III. Geschichtliche Landeskunde.

Auch in diesem Berichtsjahre sind vorwiegend kleinere Arbeiten zu verzeichnen, denen aber zumeist doch auch allgemeinere Bedeutung zukommt. Für Niederösterreich liegen zwei größere Stadtgeschichten, für Oberösterreich und Tirol mehrere Beiträge zur Ortsnamenforschung vor. Für Deutschtirol sind die politisch-historische Landesbeschreibung für den nördlichen und siedlungsgeschichtliche Arbeiten für den südlichen Teil besonders anzumerken. Die folgende Überschau ist alphabetisch nach Territorien eingerichtet.

In den Rahmen der Historischen Stadtbilder ist durch G. Probszt nun auch das von Wien ( 241) eingefügt worden. Je einer knappen Zusammenfassung der politischen und der inneren Geschichte ist eine anschauliche Schilderung des Aufbaues der Stadt und ihres Straßennetzes angeschlossen. -- Das von E. Friess und J. Seidl kurz erörterte niederösterreichische Ungeldbuch von 1437 für den Steuerbezirk Alland südlich von Wien ( 1734) gewährt in die Amtsführung eines landesfürstlichen Ungelters erwünschte und anregende Einblicke. Der Hauptinhalt ist anhangsweise beigegeben. -- J. Mayer hat seine Geschichte von Wiener-Neustadt, deren erster, bis 1440 reichender Band 1924 erschienen ist, mit dem zweiten ( 243) nunmehr bis 1500 fortgeführt. Mehr noch als auf die politische, im Zeitalter Friedrichs III. bedeutsame Stadtgeschichte ist, dem Interessentenkreise des Werkes entsprechend, auf das innere Leben derselben im weitesten Sinne Bedacht genommen. -- Es ist nur das jüngere (1625--1670) Wiener Ghetto ( 2319), dem A. Schmieger einen geschichtlichen Abriß, H. Rotter wertvolle Verzeichnisse der Häuser und Hausnumerierungen gewidmet haben.

Seinem im ersten Bande S. 641 angezeigten Aufsatz über das Wiener Hofquartierwesen des 17. und 18. Jahrhunderts hat J. Kallbrunner ( 1807) nunmehr eine lebensvolle Auswahl der wichtigsten Aktenstücke in übersichtlicher, sachgemäßer Gruppierung folgen lassen. -- Der seit 1917 in Lieferungen erscheinende erste Band der Geschichte der Stadt St. Pölten von A. Herrmann ist nunmehr, redigiert von K. Hübner, mit der siebenten und achten Lieferung ( 242) zum Abschluß gebracht. Dem dritten, bis 1785 geführten Abschnitte ist eine Reihe von Exkursen angeschlossen, die auch die beiden letzten Lieferungen füllen. Hervorgehoben sei der Überblick über die städtische Finanzverwaltung im 16. und 17. Jahrhundert (Salzhandel, Herrschaftspacht, Ziegelei, Bräuhaus u. dgl. m.). Beachtenswert sind ferner die Exkurse über die Reform der Stadtverwaltung unter Maria Theresia und über Handwerk und Gewerbe, die gleichfalls die Landesregierung reformierend am Werke zeigen. Ein ansprechender Überblick über Handel und Verkehr (Verbindungen auch mit Augsburger und Nürnberger Handelshäusern) beschließt den Band. -- Mit wenigen, doch sicheren Strichen zeichnet H. Güttenberger an dem Beispiele Niederösterreichs ( 510) die grundstürzenden Wirkungen, die die Industrialisierung des letzten Jahrhunderts auf Bevölkerungs- und Siedlungsverhältnisse ausgeübt hat. Hingewiesen sei auf die beigegebenen instruktiven Tabellen.

Mehr als 40 Beiträge verschiedenartigsten, vornehmlich historisch-geographischen, auch kunstgeschichtlichen Inhaltes umfaßt der erste Band des neuen


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oberösterreichischen Heimatbuches ( 63), darunter wertvolle Skizzen über die Linzer Sammlungen (Archiv, Bibliothek und Museum). -- K. Schiffmanns neue Beiträge zur Ortsnamenkunde Oberösterreichs ( 677) sind scharf polemisch gehalten und hauptsächlich gegen R. Much gerichtet. Im Mittelpunkte steht die slawische Besiedlung des Landes. Auch auf die Florianlegende ist ausführlich Bezug genommen. -- Ebendiese Fragen, im besonderen das allmähliche Fortschreiten der deutschen Besiedlung des östlichen Mühlviertels berührt auch E. Schwarz ( 679) bei der Erklärung der Ortsnamen der politischen Bezirke Urfahr, Perg und Freistadt (auch Eferding und Linz). -- Desgleichen in seinen Beiträgen ( 676), in denen er einige wenige oberösterreichische Fluß- und Ortsnamen besonders herausgreift. Vorangestellt sind ihnen drei lehrreiche Beispiele von Ortsnamengebung im Salzbergbau ( 680): Hall, Pfanne und Tuval.

