IX. Kirchliches und religiöses Leben.

P. Smolders ( 1760) berichtet über die Kämpfe, welche die 1129 gegründete Prämonstratenserabtei Heylissem im 12. Jahrhundert um ihren Besitzstand zu führen hatte. In ihrer kirchenpolitischen Haltung war sie wie die übrigen Prämonstratenserklöster der Lütticher Diözese durch die Bischöfe von Lüttich bestimmt und hing demgemäß dem kaiserlichen Papst Viktor IV. an. -- Die Abtei Valduc bei Jodoigne, deren Geschichte Lavalleye ( 24) geschrieben hat, ist 1232 von Herzog Heinrich II. von Brabant gegründet worden und erlebte im 15. Jahrhundert eine Nachblüte infolge der Reform durch die Äbtissinnen Elisabeth Baeten und Marguerite Calabers (1460--1472), die unter Mitwirkung der Herzogin Isabella von Burgund durchgeführt wurde. -- Der Aufsatz von Baron de Crassier ( 25) über die Abtei Hocht bei Maastricht, die 1180 gegründet und um 1220 in ein adliges Zisterziensernonnenkloster verwandelt wurde, enthält lediglich Personal- und äußere Besitz-Geschichte mit Urkundenauszügen. Die S. 217 im Wortlaut mitgeteilte Gründungsurkunde bedarf einer Untersuchung auf ihre Echtheit. -- Die von Ploegaerts ( 26) verfaßte Geschichte eines dritten, 1231 gegründeten Zisterziensernonnenklosters, Wauthier-Braine bei Nivelles, behandelt das Mittelalter auf nur 30 Seiten. -- Das Aufsehen erregende Wunder, das sich am 15. März 1345 in Amsterdam ereignete, ist nach Ansicht von J. F. M. Sterck ( 27) in seiner Bedeutung für das Aufblühen der Stadt bisher neben den wirtschaftlichen Faktoren zu wenig gewürdigt worden. H. J. Smit ( 28) hat demgegenüber geltend gemacht, daß die behauptete Beziehung zwischen Mirakel und Entwicklung der Stadt ganz unbewiesen sei, und daß überdies die Urkunden, welche das Mirakel bezeugen, schon durch ihre Überlieferung verdächtig sind. -- Aus


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einer von J. S. van Veen ( 29) mitgeteilten ausführlichen Urkunde von 1454 ergibt sich, daß das Kloster Holtmeer zu Horssen bei Nymwegen zwischen 1432 und 1443 von Dirk van Bronkhorst als Nonnenkloster gestiftet, kurz vor seinem Tode (1451) aber in ein Mönchskloster verwandelt und mit Franziskanern aus Leiden besetzt worden ist. -- Zur Geschichte der Prämonstratenserabtei Averbode erfahren wir aus einer Reihe von Schriftstücken, die Pl. Lefèvre ( 30) veröffentlicht, folgendes. Der Konvent wählte 1441 eines seiner Mitglieder, Johannes van Meerbeke, zum Abt. Papst Eugen IV. aber providierte Johannes Balduini, Prior von Furnes und Ratsherr des Herzogs Philipp von Burgund, und dieser wies alle Beamten und Hintersassen der Abtei an, ihm Gehorsam zu leisten. Der Erwählte des Konvents wurde von Johannes Balduini mit Waffengewalt aus der Abtei vertrieben und starb im April 1443 in Köln. Seine Anhänger wählten nun ihren Konfrater Petrus Lummen, der dem Konzilspapst Felix V. Obedienz leistete. Unter Vermittlung des Abtes Olandus von St. Michael zu Antwerpen wurde zwischen Abt Johannes und Petrus unter ausdrücklichem Verzicht auf anders lautende Privilegien und Indulte vereinbart, daß dieser das Archiv des Klosters, ohne welches seine Einkünfte nicht festgestellt werden konnten, gegen Zahlung einer Jahresrente von 125 Goldgulden ausliefere. Papst Nikolaus V. erklärte im Februar 1448 diese Vereinbarung für nichtig und verlieh im April 1450 dem Abt Johannes, dessen Eigenschaft als Rat des Herzogs Philipp hervorhebend, die Pontificalinsignien. Im Juni 1458 resignierte Abt Johannes die Abtei dem Papst Calixt III. und designierte Arnold von Valgaet zu seinem Nachfolger, der zur Erlangung seiner Bestätigung 1000 Dukaten zahlen mußte. Schon die Provision des Johannes Balduini hatte 1500 Dukaten gekostet, während bei dessen beiden Vorgängern die Annate nur je 250 Dukaten betragen hatte. -- Eine Miszelle von Quensondela Hennerie ( 31) bezieht sich auf die aus Laplanes Buch über die Äbte von Saint- Bertin schon bekannte Besetzung dieser Abtei im Jahre 1447. Der Konvent hatte völlig ordnungsgemäß eins seiner Mitglieder, Jean de Medon, gewählt, aber Herzog Philipp ließ durch Papst Nikolaus V. seinen Rat Guillaume de Fillastre, Bischof von Verdun, ernennen und erschien im August 1448 selbst in Saint- Omer, um den Widerstand des Konventes zu brechen.

