II. Siedlungsgeschichte.

Der Arbeit an der Verzeichnung und Ordnung der nichtstaatlichen Archivalien der Provinz Westpreußen ist »die Geschichte des Kreises Rosenberg« entwachsen, die K. J. Kaufmann bereits 1913 begonnen hatte, aber dann während des Krieges und seiner Folgen vorerst nicht beenden konnte ( 226). Als ein Teil dieses großen Werkes, das außer der Gesamtgeschichte des Kreises auch die Entwicklung seiner Städte und ländlichen Gemeinden behandeln soll, ist zunächst die Kreisgeschichte bis 1466 veröffentlicht worden. Da der Kreis eine willkürlich geschaffene Verwaltungseinheit bildet, mußte die Darstellung vielfach über seine räumlichen Grenzen hinausschweifen.


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Doch ist die allgemeine Landesgeschichte in diesem Zusammenhange wohl zu breit geschildert worden. Sie muß in Kreis- und Ortsgeschichten zum größten Teil vorausgesetzt werden, wenn nicht die Fülle der heute erscheinenden Geschichtsbücher dieser Art mit erheblichen und letzthin unnötigen Wiederholungen belastet werden soll. Auf der anderen Seite bietet das vorliegende Buch aus diesem Grunde mehr als sein Titel erwarten läßt, wie etwa eine anschauliche Darstellung der Kultur der alten Preußen und ihres Kampfes mit den Polen. Die deutsche Besiedlung konnte nachdrücklich erst einsetzen, nachdem die einheimischen Preußen im Frieden von 1249 dem Orden sich endgültig unterworfen hatten. An ihr waren der Bischof und das Domkapitel von Pomesanien, der Deutsche Orden mit seinem Kammeramte Dt. Eylau und mehrere Großgrundbesitzer, wie die Familie Stange beteiligt. Außer der kirchlichen und weltlichen Verfassung Pomesaniens hat Kaufmann die Anlage der Ortschaften quellenmäßig genau geschildert. Die älteste Verleihungsurkunde stammt aus dem Jahre 1236 für Dietrich von Tiefenau. Die eigentliche Besiedlung des Gebietes erfolgte jedoch erst in der ersten Hälfte des 14. Jhds. Von 127 Städten, Dörfern und Gütern, die um 1400 vorhanden waren, entstammten 79 jenem Zeitraum. Die preußischen Dörfer und Güter waren rechtlich und wirtschaftlich von den weit zahlreicheren deutschen Ortschaften unterschieden. Die für sie erhaltenen Urkunden werden genau erörtert, wobei auch wichtige allgemeine Ergebnisse, etwa über das Verhältnis des Hakens zur Hufe und über die soziale Stellung der Preußen gewonnen werden. Das gleiche gilt für die Wege und die (nicht weniger als 63) Seen, die Bäche, Mühlen und Krüge. Auch für die Pfarreien und Schulen sind alle erreichbaren Nachrichten übersichtlich zusammengestellt. Ein großer Teil dieser Kulturarbeit wurde in den Kriegen des Ordens gegen Polen seit 1410 vernichtet, wobei gerade der eingesessene Adel aus Eigennutz der deutschen Sache vielfach schweren Schaden zugefügt hat. Zahlreiche Dörfer und Äcker lagen seitdem wüst. Nur der Umstand, daß der Kreis Rosenberg durch den 2. Thorner Frieden 1466 nicht Polen zugesprochen wurde, sondern dem Ordensstaate vorbehalten blieb, hat ihn vor ähnlichem kulturellen Niedergange bewahrt, wie ihn die abgetrennten Gebiete im Kulmerlande und auf dem linken Weichselufer erlebt haben. Den Gang dieser Entwicklung hat der Verfasser mit beredten Worten und mit häufigen Hinweisen auf die Erfahrungen der gleichgearteten Gegenwart dargelegt. Genaue Quellenangaben sind in dem Anhang beigefügt, doch wäre es zweckmäßig gewesen, die Anmerkungen nicht nach Seiten, sondern nach Abschnitten durchzuzählen, um ihre Auffindung zu erleichtern.

Mehrere Doktorarbeiten sind, wenn auch mit verschiedenem Erfolge, der Entstehungsgeschichte einzelner Gebiete gewidmet. Sehr ausführlich hat Sieg die Geschichte des Kulmerlandes im 13. Jhd. dargelegt ( 729). Ein besonderer Vorzug dieser Arbeit ist die Verwertung polnischer Quellen und Literatur und einer Reihe ungedruckter Quellen aus dem Königsberger Staatsarchiv. Auch sind die Kämpfe des Deutschen Ordens mit den Preußen und den Herzögen von Pommerellen ausgiebig behandelt, so daß die leider ungedruckte Dissertation die bisher ausführlichste Schilderung jener Vorgänge durch Ewald weitgehend überholt. W. Schulz hat die Siedlungsgeographie des Deutschen Oberlandes, d. h. der Kreise Pr. Holland und Mohrungen und des nördlichen Teiles des Kreises Osterode behandelt ( 422). Der Wert seiner Arbeit besteht in einer Zusammenstellung


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der Ortschaften dieses Gebietes mit Angabe ihrer ersten urkundlichen Erwähnung, der Wandlung ihrer Namen und deren Bedeutung. Die Kartenbeilagen, die das Siedlungsbild im Laufe der Jahrhunderte darstellen, konnten nicht eingesehen werden. Der Text erläutert die allgemeinen Grundsätze und Ergebnisse der siedlungsgeographischen Forschung durch Beispiele aus der Geschichte des Oberlandes. Leider sind die Quellen dabei nicht mitverzeichnet. Die Angaben lassen eine erneute Untersuchung durch einen Historiker erwünscht erscheinen. Neue Wege zur Erklärung der Landschaftsbezeichnungen in den »Wegeberichten« des Deutschen Ordens, wie des vielgebrauchten Wortes »Damerau«, weist Müller auf Grund seiner genauen Kenntnis des Geländes und seiner forstwissenschaftlichen Vorbildung auf ( 420). Wie stets müssen in solchen Fällen sprachliche und geographisch-historische Untersuchungen sich die Hand reichen.

Die Aufsplitterung der preußischen Landesgeschichte in Kreis- und Ortsgeschichten zwingt immer wieder die geschichtliche Einheit des Gesamtgebietes zu betonen, um auch den polnischen Ansprüchen auf diese oder jene Landesteile entgegenzutreten. Die Zusammengehörigkeit des heute gevierteilten Weichsellandes hat deshalb Keyser in knappen Zügen dargelegt ( 225).


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