F. Martin, der hochverdiente Herausgeber des bis 1246 reichenden Salzburger Urkundenbuches, setzt dieses nunmehr, vorläufig in Regestenform, bis 1343 fort. Das erste Heft, bis 1270 reichend und 582 Nummern umfassend, liegt samt einer Siegeltafel bereits vor ( 184). Die kaum zu überwindenden finanziellen Schwierigkeiten zwangen zu äußerster Knappheit (nur Bereitstellung, nicht intensive Verarbeitung des urkundlichen und annalistischen Materials). -- Es sind im wesentlichen die z. T. noch in reichster Fülle erhaltenen Reverse und Quittungen der salzburgischen Söldner des 14. Jahrhunderts, die H. Klein zu seiner anziehenden Untersuchung des Salzburger Söldnerwesens von damals veranlaßt haben ( 1551). An dem Hintergrunde der Kriegsereignisse der zweiten Jahrhunderthälfte zeigt K. die rasch sich entwickelnde Organisation des salzburgischen Solddienstes in Gesellschaften und erläutert des näheren die Bewaffnung, Art und Stärke dieser Söldnerheere, ebenso den Stand und die Herkunft der Söldner, die Soldsätze u. dgl. m. Eine alphabetische Söldnerliste von über 1500 Namen, auch dreizehn Urkundentexte sind beigegeben. -- J. K. Mayrs Geschichte der salzburgischen Zentralbehörden ( 1550) ist mit dem dritten, von 1540 bis ans Ende des 16. Jahrhunderts reichenden Teil zum Abschluß gebracht. Die Stoffgliederung ist im wesentlichen dieselbe geblieben. Hervorzuheben wäre der vielseitige Agendenkreis der Kammer (Finanzen und Kabinett), der auf die Entwicklung des Geheimen Rates hemmend eingewirkt hat. Beigegeben sind eine Beamtenliste, sowie Texte und Auszüge der Kanzlei- und Hofratsordnungen dieses Zeitraumes. -- Die Geschichte der Juden in Salzburg, von A. Altmann nunmehr bis zur Gegenwart fortgeführt ( 2320), enthält für das 19. Jahrhundert manch charakteristisches zeit- und geistesgeschichtliches Detail.

Das Urkundenwesen der Traungauer Grafen (und Herzoge) des 12. Jahrhunderts, die der Steiermark den Namen gegeben haben, ist nunmehr von Pater O. Wonisch einer kritischen diplomatischen Untersuchung unterzogen worden ( 395). Das Urkundenmaterial ist geringfügig an Zahl und arm an Originalen, auch vielfach gefälscht: Schwierigkeiten besonderer Art, die W. gleichwohl überwunden hat. Der Stoff ist nach den 21 Urkundenempfängern gegliedert, die Spuren der Anfänge eines eigenen Kanzleiwesens sind sorgfältig festgehalten. Unter den Urkunden für die steirischen Ministerialen (Empfängergruppe 17) ist der Georgenberger Handfeste von 1186 das Hauptaugenmerk gewidmet. Eine Urkundenübersichtstafel und drei Schriftprobentafeln sind beigegeben.


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--Pircheggers Abriß ( 247) ist im ersten Bande S. 629 bereits angezeigt.

Mit gutem Grund werden die Schriften des Innsbrucker Instituts für Sozialforschung in den Alpenländern durch eine volkskundliche Studie H. Wopfners über die deutsche Siedlungsarbeit in Süd tirol ( 516) eröffnet. Auf knapp 40 Seiten entrollt uns W. in meisterhafter Kürze und Anschaulichkeit diese Siedlungsarbeit während eines Jahrtausends, die ersten Phasen der Festsetzung des bayrischen Stammes, das Fortschreiten der Germanisierung bis ins 12. und den Ausbau der Innenkolonisation bis ins 14. Jahrhundert in Hof, Dorf und Stadt. Der Unterschied gegenüber Churrätien tritt sinnfällig hervor. -- Denselben Gegenstand hat H. Wopfner unter stärkerer Miteinbeziehung der vordeutschen Siedlung und unter Beigabe instruktiver Bilder und Pläne in gedrängtester Kürze nochmals behandelt ( 515), wobei er die Umgebung Bozens besonders ins Auge faßt. -- Auch C. Battisti berührt mit seinem Berichte über die Deutschsüdtiroler Ortsnamenforschung 1914--1924 ( 648) ebendieses Thema, wobei er die vorromanischen und die romanischen (ladinischen) Ortsnamen besonders berücksichtigt. Die grundlegende Bedeutung der von Tarneller und anderen deutschen Forschern geleisteten Arbeiten ist durchaus anerkannt. -- L. Steinbergers einschlägige Beiträge ( 682) beziehen sich vornehmlich auf R. Stafflers Hofnamen im Landgerichte Kastelbell unter stärkerer Betonung ihres philologischen Gehaltes. -- Ebendiesem Forschungszweige gilt in weiterem Sinne auch die Vortragsfolge Deutschsüdtirol ( 223), deren erster Teil schon 1925 erschienen ist. H. Voltelini skizziert darin die Geschichte, W. Winkler die statistischen, A. Verdroß die rechtlichen Verhältnisse. W.s Vortrag und Anhang enthalten eine Fülle sehr beachtenswerten tabellarischen und graphischen Beiwerks. W. Steinhausen führt die Ortsnamen als Zeugen auf. -- All diesen zumeist den Nöten der Gegenwart entsprungenen Abhandlungen und Vorträgen wird H. Margreiters Verzeichnis der Literatur über Südtirol seit 1919 ( 18) als willkommene Ergänzung angereiht werden können. Vollständigkeit war angesichts des Interesses, dem die Lage Deutschsüdtirols in der Gegenwart auf der ganzen Welt begegnet, nicht zu erzielen. Gleichwohl hat M., zumal was die italienische Literatur betrifft, die reichsitalienischen Literaturübersichten nicht unwesentlich ergänzen können. Das Verzeichnis gliedert sich in fünfzehn Fachgruppen.

