3. Die neuere deutsche Kirchengeschichtsforschung hat uns in Thomas Münzer, den man allzu lange nur als den Sozialrevolutionär angesehen hat, den religiösen Urheber der neben der evangelisch-kirchlichen Reformationsbewegung einhergehenden mystisch-spiritualistischen Bewegung wie der gleichfalls primär durchaus religiös orientierten Täuferbewegung zu sehen gelehrt. An der Formung dieses neuen Bildes war auch Hnr. Boehmer in hervorragender Weise beteiligt, und es ist zu begrüßen, daß in dem Sammelband seiner Aufsätze ( 147) wenigstens seine Auseinandersetzung mit Ernst Bloch (vgl. Bericht 1925, S. 408) über Münzer als »Theologe der Revolution« Aufnahme gefunden hat, zu bedauern, daß nicht auch sein Leipziger Dekanatsprogramm »Studien zu Th. Münzer«, 1922, hineingenommen ist. Die neueste, französische Münzermonographie von Walter ( 795) gliedert sich als ersten Band einem vierbändigem Unternehmen unter dem Titel: Contributions à l'Étude de la Formation de l'Esprit révolutionnaire en Europe desselben Verfassers ein. Wiewohl W. eine vollständige Biographie Münzers gibt, nehmen daher dessen »revolutionäre Tendenzen« von Anfang an den Hauptraum ein. Und obwohl er auch die neuere deutsche Münzerliteratur anführt, nutzt er sie leider nicht zur religiösen Motivierung des Handelns Münzers aus. Der Mystiker und Kultusreformer Münzer wird nicht plastisch greifbar, sondern W. bleibt allzu sehr bei den


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äußerlichen Daten und Handlungen stehen; was diese betrifft, so ist W.s Buch allerdings die vollständigste Münzerdarstellung.


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