VI. Verschiedenes.C. Weyman (
629), der seit langer Zeit Neuerscheinungen auf dem Gebiete der
christlich-lateinischen Poesie mit stets außerordentlich fördernden Beiträgen zu begleiten pflegt, hat
dankenswerterweise hier einen großen Teil der an den verschiedensten Stellen zerstreuten und deshalb leicht
übersehenen Bemerkungen zusammengestellt und dadurch nutzbar gemacht. Ein ausgezeichnetes Register wird wesentlich
dazu beitragen, dies Ziel zu erreichen. Ein großer Teil des Buches beschäftigt sich mit der
frühchristlichen Dichtung, berührt also das Mittelalter nicht direkt, aber bei dem großen Einfluß,
den diese auf die spätere Zeit ausgeübt hat, kommen diese kritischen Bemerkungen auch dem Mittelalter zugute.
Anderes geht das Mittelalter direkt an, wie die Beiträge zu Fortunatus, Isidor (Versus de bibliotheca), Poetae lat.
aevi Carolini IV., zum Liber benedictionum Ekkehards IV., den Quirinalien des Metellus von Tegernsee, Jakob Werners
Sprichwörtern und Sinnsprüchen. -- Kritische Notizen zu Hilkas Ausgabe der Historia sapientum und des
Dolopathos, sowie zu Lehmanns parodistischen Texten Nr. 6 gibt K. Strecker (
634). -- Das Verhältnis von Isidors Etymologien zu Cassiodor klärt
Th. Stettner (
640) durch den Nachweis auf, daß Useners auch früher schon
angezweifelte Annahme, Isidor und Cassiodor hätten beide dieselbe ältere Enzyklopädie benutzt, unhaltbar
ist. -- Die eigenartige Form (Mischung von Prosa und Versen), in der die Chantefable Aucassin und Nicolette auftritt,
scheint in der französischen Literatur des Mittelalters einzigartig dazustehen, darum hat sie die Romanisten viel
beschäftigt und ist auf die verschiedenste Weise erklärt worden; Reinhard (
653) stellt die recht naheliegende Behauptung auf, die Form sei aus dem
klassischen Altertum hergeleitet (dagegen W. Suchier, Philol. Studien.. K. Voretsch dargebracht 1927,
170, 2), und gibt eine kurze Übersicht über die Geschichte der Satura Menippea bis zu Bernhard v. Chartres und
Alanus. -- Die lateinische Vorrede zum Heliand ist in der Art von Sagversen abgefaßt, die durch prosaische
Interpolationen unterbrochen sind. E. Sievers (
643) behauptet die absolute Identität der Stimme des Verfassers dieser
Praefatio mit der Stimme des Hrabanus Maurus in der Vorrede zu den Laudes sanctae crucis, damit sei der Verfasser der
anonymen Vorrede festgestellt. Auch der Versabschnitt 30 des deutschen Tatian müsse von Hraban sein.
-- Stilistischer Art ist M. B. Ogles (
632) Artikel. Ausgehend von der Beobachtung, daß in Walter Maps De nugis
curialium, wovon er eine Übersetzung vorbereitet, ein Wechsel zwischen natürlichem, klarem und andererseits
gesuchtem und künstlichem Stil stattfindet, legt er dar, daß hier die Tradition nicht unterbrochen ist,
sondern daß die peritia pulchre loquendi von den Rhetorenschulen übernommen wurde und durch das Christentum
S.218 keine formelle, sondern nur materielle Änderung erfuhr. Er untersucht dann, wo dieser emphatische Stil und wo der einfache aufzutreten pflegt. Von Cursus und Reimprosa spricht er auffallenderweise nicht. -- Der Titel von H. Brauers ( 638) Schrift führt etwas irre, denn der Hauptakzent liegt durchaus auf dem ersten Teil desselben. Die Aufarbeitung der alten Kataloge in den »Mittelalterlichen Bibliothekskatalogen« fordert ja dringend zu einer Ausschöpfung des Materials für die Bildungsgeschichte der einzelnen Klöster auf; der Verfasser hat die Aufgabe für St. Gallen übernommen und vergleicht die für dies Kloster besonders reichhaltigen Angaben mit den erhaltenen Beständen. Erst gewissermaßen anhangsweise kommt er dann auch auf das deutsche Schrifttum zu sprechen. Er stützt sich nur auf gedruckte Quellen, und man wird ihm durchaus rechtgeben, wenn er selbst versichert, daß durch Einsicht in die Hss. das Bild naturgetreuer ausgefallen wäre; man kann vielleicht sogar sagen, daß diese Einsicht eigentlich Vorbedingung für ein solches Unternehmen gewesen wäre, und es ist zu wünschen, daß der Verfasser, der diese Studien fortsetzen zu können hofft, diesen großen Mangel ausschaltet, vorläufig operiert er gar zu sehr mit Vermutungen, die durch P. Lehmanns überlegene Sachkenntnis, die man gelegentlich in den Noten findet, nicht gerade bestätigt werden. Technisch ist zu bemerken, daß der Verfasser nicht an die Bedürfnisse des Lesers denkt; z. B. versäumt er es oft, wenn er von gedruckten Texten spricht, mitzuteilen, wo man sie findet, und man muß, wenn z. B. kleinere Gedichte erwähnt werden, sich diese mühsam aufsuchen, während andererseits für die einzelnen Werke des Prudenz nicht nur der Titel, sondern auch eine deutsche Übersetzung desselben gegeben wird, aber wieder nicht der Name des Herausgebers (Bergman). Einzelnes berührt eigenartig, so wenn die Translatio s. Galli durch die Translatio s. Marcellini et Petri hervorgerufen sein soll, wenn der Vergil in Capitalis quadrata dem heiligen Gallus gehört haben soll, wenn Verse auf einen festen Trinker und Witzbold in leoninischen Hexametern mit Reimen wie impletum -- acetum auf die Jugendzeit des Abtes Grimaldus bezogen werden. Sehr zu loben ist das ausführliche Register. -- C. Plummer ( 639) gibt eine sehr reichhaltige Liste von Randnotizen aus irischen Handschriften, aus denen man ein lebensvolles Bild von den Gewohnheiten dieses eigenartigen Völkchens gewinnt. Selbstverständlich sind sie im Original wiedergegeben, und eigentlich kann nur ein Keltist als Leser gedacht werden, doch wird jeder Freund des Mittelalters mit Vergnügen und Nutzen das allgemeine Charakterbild, das auf Grund der Marginalien entworfen wird, lesen. |
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