VI. Wirtschaftsgeschichte.

H. Wopfners mehrfolgige Anleitung zur Erarbeitung heimatkundlicher Kenntnisse behandelt dermalen ( 514) die landwirtschaftliche Siedlung (Gewanndorf, Weiler- und Einödsiedlung) und die Hilfsmittel der Siedlungsforschung im allgemeinen. Instruktive Abbildungen und ein Schulbeispiel (Natters bei Innsbruck) sind beigegeben. -- Im zweiten Teile seiner Studien zum österreichischen Münzwesen des Mittelalters bringt F. Dworschak ( 1733) wertvolle Ergänzungen seiner früheren einschlägigen Arbeiten (Zuteilung neu gehobener Münzfunde des 12. Jahrhunderts und Mitteilung einzelner Beobachtungen für die spätere Zeit). Hingewiesen sei auf die Feststellung einer Falschmünzerwerkstätte in einer Höhle bei Neunkirchen. -- Das älteste Urbar der Landesfürsten von Steiermark setzt E. Patzelt ( 1736) in die Zeit der Erwerbung des Herzogtums durch die Babenberger und leitet es von einer allgemeinen Revindikation des landesfürstlichen Besitzes her.

Der wertvolle Beitrag zur Geschichte des Frühkapitalismus, den O. Brunner mit seiner Studie über Goldprägung und Goldbergbau in den Ostalpen liefert ( 1731), greift den salzburgischen des 14. Jahrhunderts besonders heraus und verfolgt innerhalb dieses Rahmens die Rolle, die um 1380, 150 Jahre vor den Fuggern, eine kapitalskräftige Judenburger Handelsgesellschaft erst als Pächter, dann als Münzer, schließlich als angehende Bergbauinhaberin gespielt hat, bis sie der Erzbischof eben noch rechtzeitig abgeschüttelt hat. Die wichtigsten Urkunden, ein Schuldscheinverzeichnis und eine Münztafel sind beigegeben. -- F. Popelka ist der Versuch, zum erstenmal die Geschichte des Handwerks in Obersteiermark bis zum Jahre 1527 darzustellen ( 1735), trefflich geglückt. Für Obersteier fließen die Quellen ansehnlich reich, auch war es den übrigen Landesteilen bis ans Ende des Mittelalters weit voraus. Neben der Übersicht über die geschichtliche Entwicklung bis zur ersten landesfürstlichen Handwerksordnung von 1527 kommen vor allem die lebensvollen Abschnitte über die einzelnen Bestimmungen der Gewerbeordnungen (für Handwerker, Gesellen, Hilfsarbeiter und Lehrlinge) und die Bruderschaften in Betracht, deren ursprünglich rein gewerblichen Charakter P. scharf betont. Den Schluß bilden chronologische Verzeichnisse der Handwerksordnungen und -bruderschaften. Eine Sonderdarstellung über die gewerblichen Berufe ist in nahe Aussicht gestellt. -- Die Rolle, die im trinkfreudigen Wien neben dem Wein der nahen Rebenhügel das Bier gespielt hat, kann L. Sailers Untersuchung über das Bier- und Schankmonopol des Bürgerspitals ( 1684) zur Genüge entnommen werden. Sie setzt mit dem Jahre 1432 ein und geht bis ans Ende des 18. Jahrhunderts, das die Bierwirtschaft des Bürgerspitals in Verfall begriffen zeigt. Von allgemeiner Bedeutung ist der Abschnitt über das


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Bierrecht und dessen allmähliche Durchbrechung durch Zufuhr von auswärts. Von den beigegebenen Übersichtstabellen verdient Tafel J über die eigene Brautätigkeit und die Zufuhren von 1613 bis 1637 besondere Beachtung; unter letzteren überwiegen die bayrischen, namentlich aus Ingolstadt, weitaus.

Es ist ein düsteres Bild österreichischer Wirtschaftsgeschichte, das uns F. Engel-Jánosi in seiner klaren, auf reichem archivalischem Material ruhenden Untersuchung zur Geschichte der Wiener Kaufmannschaft von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ( 1732) entrollt: die Erschütterung des Geldwesens, die Stickluft wirtschaftlicher Unsicherheit und sozialer Verbitterung, die Verlagerung der Haupthandelswege u. dgl. m., die das Importgeschäft quantitativ und qualitativ herabdrücken, den Export drosseln und den Wagemut der Kaufleute knicken. Die Beilagen, aus Mautbüchern (Judenburg und Enns), Testamenten und Handlungsbüchern (Wiener-Neustadt) geschöpft, sind wertvolle Illustrationen hierzu. Das Frankfurter Stadtbibliotheksexemplar von A. Matuschcziks Dissertation über die ökonomische Entwicklung der Steiermark ( 1682) ist in fast unleserlicher Maschinenschrift geschrieben. Am literarischen Unterbau klaffen bedenkliche Lücken; so fehlt z. B. Dopschens grundlegende Ausgabe der steirischen Urbare. -- V. Hoffmann, der verdienstvolle Forscher auf dem Gebiete der neueren österreichischen Wirtschaftsgeschichte, behandelt im zweiten Teile seiner diesbezüglichen Beiträge ( 1806) auf Grund sorgfältiger und umfassender archivalischer Studien die Anfänge der Baumwollwarenindustrie in den österreichischen Alpenländern im 18. Jahrhundert. Die einzelnen Phasen der Entwicklung vom Zunft- zum Fabriksbetrieb (1720 Graz, 1726 Schwechat, 1753 Sassin), der Übergang vom Monopol- zum Freibetrieb -- 1762 --, der den alten Fabriken, zumal in Niederösterreich, zahlreiche neue zur Seite stellt, endlich der allgemeine Niedergang um die Jahrhundertwende sind klar und unter Bedachtnahme auf alle Probleme des Produktionsumfanges, der wirtschaftlichen Bedeutung, der Einfuhr, des Einkaufs, der Betriebsführung u. dgl. m. dargestellt. Diesem allgemeinen Rahmen sind die Spezialgeschichten der vorgenannten Fabriken eingefügt. Auch auf die verwandten Industrien Tirols und Vorarlbergs ist anhangsweise Bezug genommen.


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