Der wichtige Bericht des Juden Ibrâhîm ibn Ja'qûb über die Slawenlande im Norden und Osten Deutschlands in der 2. Hälfte des 10. Jhds. ist durch Georg Jacob ( 662), der sich schon wiederholt darum verdient gemacht hat, erneut sehr sorgsam behandelt worden. Der arabische Text ist bekanntlich in den Namen sehr verderbt und schwer erreichbar. Die neue Übersetzung, die Jacob vorlegt, ist um so wertvoller, als sie auf einer eigenen, leider noch nicht gedruckten kritischen Behandlung des Urtextes (bei al-Bekrî) beruht und textkritische Zweifel in den Anmerkungen umsichtig erörtert werden. Auch die sachlichen Deutungen und Hinweise sind sehr nützlich, freilich in vielem auch sehr umstritten und auch weiter bestreitbar. Im Dunkeln bleibt schließlich auch die Persönlichkeit Ibrahims (Sklavenhändler oder Gesandter aus Nordafrika?) und das Jahr seines Aufenthaltes bei Otto dem Großen: 973 in Merseburg, wie Jacob will, wogegen aber einzelne bestimmte Angaben, wie über den Wendenfürsten Naccon und über die Bulgaren trotz allem stark ins Gewicht fallen? oder 965, und dann wohl in Magdeburg, wie schon Kunik und besonders Westberg nachzuweisen bemüht waren, wo die politischen Verhältnisse in mancher Beziehung besser zu passen scheinen, wo aber wieder nicht, wie für 973, eine bulgarische und eine afrikanische Gesandtschaft ausdrücklich bezeugt sind? Der arabische Text gestattet keine Entscheidung über den Ortsnamen. Eine gewisse Unsicherheit bleibt auch über das Verhältnis zu dem bei Qazwînî durch Vermittlung des al-'Udhrî († 1083/85) benutzten Ibrâhîm ibn Aḥmed aṭ-Ṭarṭûschî und über den Umfang der Erzählung dieses Tortosaners, der sicher als Gesandter eines spanischen Khalifen Deutschland besucht hat und nach Jacobs von Westberg bestrittener Annahme eben 973 in Merseburg, oder auch schon unterwegs, mit Ibn Ja'qûb zusammengetroffen wäre. Auf jeden Fall ist aber die Zusammenstellung der sicher oder möglicherweise auf den Tortosaner zurückgehenden Stellen über Deutschland (z. B. Soest, Paderborn, Fulda, Utrecht, Schleswig, Mainz) und die benachbarten Gebiete bei Qazwînî in der verbesserten


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und eingehend erläuterten Übersetzung von Jacob sehr dankenswert. Weiter angefügt sind in Übersetzung aus Ibn Diḥja († 1235) die Erzählung von der Sendung des Dichters al-Gazâl aus Spanien an den Hof eines Normannenkönigs (in Dänemark? oder vielmehr in Irland?) um 845 und, ohne Zusammenhang mit dem übrigen, die sehr dürftigen, aber für die hansische Forschung doch nicht ganz zu übersehenden Angaben des Byzantiners Laskaris Kananos über seine Reise nach den Ost- und Nordseeländern im Anfang des 15. Jhds. -- Im Anschluß an diese Veröffentlichung von Jacob sei das große Unternehmen der »Mappae Arabicae. Arabische Welt und Länderkarten des 9.--13. Jhds. in arabischer Umschrift, lateinischer Transkription und Übertragung in neuzeitliche Kartenskizzen« (Stuttgart 1926 ff., Selbstverlag des Herausgebers) genannt, von dem Karl Miller bisher Band I--IV und Band VI und außerdem eine farbige Reproduktion der großen Idrisi-Karte vorgelegt hat. Band I (1926 erschienen) bringt außer einer einleitenden Übersicht über die Entwicklung der arabischen Kartographie die Weltkarte des arabischen Geographen Idrisi, der am Hofe Rogers II. von Sicilien lebte, von 1154 in 6 schwarzen Blättern und »die kleine Idrisi-Karte«, eine Art Taschenatlas, von 1192 (was aber als Datum einer Abschrift aufgefaßt wird); Band II--IV (1927, 1927 und 1929 erschienen) geben die textliche Erklärung nach Ländern, während in Band VI (1927 erschienen) die Karten sämtlicher bekannter Idrisi-Handschriften im Lichtdruck zusammengestellt sind. Beigegeben sind den Bänden I--IV als »Islamatlas« die Karten der Länder des Islam aus andern arabischen Geographen vom 10. bis 13. Jhd. Hier ist besonders auf Band II hinzuweisen, der die Länder Europas und Afrikas, darunter u. a. neben Spanien, Italien und Frankreich auch Deutschland und Nordeuropa enthält. Freilich werden sich gegen den Textteil des Unternehmens Bedenken in verschiedener Richtung geltend machen lassen. Die Erklärung steckt vielfach noch in den Anfängen. Aber sicherlich ist hier ein fester Ausgangspunkt für die Forschung geschaffen. Daß die kritische Aufarbeitung dieses Materials nun überhaupt ernstlicher ins Auge gefaßt werden kann und daß auch der Nichtarabist bis zu einem gewissen Grade versuchen kann, daraus Nutzen zu ziehen, bedeutet einen wesentlichen Schritt vorwärts. Das Verdienst des Herausgebers ist, trotz aller Ausstellungen verschiedenster Art, die nicht ausbleiben werden, um so höher anzuschlagen und um so nachdrücklicher anzuerkennen, als er an sein Unternehmen zunächst ganz auf sich gestellt herangegangen ist.

