VI. Stadtgeschichte, Handels- und Gewerbegeschichte.

Die Geschichte des mittelalterlichen Mecheln aus der Feder des erzbischöflichen Archivars Kanonikus Dr. Laenen ( 14) erfreut durch volkstümliche flämische Sprache und schöne Druckausstattung. Die Einteilung des Stoffs nach sachlichen Gesichtspunkten erweist sich freilich als wenig förderlich; die 9 Kapitel sind nur lose aneinandergereiht, und die tieferen geschichtlichen Zusammenhänge, die bei streng chronologischem Aufbau von selbst sichtbar geworden wären, treten nirgends hervor. Was L. über die Entstehung der Stadtgemeinde und die älteste kirchliche Einteilung vorbringt, will uns nicht einleuchten. Es ist doch deutlich, daß die Stadt aus zwei Hälften, dem Gebiet des St. Romuldus-Stifts rechts und dem Herrschaftsgebiet der Berthouts links der Dyle, zusammengewachsen ist. Von hier, wo Korn- und Tuchhalle standen, ist die Entwicklung zur Fernhandels- und Bankiersstadt des 13. Jahrhunderts ausgegangen, von hier offenbar auch die immer stärkere Durchsetzung des städtischen Erbgutes mit Kaufeigen. Dieses letztere, das seit dem 13. Jahrhundert in den Quellen als Allodialgut erscheint, hält L. für altfreien Grundbesitz, aus dem er auf eine in die vorkarolingische Zeit zurückreichende freie Markgemeinde zurückschließt. Damit hängt die kaum besser begründete, von L. schon 1919 in seiner Histoire de l'église métropolitaine de Saint-Rombaut à Malines vertretene Auffassung zusammen, daß die älteste Pfarrkirche von Mecheln links der Dyle zu suchen und erst nachträglich in die Nachbarschaft des St. Romuldus-Stiftes verlegt worden sei, und daß die 1134 von ihr abhängigen fünf Kapellen früher selbständige Pfarrkirchen gewesen seien. Auch der Ablauf der wirtschaftlichen Entwicklung Mechelns wird von L. nicht zutreffend gezeichnet. Wie kaum eine andere mittelalterliche Stadt ist Mecheln die Schöpfung eines kaufmännischen Unternehmergeschlechts, der Berthouts; noch sein letzter männlicher Sproß, Gielis († 1310), handelt mit eigenen Schiffen bis nach Damaskus, Kairo und Alexandrien. Erst zu Anfang des 14. Jahrhunderts beginnt die Rückbildung zum interlokalen Markt, den L. sehr mit Unrecht als durch die Lage der Stadt bedingt hinstellt.

Aus Anlaß des 1924 erschienenen Buches von R. Monier »Les institutions judiciaires des villes de Flandres des origines à la rédaction des coutumes«, das, Gedanken Vanderkinderes wieder aufnehmend, die Kommunalverfassung der flandrischen Städte aus Friedenseinungen herleitet und als ihre Organe überall Geschworene nachweisen zu können glaubt, haben Pirenne und Ganshof das Wort ergriffen. Pirenne ( 1572) zeigt, daß die jurati Furnenses einer Urkunde von 1168 Geschworene nicht des Ortes, sondern des Kastellanates Furnes sind,


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daß die Genter Geschworenen von einer Urkunde von 1183 aus der von 1168 mit dem übrigen Wortlaut gedankenlos übernommen sind, daß nach dem Vorbild des Kastellanats von Furnes in Arques und Poperinghe 1147 vom Grundherrn, dem Abt von Saint-Bertin, Geschworene eingerichtet wurden (wozu zu bemerken wäre, daß die älteren, S. 410 angeführten Urkunden einer Untersuchung auf ihre Echtheit dringend bedürftig sind), daß die Lex amicitiae von Aire von 1188 eine vom Grafen der Stadt verliehene Friedensordnung ist, daß in Saint-Omer die Stadtgemeinde schon lange vor der Charte von 1127 bestimmte Privilegien besaß, und daß in dieser Charte die Schöffen als Organ der Kommune erscheinen. --Ganshof ( 1542) wendet sich insbesondere gegen Moniers Behauptung, daß die Schöffen der flandrischen Städte lediglich richterliche Beamte des Grafen und an der Stadtverwaltung ganz unbeteiligt gewesen seinen, und legt auch seinerseits dar, daß die jurati die von Monier ihnen zugeschriebene Bedeutung nicht gehabt haben. --Kannegieters Aufsatz ( 15) über die älteste Geschichte von Amsterdam und Amstelland bespricht sehr eingehend die verschiedenen Ansichten über die Entstehung von Amsterdam, dessen Bewohner bekanntlich erst 1275 als homines manentes apud Amestelledamme zuerst urkundlich genannt werden, kommt aber nicht über die wenig einleuchtende Vorstellung hinaus, daß die Stadt aus einem Fischerdorf hervorgegangen sei, und gibt dann, im wesentlichen auf Grund meiner Abhandlung von 1908/09 und für die Ereignisse von 1296 in engem Anschluß an Melis Stoke, eine politische Geschichte des Stifts Utrecht bis um 1305, mit besonderer Berücksichtigung der Herren von Amstel. Zu S. 57 wäre zu bemerken, daß in Utrecht für 1122 weder ein Schöffenkolleg noch ein Zollprivileg für Kaufleute durch die echte Überlieferung bezeugt ist. Auch für manche andere Einzelheiten müssen wir die Verantwortung dem Verfasser überlassen. -- Über Zutphen en zijn landsheer (bis 1543) handelt Gimberg ( 16), leider ohne meine Untersuchung von 1921 über das Zutphener Stadtrecht von 1190 heranzuziehen. -- Goris ( 17) orientiert auf Grund der Antwerpener Schultheißenrechnungen aus den Jahren 1358--1387 zunächst über die bisher wenig bekannte Antwerpener Gerichtsverfassung jener Zeit und bespricht dann die verschiedenen Delikte, die zur Aburteilung gekommen sind. Manche Einzelheiten scheinen uns wesentlicher als die in Tabellenform beigefügte Statistik der Antwerpener Kriminalität, die ohne Vergleichung mit Bevölkerungsziffern wenig besagt.


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