I. Quellenkunde:

Die »Altpreußische Bibliographie« von E. Wermke ( 39) verzeichnet für das Jahr 1927 nicht weniger als 1243 Titel, denen ein alphabetisches Verfasserverzeichnis beigegeben ist. Zusammen mit den zum Teil sehr umfangreichen Buchbesprechungen, die an der gleichen Stelle in den »Altpreußischen Forschungen« halbjährlich erscheinen, bietet sie den besten und zuverlässigsten Überblick über die landeskundliche Arbeit im deutschen Nordosten. Nach einer Pause von mehr als zwei Jahrzehnten konnte auch der bewährte Codex diplomaticus Warmiensis fortgesetzt werden, nachdem in Studienrat Dr. Schmauch ein kundiger Bearbeiter des überreichen Urkundenstoffes zur Geschichte Ermlands gewonnen wurde ( 129). Das vorliegende Heft, das noch dem 4. Bande zuzufügen ist, enthält 94 Urkunden aus den Jahren 1428--1430. Ihre Herausgabe ist mustergültig. Ihre inhaltliche Beurteilung kann erst nach weiterer Vervollständigung der Reihe erfolgen. Greiffenhagen ( 740) veröffentlichte eine entlegene Urkunde aus dem Revaler Stadtarchiv zu den Verhandlungen im Jahre 1456. Recke ( 126) stellte Regesten der im Danziger Staatsarchiv aufbewahrten Urkunden und Briefe über die Beziehungen zwischen Danzig und Soest zusammen. Gerade Arbeiten dieser Art haben heute besonderen Wert, da sie die landesgeschichtliche Forschung auf Quellen verweisen, die bisher zumeist nur einseitig bekannt und verwertet wurden. -- Während die Geschichte der ost- und westpreußischen Archive noch wenig untersucht ist, wurde die Entwicklung der dortigen Bibliotheken mehrfach behandelt. Schwarz hat zum Teil im Anschluß an die Forschungen von Otto Günther die Bestände der umfangreichen Bibliothek der Marienkirche in Danzig geschildert, die bereits 1413 durch den Hochmeister Heinrich von Plauen bestätigt wurde ( 85). Im Jahre 1457 wurde sie in einer eigenen Kapelle aufgestellt. Der Zeit des Humanismus entstammt die Schloßbibliothek in Königsberg, die Herzog Albrecht bereits vor seinem Übertritt zur Reformation anzulegen begonnen hatte. Sie wurde, wie Krollmann berichtet, 1532 in einem besonderen Raum des Schlosses untergebracht und in den folgenden Jahren durch Felix König, genannt Polyphemus, verwaltet und vermehrt. Seit 1540 war sie dem öffentlichen Gebrauch zugänglich ( 86). Ältere Bestände aus Klöstern und Ordensbüchereien gewährten ihr ständigen Zuwachs, so daß sie der Königsberger Universität wertvolle Dienste leisten konnte. Sie bildete somit einen Grundstock der 1827 begründeten Universitätsbibliothek, deren Geschichte Ernst Kuhnert dargestellt hat. Einen lehrreichen Überblick über die Schätze der noch wenig ausgewerteten Handschriftensammlung der Wallenrodtschen Bibliothek in Königsberg und ihre Geschichte bieten ferner Goldschmidt


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( 121) und Juntke ( 87). Einen lebensvollen Einblick in die äußere Entwicklung und innere Verfassung des Deutschen Ordensstaates gewährt schließlich die Quellensammlung »Ordensritter und Kirchenfürsten« von Johannes Bühler ( 685). Eine ausführliche Einleitung bringt alle wichtigen Angaben und Gesichtspunkte zum Verständnis der Ordensgeschichte. Vorzügliche Abbildungen machen die Kunst im Ordenslande deutlich. An Quellen sind neben anderen ausgewählt: Die Satzungen des Ordens, Teile der Chronik von Jeroschin, die Kulmer Handfeste, einige Papsturkunden, Auszüge aus der älteren Chronik von Oliva und den Prozessen gegen den Orden, Berichte über die Littauerfahrten, die Chroniken von Johann von Posilge und Wigand von Marburg, das Tresslerbuch und das Marienburger Ämterbuch. Zahlreiche Quellenstellen behandeln die Schlacht bei Tannenberg und ihre Folgen. Den Verfall des Ordens beleuchten einige Stellen aus den Ermahnungen des Karthäusers, mehrere Urkunden, Auszüge aus der Geschichte vom Bunde. Der bekannte Brief Luthers an den Hochmeister beschließt die vielseitige Sammlung. Trotzdem können einige Bedenken gegen Werke dieser Art nicht unterdrückt werden. Die Auswahl der Quellen ist immer subjektiv und nimmt auf das Unterhaltungsbedürfnis des Lesers mehr Rücksicht als auf seine Belehrung. Die Anmerkungen erklären Einzelheiten meist richtig und in Anlehnung an die neuesten Forschungen, aber sie geben fast niemals Auskunft, welchen Abschnitten der Originalquellen die einzelnen Stellen entnommen sind. So sind Teile der Ordensstatuten hintereinander abgedruckt, ohne daß im Druck oder auch nur in den Anmerkungen die verschiedene Zeit ihrer Entstehung kenntlich gemacht wäre. Es sind nicht einmal die kritischen Quellenausgaben erwähnt, so daß jedes selbsttätige Weiterforschen dem Studierenden und dem Lehrer, die aus Mangel an Sprachkenntnissen neuerdings gerne diese Ausgaben benutzen, erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wird. Unnötig erscheint es auch, daß die Reime Jeroschins und Suchenwirts in deutsche moderne Prosa aufgelöst wurden. Sie verlieren dadurch ihrer dichterischen Reiz. Bei der Kulmischen Handfeste sind die Zeugen, die für die erste Geschichte des Ordens in Preußen von so großer Bedeutung sind, fortgelassen. Es lassen sich solche Beanstandungen häufen, da sie letzthin auf die Absicht des Herausgebers zurückführen, »nicht eine Quellenpublikation für Spezialforschungen zu liefern«. Es soll nicht verkannt werden, daß geschichtlicher Sinn in weiteren Kreisen durch solche Veröffentlichungen angeregt und vertieft werden kann. Aber es würde nicht schwer sein, durch gewisse, gar nicht allzu umfangreiche Zusätze und Änderungen diese Ausgaben auch für die Forschung nutzbar zu machen. Sie würden einen besonderen Wert dadurch besitzen, daß viele der angeführten Quellen gar nicht oder nicht in gutem Deutsch übersetzt vorliegen.


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