V. Kirchengeschichte.

Bei Gelegenheit des deutschen Pfarrertages in Berlin ist eine Festgabe erschienen, die eine ganze Reihe geschichtlicher Aufsätze enthält ( 1908). Wir heben zwei daraus hervor, weil ihnen eigene Forschung zugrunde liegt und weil sie mindestens zu Weiterem anregen: K. Aner handelt über Joachim II. als Kirchenpolitiker, den er nicht als schwankend angesehen wissen will und der ihm weder katholisch noch protestantisch zu sein scheint, sondern einen »dritten Typ« darstellt. An gleicher Stelle beleuchtet W. Wendland kenntnisreich den märkischen Pietismus. -- V. Herold hat nunmehr seine Untersuchungen über die erste lutherische Kirchenvisitation vollendet ( 1904), auf die bereits Jg. 1925 S. 511 und Jg. 1926 S. 532 hingewiesen wurde. Die Visitationen der Jahre 1541 bis 1545 werden in diesem letzten Teile behandelt. An Ausstellungen im einzelnen fehlt es nicht (vgl. Forschgn. brand. preuß. Gesch. 40, S. 366 f.), aber wir möchten doch das Positive der Arbeit hervorheben, die zum ersten Male uns ein Bild von der grundlegenden Arbeit der Visitatoren gibt. -- So stark diese Männer auch gelegentlich die kirchlichen Institute


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beschnitten, in das Domkapitel Havelberg haben sie ebensowenig Bresche legen können, wie es dem Kurfürsten gelang. Gerade die Entwicklung dieses bis zum Ende der fünfziger Jahre noch katholischen Kapitels, das erst 1581 neue Statuten erhielt und damit evangelischen Charakter annahm, bietet genug des Erforschenswerten. Erfreulicherweise hat sich ein so sorgsamer Forscher wie Johs. Heckel ans Werk gemacht. Leider sind es nur Ausschnitte, die er bringt ( 1906): die Reformation selbst ein knapper Abriß der evangelischen Stiftsverfassung und die 1819 erfolgte Säkularisation. Ein besonderer Wert, weil hier sorgfältig Neuland beackert wird, kommt dem zweiten Thema zu. -- Die Grundlage der evangelischen Kirchenverfassung bildete die Visitations- und Konsistorialordnung von 1573. Seit 1637 hat man sie ändern wollen, in häufigen ertraglosen Versuchen, die B. v. Bonin bis zum Ende des 17. Jhds. verfolgt ( 1905). -- In eine unerfreuliche Episode der Berliner Kirchengeschichte, die 1796 geschehene Amtsentsetzung des Predigers Brumbey und ihre Ursachen, bringen zwei Aufsätze von P. Schwartz und K. Walter Licht ( 1907) und erweitern unsere Kenntnis von Bewegungen, die nur auf dem Boden des Woellnerschen Religionsediktes recht verständlich sind. -- Dem Katholizismus im evangelischen Brandenburg ist, was seine Geschichte angeht, bisher viel zu wenig Beachtung geschenkt worden. Einer ins Weitere gerichteten Arbeit von Joh. Heckel über die Besetzung katholischer fiskalischem Patronat unterstehender Pfarrstellen wird auch für die Religionsgeschichte der Mark, vor allem nach der staats- und kirchenrechtlichen Seite hin, manches Wohlerwogene zu entnehmen sein ( 1805). -- Eines Beitrages zur Kirchengeschichte der Stadt Züllichau von W. Wendland ( 1909) haben wir schon im Abschnitt III gedacht.


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