V. Kirchengeschichte.

Ein seltener Fund glückte H. G. Voigt ( 1633) durch die Auffindung einer Lebensbeschreibung Brunos von Querfurt im Stadtarchiv von Querfurt. Sie liegt in einer Ausarbeitung aus der Zeit nach 1385 vor und befindet sich in einer Handschrift aus der Zeit um 1500. Der neue Text, der in eine vita und eine passio zerfällt, bot Voigt Gelegenheit, seine früheren Forschungen über Bruno mehrfach zu ergänzen. Leider sind auch jetzt über die letzte Reise Brunos und den Ort seiner Ermordung nur Vermutungen möglich.

Seit langem haben sich zahlreiche Arbeiten mit der Person des Preußenmissionars Christian beschäftigt. Entgegen der älteren nicht haltbaren Meinung, daß er dem Zisterzienserkloster Oliva entstammte, wird er neuerdings dem Abte Gottfried aus dem Kloster des gleichen Ordens in Leckno gleichgesetzt. Obwohl über seine Lebensgeschichte nichts Neues beigebracht werden kann, hat Blanke erstmalig seine Missionsmethode dargestellt ( 1632). Die Dürftigkeit der landesgeschichtlichen Quellen gebot dazu die Heranziehung gleichartigen Stoffes aus anderen Ländern und der allgemeinen kirchenrechtlichen Bestimmungen. Die Mission Christians suchte ihre Erfolge in der unmittelbaren Unterstellung unter den Papst und in der Hinwendung zu den Großen des Landes, um durch sie auch ihre Hintersassen für die neue Lehre zu gewinnen. Während auf die Einziehung von Abgaben zunächst verzichtet wurde, galt dem Kirchenbau und der sittlichen Erziehung der Neubekehrten eifrige Arbeit. Auch wurden eigene Schulen für die Preußen eingerichtet.

Eine wesentlich vertiefte Erkenntnis der Verfassungs- und kirchenrechtlichen Verhältnisse im Ordensstaate bietet Steffen in seinen Untersuchungen über die soziale Lage der Pfarrgeistlichkeit im Ordensstaate ( 1719). Wichtig ist der Nachweis, daß der Umfang des Pfarrgrundbesitzes in den einzelnen Dörfern ganz verschieden gewesen ist, wenn auch auf dem flachen Lande viereinhalb Hufen den Durchschnitt bildeten. Die Güte des Bodens scheint in den meisten Fällen die Ausdehnung des Pfarrlandes bestimmt zu haben. Einschneidende Folgen hatten die seit dem 15. Jhd. häufiger zu bemerkenden Verausgabungen


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der Pfarrhufen zu Erbzins. Sie führten nicht selten zu ihrem dauernden Verlust. Die Auswahl des Stoffes wurde durch den Umstand bestimmt, daß Urkunden für die Zeit nach 1300 nur für das Ermland und das Kulmerland im Druck vorliegen. Die Beispiele sind deshalb meist dem Ermland entnommen. Doch dürften in den anderen Gemeinden, die der Ordensherrschft unmittelbar unterstanden, die Dinge nicht viel anders gewesen sein. Wichtig wäre dagegen eine besondere Behandlung der städtischen Pfarrgeistlichkeit gewesen.

Mehrere Arbeiten sind der Zeit nach der Reformation gewidmet. Auf Grund umfangreicher literarhistorischer Untersuchungen, die nur an wenige Vorarbeiten angeknüpft werden konnten, stellte Ruth Fuehrer ( 1911) die Gesangbücher der Stadt Königsberg von 1525 bis 1885 zusammen, wobei die Zeit bis 1650 am ausführlichsten behandelt ist. Die ältere Entwicklung knüpft an die Kirchenordnungen von 1525, 1544 und 1568 an, die mehrere Lieder der Reformationszeit namhaft machten. Das älteste Gesangbuch stammt von 1527 und enthält Lieder des Herzogs Albrecht. Nachdem bereits 1523 die ersten evangelischen Predigten gehalten waren, empfahl die Kirchenordnung von 1525 den Gesang deutscher, evangelischer Lieder. Das zweite Gesangbuch von 1540 gab der Hoftrompeter Johann Kugelmann heraus; es enthält teils deutschen, teils lateinischen Text mit Noten. In einem Chorgesangbuch von 1558 schreibt die Verfasserin weitere Lieder Herzog Albrecht zu. Die enge Verbundenheit Königsbergs mit der anderen Vorburg des Protestantismus im Preußenlande, mit Danzig, bezeugt der Umstand, daß 1569 Johann Daubmann ein von ihm herausgegebenes Enchiridion dem Danziger Rate gewidmet hat. Für die weitere Förderung des Kirchengesanges waren die Vertonungen von Johann Eccard aus Mühlhausen in Thüringen 1589 und Johann Stobäus aus Graudenz 1634 maßgebend. Sie begründeten die »Preußische Tonschule«. In ihre Gesangbücher wurden die Werke der beiden Königsberger Dichter Simon Dach und Heinrich Albert aufgenommen. Seit der Mitte des 17. Jhds. folgte eine Reihe von Gesangbüchern, die von Königsberger Druckern zusammengestellt waren und nicht nur für den Gottesdienst in der Kirche, sondern auch für Schul- und Hausandachten bestimmt waren. Sie bevorzugten meist einheimische Liederdichter und wiesen Noten auf, die erst nach dem Jahre 1719 wieder verschwanden. In den späteren Gesangbüchern, die Lilienthals Glossiertes Gesangbuch 1723 eröffnete, stehen die preußenländischen Dichter zurück. Das war auch in den Büchern von Rogall und Quandt der Fall, die immer wieder Neuauflagen erlebten und teilweise nebeneinander herliefen. Erst 1886 wurde ein einheitliches Gesangbuch für die Provinz Ostpreußen geschaffen. Den genauen Angaben über die Verlage, Drucker und Dichter aller dieser Gesangbücher hat F. zahlreiche Textproben und ausführliche Verzeichnisse der in den einzelnen Büchern enthaltenen Lieder beigefügt. Ihre sorgfältige Arbeit bietet einen wertvollen Einblick in die geistige Regsamkeit Alt-Königsbergs.

Die evangelischen Kirchenordnungen Elbings hat Kerstan erstmalig genauer untersucht. Die älteste bekannte Ordnung, die nur handschriftlich überliefert ist, stammt aus dem Anfang des 17. Jhds. Sie wurde durch neue Ordnungen von 1717 und 1734 ersetzt ( 1910).

Mehrere Beiträge zur Geschichte des Katholizismus im Preußenlande lieferten die auf diesem Gebiete stets besonders rührigen Mitglieder des Ermländischen Geschichtsvereins. Die Totentafel des Franziskanerklosters zu Wartenberg


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veröffentlichte Koppenhagen ( 1692). Sie enthält 302 Namen von Wohltätern und Mitgliedern des Klosters von 1599 bis 1617. Funk legte Vorarbeiten für eine Biographie des Fürstbischofs von Ermland, Joseph von Hohenzollern-Hechingen vor, der gleichzeitig Abt von Oliva war ( 1808). Seine Erziehung in der Stuttgarter Karlsschule und im Jesuitenkollegium zu Alt-Schottland bei Danzig konnten genauer ermittelt und mehrfache Angaben der älteren Literatur, die sich zumeist auf Familienüberlieferungen stützen, aktenmäßig nachgeprüft und berichtigt werden. Die Kirchen- und Schulpolitik des Fürstbischofs bedarf gleichwie die seines Oheims Karl nach den vorgelegten Proben noch einer eingehenderen Darlegung.


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