2. Wenn die Literatur, die im Jahre 1927 über die Entwicklungsgeschichte der kirchlichen Verfassung des MA. in einzelnen Territorien Deutschlands erschienen ist, zunächst auf ihre örtliche Verteilung untersucht werden soll, so sind von den 16 Nummern die Mehrzahl solche, die westdeutsche Gebiete betreffen; eine betrifft Mitteldeutschland, zwei den Nordosten und eine den österreichischen Südosten. An die Spitze stellen muß man wohl den Aufsatz von Schulte ( 1707). In größter Kürze wird hier eine Übersicht über die Entwicklung des Straßburger Domkapitels von 1150 bis 1332 gegeben und darin der schon von demselben Verfasser vor Jahren erbrachte Nachweis, daß gerade das Kapitel von Straßburg neben dem von Köln nur Mitglieder des hohen Adels aufnahm, an einer Mitgliederliste, die alle für jene Epoche erreichbaren Namen umfaßt und untersucht, neuerlich im einzelnen durchgeführt. Auch für diese frühe Zeit läßt sich schon nachweisen, daß das Kapitel von Straßburg, so weit wir seine Mitglieder und ihr Geschlecht zu bestimmen vermögen, nur Hochadlige, und zwar aus dem ganzen Südwesten Deutschlands aufgenommen hat. Es sind vier Mitgliederlisten, die Schulte dem Melker »Liber regulae« entnimmt. Sch. verzeichnet dann die Provisionen von 1200 an bis 1331, untersucht die Verteilung der Domherren auf die deutschen Stämme, die von ihnen errichteten geistlichen Stiftungen, die 1237 beginnen und die Tätigkeit der aus dem Kapitel bestellten Leiter der Domfabrik und erschließt einen Meister Rudolf, dem der Langhausbau des Münsters zugeschrieben werden muß, dessen Nachfolger der bekannte Erwin war.

Bierbaum ( 1715) bringt einige Nachrichten über die Diözesansynoden des Bistums Münster, wobei vielleicht hervorzuheben ist, daß dieselben bereits im 13. Jhd. jährlich zweimal gehalten wurden und daß ihre Abhaltung um 1846 abkam, um Strömungen zu bekämpfen, die an Stelle der bischöflichen Gewalt eine Synode setzen wollten.

Auch der Franzose Vétulani ( 1709) befaßt sich mit dem Straßburger Domkapitel und schildert dessen allgemeine Entwicklung von 800 bis 1300. Im zweiten Viertel des 9. Jhds. scheint das Kapitel gegründet zu sein, bereits im Anfang des 12. Jhds. ist sein freiherrlicher Charakter hinsichtlich der Zusammensetzung ausgeprägt, 1019 oder 1030 seien bereits die Einkünfte auf Einzelpfründen aufgeteilt worden. Der Propst hat die Verteilung derselben inne. Von den Dignitäten behauptet der Bischof nur das Ernennungsrecht auf den Thesaurarius, Kantor und Scholaster. Ein langer Streit mit dem Bischof unter K. Heinrich V. endet mit der Überlassung der Wahl des Dompropstes an das Kapitel; im 13. Jhd. erlangt das Kapitel auch das Recht, den bisher vom Propst ausgeübten Erzdiakonat zu übertragen; entgegen Baumgarttner glaubt V. erst seit 1109 mehrere Erzdiakone im Bistum Straßburg nachweisen zu können, was den Zuständen in andern Diözesen Deutschlands entspricht. Das Kapitel hat erst nach 1123 den Bischof gewählt; seit 1133 findet sich auch die Zustimmung des Kapitels bei bischöflichen Regierungshandlungen, erst 1201 auch die der Ministerialen; 1220 ist die erste Wahlkapitulation datiert. Seit 1306 beschränken die päpstlichen Provisionen das Wahlrecht des Kapitels, das im 14. Jhd. einen einzigen Bischof wählen durfte. Trotz des größeren Zeitraums, den die Arbeit umfaßt, steht sie an Bedeutung hinter Schultes Aufsatz weit zurück.