Die Lebensbeschreibung Bruns von Querfurt, die H. G. Voigt ( 1633) in einer Handschrift des Querfurter Stadtarchivs von rund 1500 gefunden hat, deckt sich in ihrer 2. Hälfte, der Passio, zum größten Teil mit den Lektionen des Halberstädter Breviers von 1515 und scheint der in diesem gebotenen Überlieferung damit etwas mehr Beachtung zu sichern, als ihr bisher beigelegt wurde. Obwohl der Herausgeber die Schrift in der vorliegenden Form nicht früher als gegen 1400 ansetzt, ist ihre Veröffentlichung erfreulich. Trotz grober Irrtümer und Verwechslungen ist ein Zusammenhang mit dem verlorenen Liber gestorum Bruns des 11. Jhds., den Voigt annimmt, nicht ganz unmöglich. Der Nachweis, daß wir es hier im wesentlichen mit dem zu tun haben, was in Querfurt über Brun in der Erinnerung erhalten blieb, erscheint einleuchtend; zu Querfurt mit seiner Lamperti-Kirche als Entstehungsort würde jedenfalls die Kenntnis der ältesten Landbert-Vita passen, die ich ebenso wie die der Schriften


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des Sulpicius Severus über den heiligen Martin lieber schon dem alten Liber gestorum als erst einem Redaktor des späteren MA. zuschreiben möchte. Doch gelesen hat man die Landbert-Vita in Mitteldeutschland auch im 15. Jhd., wie die jetzt in Halberstadt befindliche Handschrift, wohl aus Hadmersleben, zeigt.

Die Erzählung über die Jahre 1148--1151/52, die Johann von Salisbury als Historia pontificalis an die Chronik Sigeberts und deren beide Fortsetzungen aus Gembloux anschloß, ist für uns besonders wegen der Nachrichten über die Reimser Synode 1148, den 2. Kreuzzug, Arnold von Brescia und die deutsche Legation Oktavians 1151 wichtig. Die neue Ausgabe, die R. L. Poole ( 680) vorlegt, hat, wie es bei einem solchen Gelehrten nicht anders zu erwarten ist, natürlich Textgestaltung und Verständnis verschiedentlich gefördert, aber doch nicht soweit, wie es möglich und erwünscht und bei dem scharfen, aber ungerechten und durch Pooles eigenes Verfahren widerlegten Urteil über den ersten Herausgeber Arndt notwendig gewesen wäre. Der Text bedarf, auch von Druckfehlern (wie subicicus st. subiciens S. 18, 29 f.) abgesehen, noch wiederholt der Verbesserung (z. B. S. 42, 22, in der Lukan-Stelle: Nulla fides umquam statt: Nulla fide, umquam; S. 62, 8: impetens, nicht impugnans, statt des überlieferten impotens, vgl. S. 84, 2); an manchen Stellen hat schon Arndt Richtigeres. Die Interpunktion erschwert nicht selten das Verständnis und müßte gründlich durchgesehen werden. Die Lesarten der einzigen Hs. müßten immer, auch bei bloßen Verschreibungen und auch in Eigennamen, angegeben werden. Das Register ist unvollständig. Die eingehenden, übrigens wertvollen, Erläuterungen, zumal in der sehr ausführlichen Einleitung und in den eigenen kritischen Abhandlungen des Anhangs, belasten die Ausgabe sehr. Dagegen lassen sie öfter an Stellen im Stich, die für die Art und Zeit der Entstehung des Werkes von Belang sind, wenn z. B. der Verfasser, wie das oft geschieht, auf die spätere Laufbahn der handelnden Personen hinweist; hier würde man allerdings gern immer eine entsprechende Erklärung erhalten. Das Werk ist doch wohl erst um 1164 ausgearbeitet, nicht damals nur, wie Poole meint, mit einigen solchen Nachträgen in Personalien versehen, damals, als Johann als Flüchtling die Gastfreundschaft seines Freundes, des Abtes Peter von St. Remy in Reims, genoß, für den er ja diese Darstellung verfaßte.