Das Brixener Kalendar des Dompropstes Winther aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, das L. Santifaller, ein um die Geschichte seiner Südtiroler Heimat hochverdienter junger Forscher, herausgegeben ( 1729) und überdies vor einem größeren Leserkreise kurz gewürdigt hat ( 1730), enthält neben dem Kalender (durch diesen sichtlich beeinflußt) auch einen Nekrolog und zwei z. T. ähnlich angelegte Urbare, die insgesamt zu den ältesten Quellen dieser Art in weiterem Umkreise zu zählen sind. -- Es ist das Ergebnis mehr als zwanzigjähriger Forschungsarbeit, die O. Stolz als Politisch-historische Landesbeschreibung von (Nord-) Tirol ( 517) nunmehr zum Abschluß gebracht hat. Indem sie eine bis ins einzelne gehende Darstellung der Entstehung und Entwicklung der verschiedenen politischen Raumbildungen Nordtirols bietet, stellt sie einen »Motivenbericht« zur Landgerichtskarte Deutschtirols dar, die S. samt Erläuterungen schon 1910 hat erscheinen lassen. Sie hängt ferner aufs engste mit seiner 1912 veröffentlichten Geschichte der Gerichte Deutschtirols


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zusammen: diese kann als allgemeine Einleitung zu jener gelten. Die zweite Hälfte des ersten (nordtirolischen) Teiles behandelt die Gerichte der westlichen Landeshälfte von Hörtenberg (bei Telfs) bis Finstermünz und bringt dann eine Reihe von Nachträgen zu Gerichtsbeschreibungen beider Halbbände. Ein Sach- und ein Ortsindex, die sich beide auch auf die vorerwähnte Geschichte der Gerichte Deutschtirols beziehen, sind beigegeben. Die Abteilung Südtirol soll in Bälde folgen. -- Den interessanten ersten Versuch eines Habsburgers (von 1430), in den Niederlanden (Brabant) Fuß zu fassen, hat L. Groß ( 968) an Hand einer einschlägigen (mitabgedruckten) Instruktion Herzog Friedrichs IV. von Tirol dankenswerterweise der Vergessenheit entrissen. -- A. Ziegers kurz gefaßte Geschichte des Trentino ( 249) ist für weitere Kreise bestimmt, daher gemeinverständlich gehalten. Fast die Hälfte ist der neuesten Zeit (ab 1796) gewidmet. Durchaus im Vordergrunde steht naturgemäß die politische Geschichte. Die zahlreich eingefügten Planskizzen sind zum Teil recht wertvoll. -- Von den Beiträgen zur Geschichte der Trienter Franziskanerprovinz ( 1973) sind mehrere von allgemeinerer Bedeutung; so die Abschnitte über die Geschichtsschreiber derselben, den Besitz an Kunstwerken und Bibliotheken und über die Missionstätigkeit (namentlich auf dem Balkan). -- A. Ulmers fünfter, das Dekanat Bregenzerwald fortführende Band der großen von L. Rapp († 1910) vor mehr als dreißig Jahren begonnenen topographisch-historischen Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg ( 2044) liegt nunmehr abgeschlossen vor. Von den neunzehn Dekanatspfarren, die U. behandelt, war die erste (Schwarzenberg) schon von R., indes nicht mehr zureichend, bearbeitet worden. Vorausgeschickt sind aufschlußreiche Einführungen in die lokale Kirchengeschichte, sowie in die allgemeinen topographischhistorischen und in die kirchlich-kulturellen Verhältnisse.


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