Hoederath behandelt in zwei Aufsätzen Einzelheiten aus der kirchlichen


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Verfassungsgeschichte der exemten Fürstabtei Essen. Die Wahlkapitulationen der Äbtissinnen ( 1711) dieses aus einem Herren- und einem Damenkapitel bestehenden Stiftes bieten für das MA. wenig Interessantes, da nur eine einzige von 1370 erhalten ist (in der Beilage abgedruckt). Die zahlreichen Kapitulationen seit 1575 interessieren vor allem durch ihre Bedeutung für die vom katholischen Herrenkapitel gegen das evangelische Damenkapitel durchgesetzte Gegenreformation; daneben spielen Wirtschaftsfragen (Beschränkung der jüdischen Familien, Spolienrecht der Äbtissin, Präsenzgelder) eine Rolle. Der Landtag der Reichsabtei Essen, der anschließend behandelt wird, bestand aus je zwei Vertretern der drei Stände, nämlich der Stiftsdamen, der Kanoniker und der Ritterschaft, zu welch letzterer auch die Stadt Essen gehörte. Zeigen sich schon hier seltsame Entwicklungen, so ist der andere Aufsatz ( 1712) der Anomalie gewidmet, daß die Abtei von der Bischofsgewalt eximiert war und daß die Äbtissin zur Ausübung ihrer bischöflichen Rechte somit einen eigenen Beamten, einen Offizial, anstellen mußte, der diese an ihrer Statt wahrnahm. Schon 1164 tauchen »capellani curie« der Äbtissin auf, seit 1272 sind sie auch als Notare der Äbtissin nachweisbar, seit 1377 ist der Kaplan als geistlicher Richter nachweisbar, der in ihrem Auftrag auch die »cura« an die zu den von der Äbtissin zu präsentierenden Pfründen vorgeschlagenen Priester überträgt und Richter über alle in der Burgfreiheit Wohnenden ist. Später erst erscheint der Titel »Offizial«. Amt und Befugnisse bestanden bis zur Neuregelung der Diözesen Preußens 1821. Nebenbei sei darauf verwiesen, daß H. auch eigentümliche liturgische Funktionen dieses Kaplans gegenüber der Äbtissin erwähnt. Eine Liste der urkundlich nachweisbaren Offiziale wie einige Offizialatserlässe und eine Offizialatsordnung von 1748 bilden den Abschluß. Mit dem Offizialat beschäftigt sich auch Gescher ( 1710), der die bisher nicht fix datierte Offizialatsordnung des Kölner Erzbischofs Dietrich von Mörs auf Grund einer bisher unbeachteten Handschrift auf die Zeit knapp vor 23. Oktober 1435 datieren kann, da der Erzbischof damals eine Vollzugsverordnung an den zweiten Beamten des Offizialats, den damals kaum zwanzigjährigen »Siegler« Hermann von Arcken erließ.

An die einzelnen Einrichtungen gewidmeten Aufsätze seien jene angeschlossen, die die territoriale Gliederung der Diözesen und den Aufbau derselben behandeln. In einer Freiburger Dissertation ( 1718) schildert Allendorff die Entwicklung der Erzdiakonate des Bistums Cammin. Während die Einrichtung derselben meist um 1100 fällt, erfolgte im pommerschen Kolonialland eine solche erst 1303. Bis dahin hatte nur der Dompropst wie fast in allen deutschen Diözesen die Stellung eines Archidiakons gehabt. Die Gebiete der Erzdiakonate decken sich mit alten Gaugebieten. Die archidiakonale Gewalt wird als »juspatronatus, quod bannum seu jus synodale vocamus« bezeichnet, was A. für eine pommersch-mecklenburgische Eigenheit hält. Eine genauere Untersuchung hätte ihn gelehrt, daß Ähnliches in der Erzdiözese Mainz, aber auch in der Erzdiözese Salzburg (Urkunde von 1195 für Admont dort »placitum christianitatis«) auftaucht. Eine Eigenheit von Cammin hingegen scheint es zu sein, daß der Bischof den Erzdiakonen Offiziale mit konkurrierender Gerichtsbarkeit in jedem Archidiakonat entgegenstellte. Als Einkünfte der Erzdiakone erscheint das auch sonst nachweisbare cathedraticum (z. B. in Freising und Passau) sowie Zahlungen für Exemtionen. Am Schluß wird ein kurzer Überblick


