I. Allgemeine Quellenkunde. Bibliographie und Genealogie.

In vorbildlicher Übersetzung ist von Paul Bretschneider ( 1691) das seit langem vergriffene, von G. A. H. Stenzel im lateinischen Urtext herausgegebene Gründungsbuch des Klosters Heinrichau (Liber fundationis claustri Sanctae Mariae Virginis in Heinrichow, Bresl. 1854) anläßlich der 700-Jahrfeier der Gründung dieses Klosters ins Deutsche übertragen und damit eine der wichtigsten und ältesten schlesischen Geschichtsquellen, die namentlich für die Kolonisationsgeschichte des Ostens von größter Bedeutung ist, einem breiten Leserkreise zugänglich gemacht worden. Unter den vorliegenden Besprechungen über dieses mit zahlreichen neuen Anmerkungen, Berichtigungen und Ergänzungen versehene Werk sei namentlich auf die sehr eingehende Würdigung von H. F. Schmid in der Zeitschr. d. Savigny-Stiftung, Germ. Abt. Bd. 48 (1928, S. 627/629) und (in polnischer Sprache) von Zofja Kozlowska-Budkowa im Kwartalnik Historyczny, Jhg. XLII, Heft 3 (1928), S. 603 f., verwiesen, die unter voller Anerkennung der flüssigen Übersetzung auch auf einige Irrtümer aufmerksam machen, die durch nicht genügende Beachtung der einschlägigen neueren polnischen Literatur entstanden sind. Zu der Studie Schieches ( 734) über ein Formularbuch des Johann v. Neumarkt vgl. Jahresberr. 1926, S. 562 f. -- Von dem die Jahre 1338--1342 umfassenden neuen Bande der Regesten zur Schlesischen Geschichte (Cod. dipl. Sil. XXX), dessen erste Doppellieferung 1925 erschien, veröffentlichten dessen beide Bearbeiter K. Wurtke und E. Randt


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§ 52. Schlesien. die Lieferung 3/4 ( 131), die die Gesamtschlesien betreffenden Urkunden der Jahre 1339 u. 1340 kritisch verzeichnet. Die Schlußlieferung einschließlich der Register ist Anfang 1930 zu erwarten. -- R. Jecht veröffentlicht die Schlußlieferung ( 130) zu Cod. dipl. Lusatiae superioris, Bd. IV (Oberlausitzer Urkunden unter König Albrecht II. und Ladislaus Posthumus), dessen erstes Heft bereits 1911 erschien. Mit diesem 1244 Druckseiten starken Bande schließt R. Jecht seine so verdienstvolle und allgemein anerkannte Tätigkeit als Herausgeber Oberlausitzer Urkunden, die ein Menschenalter lang (seit 1895) einen Hauptteil seiner historischen Studien ausmachte, ab. Der vorliegende, die Oberlausitz urkundlich für die Jahre 1437--1457 festlegende Band enthält als Grundstock wieder die Görlitzer Ratsrechnungen, die jetzt von 1375--1457 gedruckt sind. Daneben treten die von A. Seeliger bearbeiteten Ratsrechnungen der kleinsten Sechsstadt Löbau und in reicherem Umfange als bisher Urkunden unter anderen auch des Bautzener, Löbauer, Laubaner und Kamenzer Stadtarchivs und Auszüge aus Statuten,- Stadt- und Gerichtsbüchern und den Annalen des Urkundensammlers Skultet auf. Das umfangreiche, 9 Druckbogen umfassende Orts-, Personen- und Sachregister zum ganzen Bande, das in reicher Fülle die vielfachen Beziehungen zu Schlesien zeigt, ist von Fr. Pietsch mit großer Sorgfalt bearbeitet. Über einige Berichtigungen zu dieser ausgezeichneten Publikation vgl. C. A. Seeliger im Neuen Lausitzer Magazin, Bd. 103, S. 258 f.

