VI. Einzelne Autoren und Denkmäler.

K. Sneyders de Vogel, Quelques remarques sur les lettres échangées entre Frodebert et Importun. Mélanges A. Thomas 1927, Paris, Champion, S. 417 plant eine kommentierte Ausgabe dieses seltsamen Briefwechsels, die sicherlich nicht überflüssig sein wird, wenn sie wirklich Neues und Sicheres zur Erklärung bringt. Man muß aber gespannt sein, wie der Text aussehen wird, denn der Verf. will Verse herstellen. Er spricht von »versificateurs peu habiles, qui essayaient d'écrire des vers rimés reguliers«, »vers construits sur le modèle des plus anciennes poésies rhythmiques«. Leider erfährt man nicht, was er dabei im Sinne hat. Es war eben ein Mißgriff, daß Zeumer die Reimprosa als Versikelchen gedruckt hat. -- Unter der Überschrift 'Membra disjecta' sind mehrere Aufsätze in der Rev. Bénédict. erschienen, die bei Hss., deren Teile versprengt sind, den Aufbewahrungsort der einzelnen Stücke nachweisen. So zeigt E. A. Lowe, Rev. Bén. 39, 1927, 191, Nr. 89, daß von einem angelsächs. Aldhelmcodex de laud. virg. des 9. Jhds., von dem Ehwald, S. 214, nur 29 Bll. kannte, noch vier weitere erhalten sind, zwei angebunden in Cheltenham, zwei in Slindon, W. Mertons collection. -- Über den Adressaten von Aldhelms 5. Brief Ehfrid spricht A. S. Cook, Speculum 2,363 ff. Er vermutet, es sei Echfrith oder Heahfrith, der später Abt von Glastonbury war. -- Hrabans große Enzyklopädie De universo besitzt wegen ihres rein kompilatorischen Charakters geringen literarischen Wert, wohl aber ist es von hohem Interesse, daß 3 Hss. derselben mit Bildern ausgestattet sind, ein Casinensis und zwei Vaticani, von denen der eine um 1425 in Mittel- oder Süddeutschland entstanden ist. P. Lehmann ( 246) macht es in hohem Grade wahrscheinlich, daß alle drei auf einen illustrierten Codex der Enzyklopädie zurückgehen, der in Deutschland und dann doch wohl in Fulda selbst, der Wirkungsstätte des berühmten Abtes, im 9. oder 10. Jhd. hergestellt wurde. In denselben Fuldaer Studien zeigt der Verfasser, daß Karls d. Gr. berühmte Epistola de litteris colendis, die nur in einer Ausfertigung an Abt Baugulf v. Fulda aus einer Metzer Hs. des 11.--12. Jhds. bekannt war, auch in dem frühkarolingischen


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Cod. Laud. Misc. 126 in angelsächsischer Minuskel Mitteldeutschlands vom Ende des 8. Jhds. erhalten ist. Der Codex stammt aus dem Kloster St. Kilian in Würzburg, das mit Fulda in enger Beziehung stand. Wenn man bisher annahm, daß Karls Brief ein allgemeines Rundschreiben darstelle, nimmt Lehmann demgegenüber an, daß er zunächst ausschließlich für Abt Baugulf bestimmt war. -- Mit Christian von Stablo und seinem Matthäuskommentar beschäftigt sich M. L. W. Laistner ( 458) in Ergänzung und Berichtigung von Dümmlers bekanntem Aufsatze. Er behandelt im einzelnen Christians Quellen und die Art ihrer Benutzung -- interessant ist die Vermutung, daß Christians Isidorhs. im Leidensis Voss. lat. F 74 erhalten ist --, den Charakter seines Bibeltextes, der deutlich zu der irischen Familie gehört, und seine Kenntnis der griechischen Sprache, die er als verhältnismäßig umfassend einschätzt. Man muß natürlich solchen Vermutungen gegenüber recht zurückhaltend sein, aber einige der angeführten Stellen erscheinen wirklich überzeugend. Am Schluß wird eine Vergleichung von Christians Bibeltext mit der irischen Hssgruppe und ein Verzeichnis der Abweichungen von der Vulgata beigefügt. -- Den Bibeltexten gilt auch die Arbeit von D. de Bruyne ( 448), der aus einem alten bibl. Glossar (nach Beda, vor dem 9. Jhd.) interessante Varianten mitteilt. -- Im Arch. lat. m. ae. 1927, 149 kommt Ph. Fabia auf seine von Th. Reinach bekämpfte Deutung des Epitaphs des Priesters Gotbrannus v. Lyon zurück (vgl. Jahresber. 1, S. 187), bringt aber nichts Wesentliches bei. Dazu sei schon jetzt bemerkt, daß K. Strecker das anziehende Stück NA. 48, 1929, 161 von neuem behandelt und einige Stellen anders zu deuten sucht. -- Hrotsvit beliebte man mit einem Meteor zu vergleichen, das plötzlich auftaucht und ebenso schnell verschwindet. G. R. Coffman (vgl. Jahresber. 1, S. 192, Nr. 628) zweifelte daran, und tatsächlich muß man, seit die Kölner Hs. aufgetaucht und auch eine Abschrift der Münchener wenigstens bruchstückweise ans Licht gekommen ist, mit der Möglichkeit rechnen, daß sie nicht so einflußlos dahingegangen ist. B. R. Jarcho, Zu Hrotsvithas Wirkungskreis, Spec. 2,343 folgert aus ein paar, freilich im ganzen genommen doch recht geringfügigen, Übereinstimmungen, daß der Bearbeiter der Vita Mathildis II. sich an den Wortlaut seiner älteren Landsmännin teilweise angelehnt hat. Charakteristisch ist allerdings eine Stelle quanto sexus fragilior, tanto ..., doch wäre zu untersuchen, ob diese Übereinstimmung nicht auch anders zu erklären ist. Daß die Komödien aufgeführt sind, möchte F. Ermini, Le opere di Hrotvit, Nuova Antologia 251, 453 ff. von neuem beweisen. Dagegen wendet sich B. Vignola, Rosvita, La Cultura 6,307 ff. -- Über den Geta des Vitalis, seine Vorgänger und sein Nachleben spricht W. B. Sedgwick, The history of a latin comedy, The Rev. of engl. Stud. 3, 1927, 346 ff. -- Über eine unbekannte Catoparaphrase, in der zu jedem Hexameter ein neuer Pentam. zugefügt ist, berichtet M. Boas, Het Boek 1927, 162. Ebenda 243 ff. macht er eine lat. metrische Catoparaphrase und darauf folgende Parodie aus einem italienischen Druck von Jahre 1539 bekannt. -- In einer kurzen, aber sehr aufschlußreichen Studie zum Ruodlieb nimmt F. Loewenthal ( 460) Stellung gegen S. Singers Vermutungen in der Festschrift für K. Zwirzina 1924, 33 ff. Die Annahme, daß mimi einen großen Einfluß auf den Dichter ausgeübt haben, wird stark eingeschränkt, die Einwirkung des altfranz. Epos v. Isembard und Gormond abgelehnt, -- die bekannte Schachspielszene werde vielmehr eine von den Arabern stammende