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über die Wiederentstehung katholischer kirchlicher Organisationen seit 1722 gegeben. Hier muß auch der wertvolle und interessante Aufsatz von H. Steffen eingereiht werden ( 1719). Der Titel gibt nicht das rechte Bild vom Inhalt. St. versucht nämlich die Ausstattung der Pfarren und ihre Einkünfte im Deutschordensstaat zu schildern. Bei den Dorfpfarrern schwankt die Größe des Widems zwischen 2 und 8 Hufen. Schenkungen von privater Seite sind selten. Die Pfarrhufen, die bei der Besiedlung ausgelost wurden, waren frei von Zins, Scharwerk (Robot), Kriegsdienst, Burgenbau, Wartgeld (für Späher und Kundschafter) und dem für den Burgenbau in Schalauen bestimmten Schalauenkorn. Da das Fischrecht dem Orden zustand, ist die Pfarre nur selten damit ausgestattet und dann nur zur Deckung des Eigenbedarfs. Wer die Verpflichtung zur Erbauung der pfarrlichen Gebäude hatte, ist unklar; da Bauholzschenkungen vorkommen, dürfte der Pfarrer selbst dazu verpflichtet gewesen sein. Ein Zehent, wie sonst, ist im Deutschordensstaat nicht nachweisbar; jede Hufe liefert an dessen Statt 1 Scheffel Roggen und 1 Scheffel Hafer, als »annona missalis« oder »Decem« bezeichnet, welche Abgabe in den Territorien der Bischöfe anscheinend höher war als im übrigen Ordensstaat. Seltsamerweise entrichten größere Grundbesitzer diese Abgabe in geringem Ausmaß, ja nur von jeder 4. Hufe. Eine Ablösung des »Decem« ist das Rauchgeld. Die Opfergaben scheinen ziemlich beträchtlich gewesen zu sein, der Anteil der Kirchenfabrik an diesen war strittig. Sehr wichtig ist der Nachweis, daß es Stolgebühren noch 1411 nicht gab und diese erst gegen 1500 entstanden. Wie anderwärts wurde auch im Deutschordensstaat der Klerus im Spät-MA. zu Steuern herangezogen. Seit dem 14. Jhd. ist das »subsidium caritativum« nachweisbar; nur die auf Pfarren verteilten Priesterbrüder bestritten die Verpflichtung zu dieser Steuer. Der Überblick, den St. gibt, der klar und übersichtlich gegliedert ist, läßt den Wunsch nach ähnlichen Arbeiten, zunächst für das Kolonialland über der Elbe wach werden.

Einen kleinen, aber um so hübscheren Beitrag zur Geschichte der Pastorierung der Städte bringt Overmann ( 1717). Auf Grund einer Stelle im Liber cronicorum um 1350, wonach 1182 die Pfarre St. Marien zu Erfurt in eine Reihe kleinerer zerlegt wurde, weiß O. darzutun, daß die urkundlichen Nachrichten, sowie die späteren Verhältnisse der kirchlichen Einteilung diese Nachrichten durchaus bestätigen. Entwicklungsgeschichtlich interessant ist vor allem die Tatsache, daß zuerst 1132, dann um 1140 und dann neuerlich am Ende des 12. Jhds. innerhalb der Stadt »Kapellen« auf Grund des Eigenkirchenrechtes genau in derselben Weise wie anderswo am flachen Lande entstanden. Dieses Absplittern vom Sprengel des Marienstiftes scheint dann das Stift dazu bewogen zu haben, die alte große Stadtpfarre in eine Reihe kleinerer zu teilen (im ganzen 27), von denen bis 1300 nicht weniger als 25, 1362 und 1399 je eine neue genannt werden. O. sucht auch nachzuweisen, daß die sogenannte Kaufmannskirche, die in einem der beiden ursprünglichen Teile Erfurts liegt, während Marienstift, Petersstift und Severikirche in dem anderen Teil liegen, auch bereits der Missionszeit entstammen muß, worauf sowohl ihr Name wie das seltsame Patrocinium St. Gregor hinweisen. Man wird ihm diesbezüglich durchaus beipflichten dürfen, es wäre jedoch deswegen noch lange nicht sicher, daß auch die Pfarre bei der Kaufmannskirche bereits dieses hohe Alter hätte, wie O. annehmen möchte. Auch hier in Erfurt bestätigt sich


