II. Kirchengeschichte. Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte. Heimatkunde.

T. O. Achelis (Die Anfänge d. evang. Kirchenregiments in d. Propstei Tondern. Jb. d. nordfries. Ver. f. Heimatkde. 14, 62--68) gibt einen knappen, klaren Überblick über die Entwicklung der kirchlichen Verhältnisse an der Westküste des Herzogtums Schleswig nach der Reformation, vor allem des evangelischen Kirchenregiments in der Propstei Tondern, die überhaupt erst im 16. und 17. Jhd. gebildet worden ist. Anton Reyer war der erste Propst. Jedenfalls ist A.s Studie durch die Feststellung der Namen, Herkunft und Laufbahn der verschiedenen Tonderner Pröpste aufschlußreich, sowohl vom allgemeinen kulturgeschichtlichen wie insbesondere vom personalgeschichtlichen Standpunkt aus.

Einen brauchbaren Grundriß der überaus verwickelten Verfassungsgeschichte Dithmarschens bietet F. Lemke ( 1384a) auf Grund archivalischer Studien. Der bisher keineswegs ausreichend untersuchte Zeitraum von 1559 bis 1867, in dem Dithmarschen nach Einbuße seiner Freiheit in ein anderes Staatswesen eingefügt werden sollte, hat hier eingehende Berücksichtigung gefunden, ebenso wie die bis ins 19. Jhd. währenden Kämpfe um die Verwaltungsbezirke. -- R. Haff ( 1434) zeichnet in einer Studie über Feld- und Wiesengemeinschaften der Insel Föhr ein Bild von Zuständen, die in Niederdeutschland und auch im Süden schon im Mittelalter in der Hauptsache verschwunden sind, aber auf Föhr und Sylt bis ins 18. Jhd. bestanden, auf den Halligen und


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in Övenum auf Föhr sogar bis in die Gegenwart hineinragen. Gegenüber O. Nielsens abweichender Ansicht beweist H., daß es sich bei den Einkünften, die nach Waldemars II. Erdbuch aus Osterland und Westerland auf Föhr 54 Mark reinen Silbers betrugen, nicht, wie bei den übrigen Inseln Nordfrieslands, um Abgaben vom Krongute, sondern um solche der ganzen Insel gehandelt habe. H. kann sich dabei auf die Aufteilung der Acker-, Heide- und Marschgemeinschaft berufen und auf die Verordnungen der schleswig-holsteinischen Landkommission vom 17. Juni 1772, wonach das Krongut auf Föhr einen bedeutenden Umfang hatte. Sodann zeigt H., daß, während sonst in Dänemark und Schleswig-Holstein bei der Aufteilung im 18. Jhd. das Schwergewicht auf die Verkoppelung der bereits in Einzeleigentum stehenden Acker- und Wiesenparzellen, sowie auf die Gemeinlandverteilung gelegt worden ist, man in Föhr sich genötigt sah, zuerst die uralten Weide- und Wiesengemeinschaften im Marschgebiete durch Aufteilung zu beseitigen. Da die den einzelnen Vollbauern zufallenden Parzellen in der Regel nicht so groß waren, daß auf der Insel, wie dies auf dem Festland der Fall war, Koppeln geschaffen werden konnten, so erklärt es sich, daß das Aussehen der Fluren auf Föhr ganz anders als auf dem gegenüberliegenden Festlande sich gestaltete: die Flurverfassung Föhrs ist mit ihren kleinen Fennen mehr den noch nicht von der Verkoppelung oder Flurbereinigung berührten Gebieten Mittel- und Süddeutschlands ähnlich.

F. Hähnsen ( 1562) beschreibt, wie der Wandel der großen politischen Verhältnisse wie schon früher, so auch in den letzten drei Jahrhunderten für die Quellen des Flensburger Wirtschaftslebens richtunggebend waren. So schuf auch erst die Vereinigung der einzelnen schleswig-holsteinischen Teilfürstentümer im dänischen Gesamtstaat, 1773, die Grundlage für eine große Blütezeit der Flensburger Wirtschaft, die unter dem Schutz der Staatsleitung der beiden Bernstorffs zugleich eine besondere vielgenannte Flensburger Wirtschaftsgesinnung aufkommen ließ, die den Handel der Politik gleichsetzte. Entscheidend war dabei der günstige Aktivhandel mit dem bis 1814 zum Gesamtstaat gehörenden Norwegen, und zwar war die Eigenreederei das Kernstück des Reichtums der Flensburger Kaufleute. Nach dem Ablauf dieser Ära hat der Eigenhandel mit Westindien bis 1848 Vorteile gebracht, bis dann durch die Kriege von 1848 bis 1864 eine starke Schädigung eintrat, die erst durch einen neuen ungeahnten Aufschwung wieder beseitigt wurde, so daß Flensburg 1910 mit seinen 17 Reedereien auf den ersten Platz der Ostseeküste sich emporgearbeitet hatte. Großhandel, Industrie, Einzelhandel und Handwerk waren mit der Reederei aufs engste verknüpft und brachten es in dieser Verbindung zu derartigem Reichtum und Ansehen. -- R. Blunck ( 1561) gibt ein Beispiel dafür, daß es möglich ist, bei verhältnismäßig ungünstigen allgemeinen Vorbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen, und zwar durch Schutzzölle eine Industrie zur Entwicklung zu bringen. Überzeugend weist er nach, daß, wenn schon 1839 ein Anschluß Holsteins an den Deutschen Zollverein vollzogen worden wäre, die Tuchmacher in Neumünster dem gleichen furchtbaren Schicksal anheimgefallen wären wie die im übrigen Deutschland.

Einer der besten Kenner schleswig-holsteinischen Volkstums, O. Lehmann ( 531a) liefert eine im guten Sinne des Wortes volkstümliche, auf größter Sachkenntnis beruhende Einführung in die verschiedenen Typen des schleswig-holsteinischen


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Bauernhauses. Er legt dar, daß das Bauernhaus ein natürlich entstandenes Gebilde ist, das nach den Gesetzen des organischen Geschehens sich entwickelt hat. Auch die Einflüsse fremden Volkstums werden auf Schritt und Tritt mit tiefem Verständnis aufgedeckt. Abgesehen von den prächtigen, zum Teil erstmalig veröffentlichten Abbildungen ist die vorzüglich instruktive Karte über die Verbreitung der verschiedenen Hausformen in Schleswig-Holstein eine hervorragende Illustration zu dem klar und eindrucksvoll geschriebenen Text. -- Reich und schön illustriert ist auch H. Philippsens auf langjährigen Forschungen und Beobachtungen fußende treffliche kleine Geschichte der Stadt Schleswig ( 210a), die mit ihren unmittelbaren Hinweisen auf die Bauten und Denkmäler einen historischen Führer durch das heutige Schleswig zugleich bildet. Neben der Schilderung der »Gottorper Kultur« des 16. und 17. Jhds. verdient namentlich der Abschnitt über die Zeit der Statthalterschaft des Prinzen Carl von Hessen mit ihren kulturellen Bestrebungen lebhafte Anerkennung.


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