Dem im Vorjahre erschienenen Vol. 7 (s. Jahresber. 1926, S. 563) des Corpus Schwenckfeldianorum folgte bereits in gleicher Stärke Vol. 8 ( 1843) das mit 80 Dokumenten die Zeit vom 1. Jan. 1542--20. März 1544 behandelt. Schwenckfeld ließ damals von Schwaben aus verschiedene Abschriften seiner »Confession« zirkulieren, während Lutheraner und Zwinglianer ihm in jenen Jahren mit ihren Angriffen hart zusetzten. In der wachsenden Zahl seiner Freunde jeden Ranges, die ihn förderten und schützten, nahmen Landgraf Philipp von Hessen und der Hof des Markgrafen Ernst von Baden die erste Stelle ein. Die abgedruckten Dokumente und die Mitteilungen über verlorene Korrespondenzen sind in der Hauptsache theologischen Inhalts, enthalten aber auch weiter starke Beziehungen zu Schlesien, das wiederzusehen Schwenckfeld trotz der ablehnenden Haltung des Herzogs Friedrich II. von Liegnitz weiter Anstrengungen machte, wie die in diesem Bande aus Wiener Archiven mitgeteilten Paß-Verhandlungen Schwenckfelds zeigen. Seine Korrespondenz dieser Jahre enthält einige Briefe auch an seine schlesischen Freunde, sowie zahlreiche Beziehungen zu den schlesischen Schwenckfeldern überhaupt, wie auch zu schlesischen Reformatoren wie Johann Hess und Dominikus Schleupner in Breslau.

Die schnell fortschreitende Inventarisation der nichtstaatlichen Archive Schlesiens ist für das nordwestliche Niederschlesien durch E. Graber ( 54) und seine Mitarbeiter mit dem Band Sagan nun abgeschlossen. Sehr wertvoll sind darin die Zusammenstellung der historisch wichtigsten Stücke des eigentlichen herzogl. Hausarchivs zu Sagan und das vollständige Verzeichnis der bis dahin in Sagan befindlichen Urkunden und Akten der Registraturen der früheren Behörden des Fürstentums (jetzt im Bresl. Staatsarchiv), die die bisherigen Breslauer Bestände, wie das in Dresden, im Lobkowitzschen Archiv zu Raudnitz und in Berlin aufbewahrte Quellenmaterial wesentlich ergänzen. Von besonderer


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und allgemeiner Bedeutung sind die verzeichneten Manuskripte der herzogl. Lehnsbibliothek, die mitgeteilten Stücke aus der sehr umfangreichen Autographensammlung und das Verzeichnis des ungewöhnlich großen und gehaltvollen Briefwechsels der Herzogin Dorothea zu Sagan, Herzogin von Dino, (geb. 1793 als Tochter des Herzogs Peter v. Kurland, der 1786 das Fürstentum Sagan erwarb), den sie mit Politikern aller Nationen, den Mitgliedern des Kgl. Preuß. Hauses, deutscher und ausländischer Herrscherhäuser, mit Gelehrten, Schriftstellern, Künstlern usw. geführt hat. Auch die Geschichte des alten Fürstentums Sagan unter piastischen und sächsischen Fürsten, den Herren von Promnitz, Wallenstein, den Fürsten Lobkowitz, den Herzogen von Kurland und den Talleyrands geht über den schlesischen Rahmen vielfach hinaus, während das reiche Saganer Stadtarchiv und die Archive von Priebus, Naumburg am Bober, Freiwaldau und Halbau und endlich die wenig inhaltsreichen Gemeinde-, Dominial- und Pfarrarchive nur von vorwiegend lokalem Interesse sind. -- Vorzugsweise örtliche Bedeutung hat auch das im Offsetverfahren in nur 150 Exemplaren hergestellte und von P. Bretschneider ( 132) bearbeitete Urkundenbuch der Stadt Münsterberg bis z. J. 1316 (Teil II [1317--1337] erschien 1928), das die für die Stadt wichtigsten Urkunden im vollständigen Wortlaut bringt. Neben einigen bisher unbekannten Urkunden werden aber auch viele wertvolle Berichtigungen zu den Schlesischen Regesten mitgeteilt, die sich aus der genauen Ortskenntnis des Verfassers ergaben. -- (Vgl. zur Quellenkunde auch unter Kapitel VII.)

