichtigsten Faktors politischer Beeinflussung, d. h. der Flugblattpresse einerseits, der zeitgenössischen literarischen Erzeugnisse großen Formats anderseits, eine Geschichte der bayerischen Verfassungskämpfe 1818--1848. Die Jahre 1830--1832 bedeuten Höhepunkt und Peripetie. Dabei werden markante Persönlichkeiten der Zeit wie König Ludwig I., der liberale Würzburger Universitätsprofessor W. J. Behr, Staatsminister v. Zentner, J. v. Rudhart, E. v. Schenk, K. v. Abel u. a. zum Teil in wesentlich neuem Licht gezeigt. Zugleich bietet das Buch eine bisher vermißte Einführung in die Anfänge des bayerischen, hauptsächlich fränkisch-pfälzischen Liberalismus in seinen verschiedenen Schattierungen. -- Einzelheiten zu dieser Epoche tragen W. Winkler ( 1212) und J. Sauter ( 1810) bei, ersterer, indem er weitverbreitete Irrtümer über den schriftlichen Nachlaß König Ludwigs I. richtigstellt und den legitimierten Forscher in das tatsächlich Vorhandene einweist, letzterer, indem er über die weitgehenden, in England gefaßten und von dort befruchteten Pläne dieses Pioniers bayerischen und deutschen Eisenbahnwesens aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts einige beachtliche Neuigkeiten veröffentlicht. -- Der Kern der Studie über Bayerns Haltung zum preußischen Unionsprojekt, der letzten großen, von Doeberl ( 1211) selbst noch vollendeten Arbeit dieser Serie, liegt in der klaren Erfassung der Probleme, welche das Unionsprojekt Friedrich Wilhelms IV. für die Einstellung des deutschen Südens, im besonderen Bayerns, zur deutschen Einigung in den Jahren nach dem Versagen des Frankfurter Parlaments aufwarf. Diese Lösung der deutschen


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Frage »mit einem Schlag« widersprach den Aspirationen des von der Triasidee mehr und mehr erfüllten Königs Max II. und seines leitenden Ministers Freiherrn von der Pfordten, dessen Nachlaß Doeberl erstmals ausgiebig verwenden durfte. Besonders zu beachten ist, wie gerade von der Pfordten, der Neubayer, der Protestant, dem Preußen nach Religion und Tradition näher liegen mußte als Österreich, aus teilweise guten Gründen das preußische Unionsprojekt bekämpfte und zum Scheitern brachte. -- Von tief innerlicher Erfassung der Strömungen in der katholischen deutschen Gelehrtenwelt des 19. Jahrhunderts, repräsentiert in drei Charakterköpfen, zeugen des gleichfalls verstorbenen F. Vigener ( 2104) Skizzen über den Tübinger, dann Münchner Theologieprofessor Möhler, den nachmaligen Fürstbischof von Breslau, v. Diepenbrock, und den Münchner Professor der Dogmatik J. v. Döllinger. Was hier in Zusammenfassung von Bekanntem und Darreichung neuer Erkenntnisse über die »Symbolik« Möhlers, über seine Beziehungen zu Döllinger, über die Einwirkung des bekannten Regensburger Bischofs Sailer auf Diepenbrock, über des Westfalen prächtige deutsche Gesinnung, über Döllingers Härte im Kampf gegen sich und andere, über seine Stellung zu Ranke u. a. m. gesagt wird, ist von hohem Reiz. Gegenüber den Aufsätzen über Möhler und Diepenbrock fällt jener über Döllinger wesentlich ab, da ihm die letzte Feile fehlt. Auch der recht hartnäckig geübte Verzicht auf Quellenangaben ist für den nachfahrenden Forscher verdrießlich -- der Tod hat Vigener die Feder zu früh genommen. Aber auch so bleibt es noch eine beachtenswerte Leistung des feinsinnigen Gelehrten. -- An F. Solleders ( 1313) Aufsatz wird der Forscher einmal die Zusammenstellung der wichtigsten Literatur über Ludwig II., sodann die mit den notwendigen Anmerkungen versehenen »Aufzeichnungen eines Augenzeugen« der letzten Tage Ludwigs II. auf Neuschwanstein, des Ministeralkommissäre Kopplstätter, begrüßen, da wir gerade über die zweite Staatskommission bisher nur regierungsseitig aus dem Jahre 1886 unterrichtet waren.

W. Mommsen ( 1268) kritisiert Doeberls »Bayern und die Bismarckische Reichsgründung« und weist dabei in einer sorgfältigen und gründlichen Untersuchung auf manche Schwächen Doeberls hin, so besonders auf seine Überschätzung der Wertung diplomatisch zweckbestimmter Äußerungen Bismarcks und auf die zu geringe Heranziehung der vorhandenen Literatur, schießt jedoch hie und da übers Ziel hinaus, so z. B. wenn er meint, daß der bayrischen Kultur »durch die von Ludwig I. herangezogenen Norddeutschen und Protestanten der Stempel aufgedrückt wurde«. Auch die unverkennbare Absicht, Bismarck für gewisse einheitsstaatliche Tendenzen unserer Tage in den Kampf zu führen (S. 192, 193), dürfte ebenso in die Irre gehen wie Doeberls zu starke Einspannung Bismarcks für einen ewigen, in besonders starkem Maße ausgeprägten Föderalismus. --

Das Buch der Frau M. Staudinger ( 2113), die schon fast 30 Jahre dem Orden der Englischen Fräulein angehört, behandelt den Kreis um Sailer und Görres, die moralische Vernichtung des Görreskreises i. J. 1847 und die Stellungnahme zur Märzrevolution und zum Reformlandtag 1848 [über den G. Mayer auch eine Münchener Dissertation ( 1210) herausgebracht hat]. Auch die Einstellung des Görreskreises zur deutschen Frage und zur sozialen Frage des Jahres 1848 wird beleuchtet. Auf den in Ungnade gekommenen Minister Karl


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v. Abel, und die meist gemaßregelten J. N. Sepp, J. Döllinger, Phil. Lasaulx, Deutinger, Hofstätter usw. fallen dabei manche Strahlen. -- Der spätere Bamberger Domherr Jos. Ant. Helfferich (1762--1831), erhält als Kirchenpolitiker von Bierbaum ( 2112) ein anschauliches Lebensbild. Zu ihm tritt als Konsultor des Nuntius der ehemalige Benediktiner aus Malmedy Paul du Mont. --

Man kann von einer -- zumal nur in Maschinenschrift erschienenen -- Doktorarbeit wie jener von F. Fuchs ( 2565) nicht verlangen, daß sie ganz auf eigenen Füßen steht. Für die ältere Zeit hat der Verfasser aus dem Germanischen Nationalmuseum manche wertvolle Einzelheiten beigetragen. Allein es ist eine Vermessenheit »die Entwicklung des Nürnberger Zeitungswesens« von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts auf 205, noch dazu mit vielen Beilagen versehenen Maschinenschriftseiten bieten zu wollen. Ganz unzulässig aber ist es, daß Fuchs auf 24 Seiten teils größere, teils kleinere Abschnitte aus Artikeln des Fränkischen Kurier von Dr. Reicke und J. S. Geer wortwörtlich oder mit ganz unbedeutenden Änderungen ohne jede Quellenangabe abgeschrieben hat!


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