Gabriele Dolezich ( 32) gibt nach kurzer Orientierung über Ruysbroecks Persönlichkeit und Werke und seine geistesgeschichtliche Einordnung eine systematische Darstellung der spekulativen und der praktischen Mystik Ruysbroecks. Die quellenkritische und anscheinend auch die sprachliche Ausrüstung der Verfasserin ist ganz unzulänglich; ein erheblicher Teil der niederländischen Arbeiten, welche das von argen Fehlern wimmelnde Literaturverzeichnis anführt, ist ihr offenbar nur dem Namen nach bekannt geworden. Sie könnte sonst nicht behaupten, daß nach Boumans Ansicht das Buch von den zwölf Tugenden eine Entlehnung aus Meister Eckharts Reden der Unterscheidung sei, während van Mierlo Ruysbroeck für den wahren Verfasser halte. In Wirklichkeit ist Bouman gerade für die Echtheit des Buches und damit für den starken Einfluß Meister Eckharts auf Ruysbroeck eingetreten, während van Mierlo es diesem abspricht. -- Die Mitteilungen von D. de Man ( 33) über Vervolgingen, welke de broeders en zusters des gemeenen Levens te verduren hadden, betreffen die Schicksale der Schwestern aus dem Meester-Geertshuis zu Deventer in den Jahren des Utrechter Schismas 1425--1432 und schöpfen


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im wesentlichen aus der vom Verfasser 1919 herausgegebenen Schrift »Hier beginnen sommige stichtige punten van onsen oelden susteren«. Im Anschluß daran wird auf die von den Bettelorden ausgehenden Verfolgungen in den Jahren 1393--1419 hingewiesen. -- Über Dirk van Herxen, der 1410--1459 Rektor des Fraterhauses in Zwolle war, legt Frl. Knierim ( 34) eine sorgfältige und gut geschriebene Monographie vor, die sich nur ihrer Hauptquelle, der doch nicht vor 1490 entstandenen Narratio des Jakob van Voecht, zu vorbehaltlos anschließt und die Urkunden nicht genügend verwertet. Infolgedessen wird zwar von Dirk ein Bild gezeichnet, das mit dem konventionellen Ideal der devoten Spätzeit völlig übereinstimmt; aber man erhält keine rechte Vorstellung von der Umbildung, welche die Brüdergemeinschaft der Frühzeit unter der Einwirkung der burgundisch-kurialen Kirchenpolitik erfahren hat. Daß unter Dirks Rektorat der Einfluß der Priester im Fraterhause erheblich zugenommen hat, ist der Verfasserin zwar nicht verborgen geblieben; aber ihre Erwägung »Hoe meer ambtsdieners binnen den kring der ware devotie, hoe meer kans op herstel van het verval van kerk en christenheid« wird dem Geiste der ursprünglichen devotio moderna wenig gerecht. Aus dem von Bischof Friedrich sogleich bestätigten Vertrag mit dem Zwoller Stadtpfarrer vom 20. Dez. 1418 -- bald nach der gewaltsamen Beseitigung des demokratischen Stadtregiments durch den Bischof! -- und der Privilegierung durch Bischof Zweder vom 31. März 1430 erhellt doch zur Genüge die gouvernementale Haltung der Brüder. In seinen pädagogischen Traktaten zeigt sich Dirk von Gerson angeregt, aber nicht entscheidend beeinflußt; in den Devota exercitia, die in ihren Grundgedanken natürlich auf Bernhard von Clairvaux zurückgehen, tritt die Vergottung Christi stark hervor; zur Abfassung eines Dialogs haben Petrarcas Dialoge De remediis utriusque fortunae und der Liber de remediis utriusque fortunae des Geertruidenberger Karthäusers Adrian (der Petrarca stark ausgeschrieben hat) den Anlaß gegeben.


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