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somit der häufig geltende Satz, daß Kirchen, deren Patronat in der gleichen Hand liegt, auf ein und dieselbe Mutterkirche zurückzuführen sind, da die Mehrzahl der Erfurter Stadtpfarren unter dem Patronatt des Marienstiftes standen. Reformation und Gegenreformation haben dann zu einer Vereinfachung dieser komplizierten Pfarreinteilung geführt, Erfurt hat seither je acht katholische und protestantische Pfarren. Laumanns ( 1713) setzt sich mit seinem Kritiker Bauermann auseinander und gesteht ihm zu, daß der Archidiakonat Lippstadt wohl erst im 15. Jhd. entstanden ist, wobei allerdings Bauermann eine Stelle des sogenannten Lippifloriums, die vom Jus spirituale spricht, und um die Mitte des 13. Jhds. geschrieben ist, nicht völlig erklärt zu haben scheint. Die Frage der Entstehungszeit dieses Archidiakonates scheint noch nicht restlos geklärt zu sein. Gemmeke ( 1714) schildert in einer hübschen Studie das Leben der Kalandsbruderschaft in Neuenheerse. Diese Bruderschaft bestand aus den Priestern, teilweise aus den Stiftsdamen sowie etlichen Laien ursprünglich nur in Neuenheerse, dann auch im weiteren Umkreise dieses Ortes. Außer einigen liegenden Besitztümern bestand das Vermögen der Bruderschaft aus den Einzahlungen der Neueintretenden, von welchem Vermögen jährlich die Erträgnisse nach dem kirchlichen Grundsatz der Präsenzgelder, d. h. nach der Anwesenheit und der Teilnahme an den geistlichen Funktionen anläßlich des Jahresfestes der Bruderschaft unter die Mitglieder verteilt wurden. Die Mehrzahl der Quellen entstammt erst der Zeit nach 1600, jedoch spricht nichts dagegen, auch für die vorangehende Zeit seit der Begründung im 14. Jhd. die gleichen Zustände anzunehmen. Im 19. Jhd. hat sich die Bruderschaft in eine reine Priesterbruderschaft verwandelt, die erst seit 1840 etwa unter der Aufsicht des Generalvikariates in Paderborn stand.

Hier sei dem Berichterstatter gestattet, in Kürze auf seinen eigenen Aufsatz ( 1704) zu sprechen zu kommen. Während die beiden ersten Teile dieser Aufsatzreihe (1925--26) die Entwicklung der Pfarrorganisation in den beiden Kirchenprovinzen, die sich in das Land Kärnten teilten, darzulegen suchten, mußte im III. Teil der Versuch gemacht werden, auch etwas über die Entwicklung der Filialen zu sagen. Das Rückgrat dieser Abwandlung bildeten die Patrozinien der einzelnen Kirchen, in denen Klebel folgende Stadien zu unterscheiden versucht. Der karolingischen und hochma. Epoche bis um 1100 entsprechen im wesentlichen zwei Patrozinientypen, einmal diejenigen, die auf die Erwerbung irgendwelcher Reliquien zurückgehen, z. B. St. Tiburtius, und anderseits diejenigen der allgemeinen Kirchenheiligen, von denen man nur sogenannte uneigentliche Reliquien erlangen konnte. (Tücher von den Gräbern, Steinchen von denselben u. dgl.) Diese letzte Gruppe umfaßt an der Spitze die as. Jungfrau Maria, dann St. Petrus, Laurentius, Stefanus u. dgl. Neben diesen beiden Gruppen gehören noch zum Teil die Heiligen der beiden Erzdiözesen in diese älteste Zeit. Als zweite Schichte bezeichnet K. jene, die im Zusammenhange mit den großen Wallfahrten des 12. und 13. Jhd. namentlich südfranzösische und italienische Heilige in die deutschen Lande brachte. Z. B. St. Jakob, Nikolaus, Magdalena usw. Eine dritte Schichte bilden die Wallfahrtsheiligen des späteren MA., die an näher gelegene Wallfahrtsorte anknüpfen. So die im Lande beheimateten Heiligen Leonhard, und Primus und Felizianus. Außerdem knüpft diese Spätzeit gerne an die Legenden wie an die Schutzgebiete der verschiedenen Heiligen an. Eine eigene in Kärnten nur schwach vertretene Heiligengruppe