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Wanderanekdote sein --, dagegen wird auf die Herkunft gewisser Züge aus Byzanz hingewiesen, vor allem aber die originale Gestaltungskraft des Dichters selbst voll gewertet. -- Die Lamentationes des Matheolus hat A. G. van Hamel 1892 aus einer Utrechter Hs. herausgegeben und behauptet, daß es die einzige sei. P. Lehmann ( 468) zeigt, daß es mindestens noch vier andere gibt. Wenn einmal nach diesen und vielleicht noch anderen auftauchenden Textzeugen eine Neuausgabe veranstaltet wird, ist es dringend notwendig, daß zugleich die zahllosen Entlehnungen, namentlich aus Ovid, aber auch aus Boethius, Vergil, Vulgata, auf die man überall stößt, festgestellt werden. -- Über den Scholaster Franco von Meschede (um 1330) handelt Edw. Schröder ( 469) und führt den Zickzackweg der Forschung über ihn und seine Dichtung vor. Von den ihm zugeschriebenen Gedichten sind uns zwei erhalten, eine Vita utriusque Johannis (in Wirklichkeit eine Altercatio de utroque Johanne, sc. baptista et evangelista) u. de Beata Maria virgine, die in 2 Hss. als Aurea fabrica bezeichnet wird. Beiden ist es eigentümlich, daß sie ein deutsches Gedicht zur Grundlage haben, das Franco durch den Glanz lat. Rhythmen überbieten wollte; im ersten ist es das Streitgedicht des Heinzelin von Konstanz (um 1320), im zweiten die goldene Schmiede des Konrad v. W., mit der es in der Miscellanhs. 672 der Münchener Universitätsbibliothek zusammensteht. Diese Hs. wird dann beschrieben und die Varianten mitgeteilt. Zs.fdA. 64,266 bringt Nachträge. -- Auf den jungen ungarischen Ritter Georg »Crissaphan«, der 24 Stunden lang im Purgatorium des hl. Patricius weilte, lenkt L. L. Hammerich ( 477) von neuem die Aufmerksamkeit und teilt sehr interessante Briefe mit, die jenem zur Beglaubigung mitgegeben wurden, und die wichtigsten Stellen aus dem Bericht über seinen Pilgerbesuch. -- Von einer alphabetischen Enzyklopädie in einer Hs. des Domarchivs von Erfurt, die er wohl mit Recht Dietrich Engelhus zuschreibt, berichtet P. Lehmann ( 462). Besondere Aufmerksamkeit verdienen die S. 496 f. gedruckten Proben aus Satiren gegen Rom. -- P. Toynbee, Some notes on the text of Dante. Dantes De vulgari eloquentia, The modern language Rev. 22, 1927, 162 ff. geht von dem im Jahresber. 2, 1928, S. 211 erwähnten Artikel Marigos aus und diskutiert einige Stellen, wo er von diesem abweicht, während B. Bigongiari, The text of Dantes Monarchia, Speculum 2, 457 ff. kritische und erklärende Bemerkungen zu den Ausgaben dieses Traktates bietet.


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