III. Die historische Landeskunde,

die jetzt in allen Landschaften eifrig bearbeitet wird, hat die meisten Beiträge aufzuweisen. Vor den Arbeiten, die nur einzelne Teile des niedersächsischen Forschungsgebietes behandeln, ist eine Abhandlung zu besprechen, die das ganze Land zwischen Weser und Fulda einerseits, Elbe und Saale andererseits in Betracht zieht. L. Hüttebräuker ( 726) bestimmt die territorialen Grundlagen des Herzogtums Braunschweig- Lüneburg von 1235 in seinen einzelnen Stücken und untersucht sie nach Herkunft und Schicksal. Der zweite, zugleich größte Teil der Arbeit über den umfangreichen ländlichen Einzelbesitz ist -- vor allem für die Lokalforschung -- der wertvollste, zumal die auf Grund eingehender Quellen- und Literaturstudien gewonnenen Ergebnisse in die Form eines alphabetischen Registers gebracht sind und eine große Karte beigegeben ist, auf der alle Ortschaften, in denen welfischer Besitz nachweisbar ist, farbig unterstrichen sind. Der dritte Teil handelt von den Grafschaften.

Nimmt diese Abhandlung unter den »Studien und Vorarbeiten zum historischen Atlas von Niedersachsen« dadurch eine Sonderstellung ein, daß sie ein so großes Gebiet wie den gesamten welfischen Allodialbesitz behandelt, so liegen bei einer anderen Arbeit die Verhältnisse gerade umgekehrt. Eine zusammenfassende Monographie, wie sie das Flachland der großen Territorien gestattete, verbot im Süden das Bergland mit seiner Zersplitterung. So verfolgte G. Wolters ( 1341) die Befestigung der welfischen Landeshoheit nur in einem Teilgebiete des Fürstentums Göttingen: im Amte Friedland und im Gerichte Leineberg. Die Stadt Göttingen, Kurmainz und Hessen besaßen hier Hoheitsrechte, gegen die sich die landesfürstliche einheitliche Lokalverwaltung durchzusetzen hatte. -- W. Hartmann ( 397) sieht mit Recht in der älteren Flurkarte, die anläßlich der Verkoppelung im Jahre 1853 die Grundlage für die Neuaufteilung der Feldmark bildete, eine Geschichtsquelle ersten Ranges und verwendet sie im Zusammenhang mit älteren archivalischen Nachrichten dazu, an einem Objekt -- Brullsen in der Grafschaft Spiegelberg -- den Weg der Forschung zu zeigen und die Methode der Untersuchung darzulegen. Würde man von anderen Dörfern ähnliche eindrucksvolle Schilderungen der Entwicklung des Dorfbildes und der Dorfflur erhalten, so könnte man bald für die Siedlungsgeschichte Niedersachsens zu bedeutsamen und gesicherten Ergebnissen kommen. -- P. Siedentopf ( 212) will die Entwicklung Hannovers vom Gesichtspunkt


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der Siedelung, der nach und nach einsetzenden Stadterweiterungen und des baulichen Werdeganges aus beschreiben und stützt sich hierbei auf Vorzeitfunde und Flurnamen. Der kleinen Schrift, die ursprünglich in der Jubiläumsausgabe des Pokrantzschen Adreßbuches von Hannover abgedruckt war, sind Stadtansichten und Pläne beigegeben, von denen der »geschichtliche Plan« (im Offsetdruck) besonders hervorzuheben ist. -- K. F. Leonhardt ( 212) knüpft an seine beiden Aufsätze »Straßen und Häuser im alten Hannover« (vgl. Jahresbericht 2, 541 no. 698), in denen er die Entwicklung der Altstadt an den einzelnen Grundstücken aufzuweisen sucht, an und untersucht in gleicher Weise die Calenberger Neustadt, die bis 1824 selbständig bestanden hat. Einleitend legt der Verfasser seine Ansicht über die Anfänge Hannovers nieder.

Über die Siedlungsgeschichte des Osnabrücker Landes sind in neuerer Zeit mehrere Untersuchungen veröffentlicht. Davon sind R. Martinys Aufsätze im Jahresbericht 1, 516 no 560 und 2, 541 no 560 und H. Schloemanns Arbeit im Jahresbericht 1, 519 no 561 besprochen. J. Vincke ( 393) faßt für die Zeit bis zum ausgehenden MA. die bisherigen Ergebnisse zusammen und führt sie auf Grund archivalischen Materials, mit dem er Kenntnis des Landes verbindet, weiter. Seine Untersuchung zeigt, daß im Osnabrücker Lande vom Beginn der Siedelung bis zum Ende des MA. die Besiedelung in der Hauptsache »durch die freie Initiative der eingesessenen Bauern« durchgeführt wurde. -- Einen weiteren Beitrag zur Siedlungsgeographie Nordwestdeutschlands liefert C. Baasen ( 395) in seiner Untersuchung über das »Oldenburger Ammerland«. In diesem geschlossenen engbegrenzten Gebiete -- einer kleinen, aber typischen Geestlandschaft -- brachte gewissenhafte Bearbeitung an Ort und Stelle in Verbindung mit dem Studium der Fachliteratur dem Verfasser eine so gründliche Sachkenntnis, daß sie das Werk als Einführung in die siedlungsgeschichtlichen Probleme der nordwestdeutschen Landschaft geeignet erscheinen läßt. Außer einer ungedruckten Dissertation des Jahres 1924 von R. G. Bremer über die ländlichen Siedlungstypen lag bisher keine Arbeit vor, die sich mit der Siedlungsgeographie Oldenburgs beschäftigte. -- Eingehendere siedlungsgeographische Untersuchungen über Ostfriesland fehlten ebenfalls bisher ganz. Daher ist eine Göttinger Dissertation zu begrüßen, die sich freilich bei der Größe des Untersuchungsgebietes auf eine Übersicht beschränken muß. N. Harders ( 396) betrachtet nach einer allgemeinen Behandlung Ostfrieslands als Siedlungsgebiet die heutigen Siedlungsverhältnisse und erschließt daraus die historische Entwicklung des Siedlungsbildes. Der Verfasser stützt sich ebenso wie die genannten Bearbeiter von Osnabrück und Oldenburg nicht nur auf das Studium von Karten und archivalischen Quellen, sondern auch auf eigene Anschauung. Den Ortsnamen wird dabei ein besonderer Abschnitt gewidmet.


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