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sind dann die Patrozinien der Barockzeit (St. Johann Nepomuk, Maria-Loretto usw.). Diese Einteilung folgt im wesentlichen der von Sauer aufgestellten. Die verschiedenen Epochen kennen aber auch verschiedene Typen von Filialen, die gewisse rechtliche Sonderstellungen einnehmen. So gehen die Wallfahrtskirchen in ihrer Mehrzahl auf die beiden letzten Perioden zurück. Die Heiligen des Hoch-MA. haben vielfach ihre Verehrungsstätten in Hospitälern gefunden, die sich mit den Wallfahrten ins heilige Land usw. einbürgerten. Die Karolingerzeit und die unmittelbar darauffolgenden Jahrhunderte scheinen noch an dem frühchristlichen Grundsatze einer Mehrzahl von Gotteshäusern zu verschiedenen Zwecken innerhalb eines Seelsorgesprengels festgehalten zu haben. K. sucht nachzuweisen, daß noch im 11. Jhd. jede Pfarre eine Johanniskirche als Kirche zur Taufe der Erwachsenen erhielt; manche dürften solche Taufkirchen allerdings schon wesentlich früher erhalten haben. Die Verteilung der Johanniskirchen spricht durchaus für diese These. Eine weitere Eigentümlichkeit derselben Epoche scheinen die dem Heiligen Michael geweihten Karner, deren Errichtung allerdings noch in späterer Zeit üblich gewesen zu sein scheint, zu sein; das sind Friedhofskapellen, die unten einen Raum für die Gebeine und oben eine Kapelle für Seelenmessen enthalten. Die Reliquienheiligen derselben Zeit weisen mitunter auf Mönchszellen, wie sich eine solche urkundlich in Molzbichl erschließen läßt. Ob auch noch aus der altchristlichen Zeit bis 600 vor dem Slaweneinbruch sich Reste von Heiligenkulten erhalten haben könnten, läßt K. unentschieden, weist jedoch auf die eigentümliche Erscheinung der Patrozinien der Heiligen Nonosius, Donatus und des Propheten Daniel sowie auf die Verehrung eines gewissen Briccius in Heiligenblut hin. Die Untersuchung der das Landschaftsbild Kärntens stark beeinflussenden Bergkirchen auf der Stätte antiker Tempel zeigt mit Ausnahme der Danielskirche im Mölltal nirgends einen direkten Ersatz einer heidnischen Gottheit durch einen mit verwandten Attributen ausgestatteten Heiligen. Jedoch deuten die für diese gewählten Heiligen vielfach auf Verdrängung heidnischer Kulte im allgemeinen. Wretschko hat die beiden ersten Aufsätze von K. besprochen und hat besonders gegenüber gewissen Nachlässigkeiten des Verfassers in der Terminologie des ersten Aufsatzes auf die eigenkirchenrechtliche Stellung auch der Salzburger Kirchen aufmerksam gemacht.

An die Spitze jener Aufsätze, die ma. Immunitäts- und Vogteiverhältnisse behandeln und der weltlichen Verfassungsgeschichte ebensosehr angehören als der kirchlichen, sei Tyc's ausführliche Arbeit über die Immunität der Abtei Weißenburg ( 1708) gestellt. Die nicht vom Merowingerkönig Dagobert I., sondern vom Bischof Dagobod von Speyer im 8. Jhd. gegründete Abtei ist sicher unter König Otto I. als Reichsabtei nachweisbar, wurde aber 981--5 Herzog Otto von Kärnten geschenkt, fiel hernach wieder ans Reich und gelangte 1546 dauernd an Speyer. Nach kurzer Darstellung späterer Verhältnisse in der Immunität untersucht T. ausführlich die Dagobertfälschung, deren Entstehung er entgegen Hirsch erst 1111 bis 1187 ansetzt und Zusammenhänge mit Fälschungen für Haslach und Klingenmünster nachweist, die letztere beruft sich ausdrücklich auf die Weißenburger Fälschung; die von T. gebotenen Textproben ließen eher auf einen engern Zusammenhang der beiden ersteren schließen. Dann wendet sich T. den aus dem ursprünglichen Immunitätsgebiet entstandenen Teilgebieten zu. Das »Vollding«, vom Vogt des Klosters, später dem