Auf die Gandersheimer Reimchronik des Priesters Eberhard von 1216, die am Anfang des mittelniederdeutschen Schrifttums steht und nächst der Regensburger Kaiserchronik das älteste erhaltene Geschichtsbuch in deutscher Sprache überhaupt ist, hat neuerdings zuerst Edward Schröder wieder die Aufmerksamkeit gelenkt. Die neue Ausgabe, die sein Schüler Ludwig Wolff ( 664) zusammen mit philologischen Untersuchungen ( 665) vorlegt, vermag den Text durch genaue Nachvergleichung der Handschrift und eindringende Sprachkritik in einer Reihe von Einzelheiten zu verbessern. Sie weicht in der Verszählung, was nicht übersehen werden darf, etwas von der Ausgabe Weilands ab und zählt im ganzen 4 Verse mehr (1954 statt 1950), weil sie von den verschiedenen bei Weiland nicht hervorgehobenen Lücken eine (Vers 318, den man gern eingeklammert sähe) aus der Braunschweiger Reimchronik ergänzt, ferner einen von Weiland übersehenen Vers (1557) aus der Handschrift nachträgt und schließlich -- mit gutem Recht -- gegen Ende die einführenden Worte vor der Reihe der Äbtissinnen als 2 Verse (1923 und 1924) zählt. Auch der Historiker


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wird gut tun, diese neue Ausgabe neben der Weilands heranzuziehen, die freilich auch in Zukunft nicht zu entbehren ist. Denn die neue Ausgabe ist rein philologisch. Sie verzichtet auf alle Sacherläuterungen, sogar auf die Anmerkung der Bibelstellen und auf ein Namenregister. Anders als Weiland versucht Wolff in den Wortformen möglichst auszuscheiden, was erst späteren Abschreibern und mindestens zum Teil erst dem Schreiber des 15. Jhds. angehört, womit auch der Historiker grundsätzlich nur einverstanden sein könnte. Der Herausgeber geht sichtlich sehr vorsichtig und überlegt vor. Er erklärt selber eine volle, planmäßige Rückübersetzung in die Sprachformen des ostfälischen Dichters für unmöglich, weil die Sprache seiner Zeit überhaupt nur unzulänglich bekannt ist und weil er zahlreiche Doppelformen gebraucht. Und da kann doch ein Bedenken gegen dieses Verfahren hier nicht unterdrückt werden, zumal anderseits wieder einzelne als sichere Reste aus dem 13. Jhd. anerkannte Schreibungen in die Anmerkungen verwiesen sind. Das Bedenken mag für Texte, die nur den Zwecken philologischer Seminare dienen sollen, wie das hier wohl zutrifft, nicht gelten; dort mögen praktisch-pädagogische Rücksichten, über die uns hier kein Urteil zusteht, vielleicht anders entscheiden. Ein solcher Versuch mag zur Klärung sprachgeschichtlicher Fragen wichtig, als Durchgangsstufe vielleicht unumgänglich sein. Wo aber solche Rücksichten nicht den Ausschlag geben, wird man ein so starkes Abweichen von der Überlieferung nicht empfehlen, wenn von vornherein fest steht, daß so das Original doch auch nicht ausgesehen haben wird. Die Einleitung handelt u. a. eingehend über die Verskunst des Verfassers, der freilich kein großer Dichter und auch kein bedeutender Geschichtschreiber war, und umreißt scharf die Stellung seines in Ausdrucksweise, Formgebung und Sprache echt niederdeutschen Werkes abseits von der damals auch in Niedersachsen herrschenden höfischen Dichtung in hochdeutschem Gewande. Der Herausgeber hält den Dichter für selbständiger in der Formgebung als frühere, was bis zu einem gewissen Grade erwägenswert ist. Dagegen scheint mir die Annahme einer andern Hauptquelle als der verlorenen Fundatio Gandesheimensis von c. 18 an nicht glücklich, zumal besonders c. 34 kaum verkennbar wieder auf diese hinweist.


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