II. Genealogische Forschung unter ständischem Gesichtspunkte

hat zwar Isenburg (a. O., S. 18) nach Veldens Vorgang als jeder logischen Berechtigung entbehrend bezeichnet; tatsächlich aber läßt sich der enge genealogische Zusammenhang zwischen Angehörigen der gleichen Berufsgruppen nicht bestreiten, und die Untersuchung dieser Zusammenhänge bleibt eine wichtige Aufgabe der Genealogie als einer Hilfswissenschaft der Sozialgeschichte. Leider geschieht nur auf diesem Gebiete nicht gar viel. O. Fischer hat unter diesem Gesichtspunkte über märkische Pfarrergeschlechter ( 444) gearbeitet. Wichtiges Quellenmaterial zur genealogischen Geschichte des städtischen Bürgertums enthalten vor allem die Bürgerlisten, aus denen im Berichtsjahr R. Schulze die Neubürger der Stadt Köthen 1630--1729 ( 443) und R. Ebeling ( 446) die von Stralsund 1319--1348 in einem Bürgerbuch zusammengestellt hat. Wesentlich besser steht es noch immer um die Erforschung der Adelsgenealogie. Die Herausgabe der wertvollen Königsberger Sammlung von Gallandi in der »Prussia« ( 452; auch als Sonderdruck ersch.) ist sehr verdienstlich. In erster Linie juristischen Charakters ist die in den Mitteilungen der Leipziger Zentralstelle als Heft 32 erschienene Untersuchung von Ernst Müller: »Standesvorrechte und Adelsname im geltenden Recht, zugleich ein Beitrag zur Systematik des Namensrechts« (VIII, 72 S.); die Schrift ist aber auch von erheblicher Bedeutung für die genealogische Forschung und Arbeit. Müller hat gezeigt, »daß der Adel nach Aufhebung seiner Standesvorrechte nur als subjektiv-persönliches Recht bzw. als Genossenschaftsrecht nur noch im Vereinsrecht des BGB. weiterbestehen kann, und daß die zahlreichen Streitfragen über den adligen Namen nur auf Grund einer begrifflich-systematischen Gliederung der Namen überhaupt zu lösen sind.« Seine Darlegungen haben allerdings von seiten Barings (in den Mitteilungen des Roland) starken Widerspruch erfahren, ohne daß aber Barings leidenschaftlich gehaltene Ausstellungen recht zu überzeugen geeignet sind.

Einzelne Familien. Aus der großen Zahl von Untersuchungen zur Geschichte und von Darstellungen des Werdens einzelner Familien kann vor allem die Zusammenstellung der Nachkommen Martin Luthers, die O. Sartorius auf Grund mühevoller und gewissenhafter Arbeit vorlegt ( 468), den Anspruch auf unmittelbare wissenschaftliche Beachtung und Bedeutung erheben; diese in ihrer Art einzigartige Liste der Nachkommen eines einzelnen Ehepaares über vier Jahrhunderte hinweg findet eine Parallele in dem bekannten »Silbernen Buch der Familie Sack«, dessen 2. Band namens der Sackschen Familienstiftung Gertha v. Dieckmann in 2. Auflage herausgegeben hat (Wiesbaden: Petmecky 1926; VI, 235 S., 4). Das Sacksche Familienbuch enthält auch einige wertvolle statistische Verarbeitungen der vorgelegten Nachfahrenlisten, die guten Einblick in das Auf und Ab der Generationen und Familienzweige gewähren. Leider verliert das sonst so sorgsame


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Sacksche Familienbuch durch ein Übermaß von Druckfehlern an Zuverlässigkeit. -- Das Sartoriussche Werk enthält zum überwiegenden Teil Töchternachkommen, da der letzte männliche Luther bereits 1759 gestorben ist. Aus den weiblichen Linien leben allein heute noch 600 »Lutheriden«. Dankenswerterweise ist Sartorius mit gewissenhafter Gründlichkeit auch den vielen falschen Lutherlinien und den Nachkommen von Luthers Bruder Jakob, seines Oheims Martin und seiner Großonkel nachgegangen, dazu hat er auch eine Reihe von anderen Lutherfamilien, wie die des Altreichskanzlers Hans Luther, verfolgt.

Aus der adligen Geschlechterkunde hat R. Freiherr v. Thüngen in der zunächst zweibändigen Geschichte seines Geschlechtes (XI, 515 u. 8; 692 S.) ( 477) nicht nur ein äußerlich monumentales Werk, sondern zugleich einen wertvollen Beitrag zur Standes- und zur Landesgeschichte Frankens geliefert. Die vorliegenden beiden Bände behandeln zunächst die urkundliche Geschichte einer Linie, der Lutzschen, des Hauses; ein geplanter II. Teil soll die andere, die Andreassche Linie, ein III. Teil die Gütergeschichte des Geschlechtes behandeln. Seit dem Ausgang des Mittelalters, besonders aber seit dem Ende des 30 jährigen Krieges bis zum Untergang des alten Reiches hat das Geschlecht eine Reihe von bedeutenden Männern in den Dienst der landesherrlichen Ämter gegeben, und es ist dem Verfasser trefflich gelungen, in der Geschichte des Geschlechtes die des Landes und wiederum aus der Landesgeschichte die persönlichen Schicksale des Geschlechtes lebendig werden zu lassen.


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