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Landvogt und dem Schultheißen geleitet, übt auch hohe Gerichtsbarkeit, richtet sowohl über das Gebiet der Reichsstadt wie der später »Mundat« genannten unmittelbaren Klosterherrschaft, das »Staffelgericht« unter Vorsitz des Schultheißen richtet über die Bürger, hat aber auch Einfluß auf die Mundat und konkurriert mit den niederen Gerichten der Mundat, ist außerdem Appellationsstelle. Seit 1275 ist auch ein »Kammergericht« für die Hausgenossen der Münze der Reichsabtei nachweisbar, das als höchstes Gericht der Mundat gilt und dem auch die Ministerialen der Abtei unterworfen waren, die auch die Hälfte der Beisitzer stellen. Die ursprünglich der Reichsabtei gehörende Stadt Weißenburg weigerte sich schon 1381, dem Abt den Treueid zu leisten und erhielt 1479 das Recht, falls der Kaiser keinen Landvogt ernenne, einen solchen zu bestellen, der dann seit 1518 die Gerichtsbarkeit übt. Wie man sieht, ist es eine verwickelte Durchwachsung älterer Immunitäts- und jüngerer Stadtrechte, die dieser Reichsabtei ihr eigenes Gepräge geben. Bezüglich T.'s diplomatischer Untersuchung wird man wohl noch die Stellungnahme von Hirsch abwarten müssen; sonst hat T. unter weitgehendster Heranziehung der deutschen Literatur -- die Arbeit ist französisch -- die territoriale Entwicklung gut erfaßt.

Leider kann man dasselbe von der Arbeit von Mazzetti ( 1706) über die verfassungsrechtliche Stellung von Bistum und Stadt Speyer 1224--32 nicht sagen. M. wollte einerseits geistliche Veränderungen (Einteilung der Diözese in Erzdiakonate), andererseits die Herausbildung des Territoriums schildern. Die mit großem Fleiß gemachte Arbeit konnte aber die Frage, ob Bischof Bernger, der 1224--32 regierte, der Urheber dieser Wandlungen ist und zugleich durch Beziehungen zu König Friedrich II. etwa auf das »Constitutum in favorem principum« eingewirkt hätte, nicht eindeutig lösen; er hätte eindeutige Antworten nur erhalten, wenn er einen längeren Zeitraum seiner Darstellung zugrunde gelegt hätte; mit Biographien wird man, wenn nicht außergewöhnliche Quellen da sind, derartige Fragen nie lösen können, da sie nur einerseits aus einer Diplomatik König Friedrich II. und andererseits aus dem Zug der ganzen Territorialentwicklung des Hochstifts Speyer beantwortet werden könnten.

Naz ( 1710a) beschäftigt sich mit der Vogtei des Flandrischen Klosters Saint-Amand-en Pévéle. Es ist hierbei im Gegensatze zu den Vogteiverhältnissen süddeutscher Klöster besonders auffallend, daß ein Hauptvogt nicht erscheint, sondern daß das Kloster in einer Reihe verschiedener Gebiete verschiedene Vögte eingesetzt hat. Der Lehenscharakter der Vogtei wird stärker betont, als etwa in Süddeutschland. Auffallend ist auch, daß das Kloster sich den Bedrängungen seitens einzelner Edler dadurch zu erwehren sucht, daß es ihnen die Vogtei über das beanspruchte Gut überläßt. Wenig erfährt man über die Rechte dieser Vögte, mehr über ihre Einkünfte. Die Art, wie das Kloster im Laufe des 13. Jhd. eine Vogtei nach der andern einzuziehen versteht, entspricht durchaus den Beobachtungen aus andern Gebieten des Reiches.


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