b) Sachsen.

Sehr wenig ist diesmal zur Geschichte des 10. Jhds. zu nennen. Scharfsinnig behandelt M. Lintzel ( 690) die spärlichen Nachrichten über Heinrichs I. Beziehungen zu Schwaben. Er schildert gut die verschiedene Stellung der beiden Herzöge: die bei aller Unterordnung doch ziemlich freie Stellung Burchards I., den Heinrich in seiner selbstgeschaffenen Stellung hatte anerkennen müssen, und die straffe Unterordnung des von ihm eingesetzten stammesfremden Nachfolgers Hermann I. Er deutet auch gut auf die Bedeutung Italiens im Rahmen der Gesamtpolitik Heinrichs hin; auch ohne Widukinds bekannte und m. E. sehr zu Unrecht angezweifelte Nachricht kann in dieser Hinsicht kein Zweifel bestehen. An eine burgundische Kriegsdrohung gegen Schwaben 926 wird man indes schwer glauben; auf Liudpr. Ant. IV 25 darf man sich jedesfalls dafür nicht berufen.

Die Heimat der hl. Wiborada sucht E. Schlumpf ( 718) auf der Burg Klingen (Altenklingen) im Thurgau. Doch vermag er sich dafür nur auf eine erst sehr jung belegte und darum mehr als fragwürdige örtliche Erzählung zu stützen. Mit mehr Grund setzt er die Heiligsprechung der Klausnerin unter Papst Clemens II. Anfang 1047. Für ihre Beziehungen zu dem späteren Bischof Udalrich von Augsburg hält er den Bericht ihrer Vita für den ursprünglicheren.

Wenig förderlich sind die Bemerkungen von H. Kunze ( 661). Wenn mit dem Magdeburger Kaiserdenkmal Karl der Große und nicht Otto (I. oder II.) gemeint sein sollte, wird das durch den Hinweis auf einen Kaiser Karl am Straßburger Münster schwer jemandem glaublicher werden.

Über den dänischen Feldzug Heinrichs I. spricht Vilh. La Cour (»Kong Gorm og Dronning Tyre« in der dänischen Hist. Tidsskrift 9. Reihe, 5. Band, 2. Heft, 1927, S. 189--252), leugnet aber, daß er eine dauernde Abhängigkeit


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Dänemarks vom Deutschen Reich zur Folge gehabt habe. Was auf eine solche in der Zeit Ottos des Großen hindeutet, möchte er lieber mit H. Koht mit der Taufe Harald Blauzahns in Verbindung bringen. Sein eigentliches Ziel, die Königin Thyra, die Frau Gorms, als Erbauerin des Danevirkes gegen die moderne Kritik zu verteidigen, hat er nicht erreicht. Mag die neue, in der dänischen Öffentlichkeit lebhaft erörterte Beziehung des »Danmarkar bot« auf dem Jellinge-Stein auf Gorm statt auf Thyra, wie sie Brix und Lis Jacobsen vertreten, zutreffen oder nicht, sicher geht, worauf Lauritz Weibull schon 1913 hingewiesen hat, die ganze Überlieferung von Thyra in letzter Linie auf diese Inschrift zurück, und deren fragliche Worte berechtigten in keiner Weise zu der Deutung, die ihnen in der Geschichtschreibung seit dem 12. Jhd. gegeben worden ist. Über Gegenäußerungen gegen La Cour, die zeitlich nicht mehr in unsern Bericht gehören, sei vorläufig auf Hist. Zeitschrift 140 S. 443 f. verwiesen. -- Der Band der Aarbøger for Nordisk Oldkyndighed og Historie mit der Arbeit von S. Larsen ( 718) über die Jomsborg war auf deutschen Bibliotheken nicht zu erhalten. Die Bitte an die Kong. Nord. Oldskrift-Selskab in Kopenhagen um ein Besprechungsstück ist unbeantwortet geblieben.

Scharfe Kritik übt O. Forst-Battaglia (in den Jahrbüchern für Kultur u. Gesch. der Slaven N. F. III, 1927, S. 249--260 über Zakrzewskis Buch über Boleslaw Chrobry; s. diese Jahresber. II, 1926, S. 705) an Thietmars Angaben über die Familienverhältnisse der beiden ersten polnischen Herzoge Misika und Boleslaw Chrobry. Wenn seine scharfsinnigen Aufstellungen Recht hätten, würde das Bild der deutsch-polnischen Verhältnisse um die Wende des 10. und 11. Jhds. sich in manchem nicht unwesentlich verschieben, und manche alte Schwierigkeit würde sich überraschend lösen. Aber man wird sehr starke Vorbehalte machen müssen. Forst arbeitet viel zu stark mit zwar blendenden, aber im Grunde völlig unbewiesenen genealogischen Behauptungen, die, selbst wenn sie richtig wären, weil unbeweisbar, für den Aufriß des geschichtlichen Bildes nicht verwertet wurden dürften. Maßlos überspannt wird der bei vorsichtiger Anwendung sehr fruchtbare Grundsatz, sich von den gleichen Namen und Namengruppen leiten zu lassen. Wie hier Vermutung auf Vermutung gehäuft und z. B. schließlich, wegen des Namens Lambert, Miseko II. mütterlicherseits auf einen angeblichen Bruder Giselberts von Lothringen zurückgeführt wird, erinnert bedenklich an jene verhängnisvolle Blütezeit genealogischer Spekulationen, durch die diese ganze Betrachtungsweise lange so bedauerlich in Verruf geraten war. Wenn dieser Sippenkreis, wie F. meint, recht nahe in Thietmars eigene Familie hineinreicht, wird man dem Chronisten kaum ohne zwingende Not eine solche Verwirrung unter den Frauen und Kindern Boleslaws zutrauen und darum schließlich doch die zunächst lockende Gleichung dieses mit dem gewöhnlich auf seinen Vater Misika gedeuteten Dagone oder Dagome (Dagon = Chrobry!) der Auftragung an den Römischen Stuhl ablehnen -- man müßte denn auch für die 1. Ehe einen Sohn Misika, verschieden von dem späteren Miseko II., annehmen. Leider ist zu befürchten, daß, wer solche Erfahrungen macht, auch an den guten Bemerkungen vorübergeht, die sich dazwischen finden. Das wäre bei der umfassenden Belesenheit zumal auch in der Allgemeinheit schon sprachlich wenig zugänglichem Schrifttum zu bedauern.

Für die Abschnitte II. Darstellungen: c) Salier und d) Staufer siehe den nächsten Bericht.


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