III. Handwerk.

Reichsminister a. D. Rudolf Wissell ( 1468) veröffentlicht in einem kleinen Bande sein in vieljähriger Arbeit aus Archiven, Druckschriften


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und Flugblättern gesammeltes Material über die alten Ordnungen und Gebräuche der Steinmetzen, des Handwerks, das es im späteren MA. zu einer besonders festen Verbindung gebracht hat. Diese umfaßte das ganze Reich, die Straßburger Bauhütte war das anerkannte Haupt, die lokalen Brüderschaften waren durchaus dem Gesamtbund unterstellt. Die ältesten hier veröffentlichten, von 1459--1464 aufgesetzten Ordnungen lassen, wie zutreffend bemerkt wird, eine feste und offenbar schon lange bestehende Verbindung voraussetzen. Neben diesen und einigen späteren Ordnungen werden die vielen eigenartigen und sehr umständlichen Gebräuche und Grußformeln des Gewerks mitgeteilt, die streng geheim gehalten und nur mündlich überliefert und weitergelehrt worden waren. Es sei hier nur angemerkt, daß die Erscheinung des Parlierers (Poliers), einer nur diesem Handwerk eigentümlichen Zwischenstufe zwischen Meister und Gesellen, schon in der ersten Brüderschaftsordnung von 1459 als etwas längst Bestehendes vorausgesetzt wird; daß hingegen ein Meisterstück nicht vor dem 16. Jhd. gefordert wurde, wie das auch sonst festgestellt worden ist.

Nach Inhalt und Ausstattung höchst ansprechend ist die von Max Arendt ( 1574) besorgte Geschichte der Berliner Klempner-Innung. Das erste erhaltene Privileg vom 21. Oktober 1687 ist im Wortlaut wiedergegeben; für die durch Siegel überlieferte Jahreszahl 1617 als Gründungsjahr haben sich Beläge nicht erbringen lassen. Nicht ganz beistimmen kann ich dem Verfasser, wenn er (S. 14 ff.) die 1687 gemachte Angabe, daß vormals nur 3 Meister in Berlin und Kölln gewesen seien, als unmöglich zutreffend, weil viel zu niedrig, beweisen will. Er berücksichtigt dabei nicht, daß Klempnerwaren sehr viel im Hausier- und Markthandel vertrieben wurden, und daß demnach die Einfuhr von außerhalb sehr wohl größer gewesen sein kann als die Herstellung am Orte selbst. Den wirtschaftlichen Niedergang infolge des großen Krieges kann man nicht als gering einschätzen, und wenn 1645 ein Hauptgewerbe, wie das der Fleischer, mit 18 Meistern für beide Städte »geschlossen« wurde, so läßt sich damit die Existenz von nur 3 Klempnern wohl vereinigen. Die Darstellung ist bis zur Gegenwart durchgeführt.

Die Schrift von Paul Kölner über die Baseler Kürschnerzunft ( 1427), die dem ungewöhnlichen Jubiläum einer 700 jährigen Vergangenheit gewidmet ist, gibt zunächst einen kurzen, populär gehaltenen Abriß. Hier interessiert mehr der größere, urkundliche Teil, der u. a. im Stiftungsbrief vom 22. Sept. 1226 den ältesten erhaltenen Zunftbrief auf Schweizer Boden in Faksimile, lateinischem und deutschem Text enthält, ferner eine Zunftordnung von 1416 und Gesellenartikel, undatiert, anscheinend aus dem 17. Jhd. Eine prächtige Wappentafel aus dem 16. Jhd. gibt einen packenden Eindruck von der Blüte und dem Wohlstand des damaligen Handwerks.

Im Unterschied von diesen beiden im Auftrage der betreffenden Innungen verfaßten Zunftgeschichten verfolgt die Untersuchung von Maria Breuer über die Weiß- und Sämischgerberei in Breslau ( 1502 a) einen ausschließlich wissenschaftlichen Zweck. Sie gibt aus gründlicher archivalischer Forschung eine vortreffliche und eindringende Darstellung der Entwicklung dieses Gewerbezweiges, der Betriebsverhältnisse und -- am ausführlichsten -- der Zunftverfassung. In diesem Teil ist namentlich auch das Gesellenwesen, das in den Zunftgeschichten vielfach nicht genügend gewürdigt wird, eingehend und mit


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gutem Verständnis behandelt. Im besondern wird hier einmal die Frage des Arbeitslohns kritisch betrachtet und zutreffend festgestellt, daß der tariflich zugestandene Wochenlohn (6 auch 4 Gr.) unmöglich die ganze Einnahme der Gesellen gebildet haben kann. Offenbar stellte dieser übrigens immer hart umstrittene Tariflohn den Mindestsatz dar, unter den nicht heruntergegangen werden durfte, während anderseits vielfach Leistungs- und andere Zulagen, besonders an tüchtige Gesellen, üblich waren. Übrigens bestand ja der größere Teil des Lohns immer in natura, in Schlafstelle, Bier und Kost. Das tatsächliche Einkommen der Gesellen hat sich nicht ermitteln lassen. Die Arbeitszeit war, wie allenthalben, überlang, vom frühesten Morgen bis tief in den Abend; nicht ganz klar ist es, ob die Gesellen in dieser Zeit nur für den Meister arbeiten mußten, oder ob sie, wie die Verf. einmal andeutet, währenddessen auch in begrenztem Maße für sich arbeiten konnten.

Die Verhältnisse des ländlichen Handwerks sind in der Forschung bislang noch wenig berücksichtigt worden, daher ist es zu begrüßen, daß Schulze- Schönberg ( 1442) sie für ein begrenztes Gebiet, den südöstlichen Teil der Oberlausitz, die Landkreise Görlitz und Lauban begreifend, gründlich untersucht, und dazu auch sehr zerstreutes Material, Innungsakten und Dorfschöffenbücher, heranzieht. Das Dorfhandwerk hat dort seit 1600 infolge der sehr starken Exulanteneinwanderung aus den Habsburgischen Ländern einen ungewöhnlichen Umfang angenommen, denn es kam unter lebhafter Förderung durch die Gutsherren zu einer förmlichen Häusler- und Handwerkerkolonisation auf den Dörfern; zumal die Leinen- und dann die Baumwollweberei fand da stärkste Verbreitung, es entwickelte sich nachgehends sogar ein besonderer Dorfhändlerstand. Auch die 4 Landstädtchen des Gebietes blühten dadurch gewerblich auf, während die beiden Hauptstädte empfindliche Einbuße erlitten. Mit dem Vordringen der Maschinenarbeit nach 1800 ist allerdings die Weberei und mit ihr das ganze Handwerk auf dem Lande wieder arg verfallen. Anfechtbar erscheinen mir einige Bemerkungen über Brauerei und Branntweinbrennerei, zumal daß letztere schon im 14. Jhd. auf dem Lande aufgekommen sei; meines Wissens hat sie sich erst seit dem 30 jährigen Kriege in Deutschland verbreitet.


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