VII. Kirchengeschichte.

Wegen des so engen Zusammenhanges von Staat und Kirche, von religiösem und politischem Schicksal auf sudetenländischem Boden erfreut sich die Kirchengeschichte eifriger Pflege. Daher fand auch Schmid ( 2058) für seine großangelegte Darstellung der Entstehung der westslawischen Pfarrorganisation auf sudetenländischem Boden bereits zwei verläßliche und aufschlußreiche Arbeiten von Krofta und Hrubý vor, auf die er sich für die Sudetenländer stützen konnte. Er hat jedoch mit bewährtem Scharfsinn das gesamte Material nochmals sorgfältig durchgearbeitet und hat zum Teil die früheren Erkenntnisse bestätigt, zum Teil Neues zutage gefördert. Die stete Umschau in der slawischen Nachbarschaft hilft manche Besonderheit böhmischer Kirchenorganisation sinnfällig machen, manche vereinzelt dastehende Tatsache als gemeinslawische Erscheinung erkennen. Wie in seinen früheren Arbeiten behandelt auch hier Schm. systematisch die einschlägigen Fragen wie Burgenkirche, Zehnten, Patronat, Eigenkirche, Ausstattung der Kirchen, versucht Fragen wie den Kirchenstreit zwischen Andreas und Ottokar neu zu beleuchten. Erneut geht aus Schm.s Arbeit hervor, wie ungemein stark der weltliche Einfluß besonders auf das niedere Kirchenwesen bis ins späte Mittelalter war. Angemerkt sei noch, daß auch die durch die deutsche Besiedlung hervorgerufenen Änderungen eingehend beleuchtet werden, so daß nach der kirchenrechtlichen Seite hin die bisher offenstehenden Fragen als gelöst zu betrachten sind.


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Eine sehr wichtige Rolle spielten die Klöster, die besonders im 12. Jahrhundert durch die neuen Orden sehr vermehrt wurden. Zum Teil wurden die schon angesessenen Benediktiner verdrängt. In scharfsinniger Quellenanalyse kommt Novotný (S. 161, Nr. 37) zu dem Ergebnis, daß nach der Vertreibung der Benediktiner in Kloster Hradisch durch Bischof Heinrich Zdik von Olmütz spätestens 1150 Prämonstratenser eingeführt worden sind, an deren Spitze der mit einer Steinfelder Kolonie nach Böhmen gekommene Reimer stand, der aber bald vertrieben wurde. Darauf zog 1151 oder 1152 eine neue Prämonstratenserkolonie mit Abt Georg an der Spitze ein. Dieser Konvent dürfte unter Beteiligung Strahovs aus Leitomyschl gekommen sein.

An der Seite des Weltklerus wuchs so im 13. Jahrhundert eine mächtige Ordensgeistlichkeit empor, die beide dann im 14. Jahrhundert durch die zum Hussitismus führenden Reformbestrebungen betroffen wurden. Führte Novotný das Gären im religiösen Leben zum Gutteil auf die Mißstände im Welt- und Ordensklerus des 14. Jahrhunderts zurück, so bemüht sich nun Neumann (S. 161, Nr. 435a) an Hand neuen, im Wortlaute mitgeteilten Quellenmaterials, den tatsächlichen Zustand der Geistlichkeit in hellerem Lichte darzustellen. Nach ihm herrschte in der Hauptsache unter der Ordensgeistlichkeit (weniger bei Benediktinern und Prämonstratensern) eine ausgezeichnete Ordnung und Zucht, während die Zustände im Kreise des Weltklerus nicht befriedigend waren. An vielen Mißständen war nicht die Kurie, sondern der auf die Kirche einen starken Einfluß ausübende Staat schuld. Eine umfangreiche Darstellung des Ideengehaltes und Lehrgutes von Hus bietet Kybal (S. 161, Nr. 34), von dessen Werke der dritte Band noch aussteht, in welchem die Schlüsse aus dem bisher mit tiefem theologischem Wissen durchgearbeiteten Stoffe gezogen werden sollen, so daß später eine Würdigung folgen soll.

Die hussitische Bewegung spaltete sich dann im 16. Jahrhundert in die Alt- und Reformutraquisten, die einander heftig befehdeten. Einen solchen Streit zwischen dem Altutraquisten Vodňanský und Mystopol führt V. Chaloupecký: Pře kněžská z r. 1562 (Priesterstreit aus dem Jahre 1562), Věstník král. č. společ. nauk 1925 (1926), IV, 207 S. vor, wobei vor allem das eine von Interesse ist, wie sich Ferdinand I., der die beiden Lager gegeneinander hetzen und zugunsten Roms schwächen wollte, einmischte und dem Altutraquisten Recht gab. Überdies ließ er die katholischen Behörden eingreifen, stärkte damit diese und seinen Absolutismus.

Nach dem 17. Jahrhundert verstummten in der Hauptsache die großen kirchlichen Streitigkeiten und Kriege. Die Geistlichkeit der Aufklärungszeit war davon weit entfernt. Eine auf reichem archivalischem Material gegründete Lebensbeschreibung des Leitmeritzer Bischofs Kindermann, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für Böhmen die größte Bedeutung hat, bietet Winter ( 2537). Seine Tätigkeit gehörte vor allem der Volkswohlfahrt und dem Schulwesen. Besonders verdient festgestellt zu werden, daß seine Schulreformen ganz im Geiste der Aufklärung geschahen und nichts mit nationalen Erwägungen zu tun hatten. Die Sprache betrachtete er lediglich vom Nützlichkeitsstandpunkte. Sein Einfluß und Vorbild wirkte weit über Österreichs Grenzen hinaus.

Der aufgeklärte Absolutismus trachtete in die Diözesaneinteilung Ordnung zu bringen und versuchte eine Abrundung nach staatlichen Grenzen durchzusetzen.


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Pirchan ( 2146) stellt die langwierigen Verhandlungen Österreichs und Preußens wegen der durch den Berliner Frieden zerteilten Breslauer Diözese, besonders des Bistumslandes (Fürstentums, nicht Herzogtums) Neiße dar, ohne daß es zu einer Regelung gekommen wäre.


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