Der von W. Schulte (Darstell. u. Quellen z. Schles. Gesch., Bd. I) als Hauptergebnis seiner Untersuchungen vertretenen Auffassung, daß die zu den hervorragendsten schlesischen Quellen zählende Chronica principum Poloniae eine national-polnische Tendenz enthalte und ihr Verfasser ein Pole und Vorläufer des Joh. Długosch von Krakau sei, tritt A. Schaube ( 741) mit neuen Forschungsergebnissen aus den fragmentarischen Quellen über die Person und den Lebensgang des Verfassers überzeugend entgegen. Er weist nach, daß der Kanonikus an der Brieger Kollegiatkirche Peter Bitschen weder ein Pole, noch von polnischer Gesinnung war. Die Geschichte des Fürstentums Brieg in ihren Hauptzügen mit Berücksichtigung aller seiner Verzweigungen und der genealogischen Zusammenhänge zu schreiben, war die Aufgabe, die er von seinem dafür auf das lebhafteste interessierten Landesherrn übernommen hatte. Im Gegensatz zu dem leidenschaftlichen Nationalpolen Joh. Długosch lag dem deutschen Schlesier Peter Bitschen politische Tendenz durchaus fern. Dadurch, daß das Brieger Fürstenhaus, wie die Piasten überhaupt, polnischen Ursprungs war, konnte der Schein entstehen, daß die Sympathien des Verfassers, der naturgemäß auch die polnischen Herrscher als Vorfahren seines Fürsten zu behandeln hatte, dem Polentum gehörten. Er wollte kein umfassendes Annalenwerk, wie Schulte es nennt, sondern eine Fürstenchronik des Gesamthauses der Piasten bis auf seine Zeit schreiben. -- J. Gottschalk ( 1502) weist die von J. Heyne (Bistumsgeschichte I, 624/64) nach der Handschrift des Bresl. Diözesanarchivs auszüglich mitgeteilten und ohne nähere Untersuchungen dem 14. Jhd. zugeschriebenen Einkunftsregister des Breslauer Domkapitals und seiner Prälaten und Präbenden als aus ganz verschiedenen Zeiten stammend nach. Die Hs. beruft sich zwar auf ein »antiquum regestum« des 14. Jhd., aber die Abgaben, Hufenzahl usw. bei den Eigendörfern sind der Zeit um 1600 entnommen. Als


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Teil eines alten, zweifellos ins 14. Jhd. zurückgehenden Einkunftsregisters nach dem Muster eines liber fundationis (vgl. Jahresbericht 1926, S. 564) entdeckte er in Prozeßakten des 16. Jhd. ein Fragment, dessen Veröffentlichung im größeren Zusammenhang er verspricht.

Bibliographie:

V. Loewe bearbeitete und veröffentlichte als Bd. I der von der Historischen Kommission für Schlesien in Angriff genommenen umfassenden Schlesischen Bibliographie die Bibliographie der Schlesischen Geschichte ( 18). Kritische Sichtung des Stoffes und Trennung des Wesentlichen vom Unwesentlichen mußte die Richtschnur für die Bearbeitung dieser wissenschaftlichen Bibliographie sein, die -- auf den Literaturzusammenstellungen von Partsch, Nentwig, Wendt und Belléc fußend -- in erster Linie die Literatur über das staatliche und politische Leben, dann die der historischen Landeskunde, der Rechts- und Verfassungs-, Wirtschafts-, Kirchen-, Schul- und Bildungsgeschichte im Rahmen der heutigen Provinzen Nieder- und Oberschlesien einschließlich der allgemeingeschichtlichen Literatur des ehemals österreichischen Schlesiens, doch mit Ausnahme der früher zur Oberlausitz gehörigen Kreise, verzeichnet. Vorgeschichte, Volkskunde, Kunst und Literatur sind nicht mitbehandelt, da sie in besonderen -- z. T. 1928 bereits erschienenen bzw. z. Z. im Druck befindlichen -- Bänden der Schlesischen Bibliographie verzeichnet sind, bzw. werden. Das ausgezeichnete Handbuch Loewes, das ein sicherer Führer durch die wissenschaftliche historische Literatur Schlesiens ist, erfordert bei einer Neuauflage hinsichtlich der seit dem Kriege erschienenen ungemein starken polnischen und tschechischen Literatur manche Ergänzung, sowie die Umarbeitung des Registers (Stichworte) und die Anfügung des jetzt fehlenden Sachregisters. Hinsichtlich der allgemeinen Betrachtungen über Bibliographien zur Landesgeschichte zu Loewes Buch vgl. die Ausführungen von W. Dersch in Ztschr. d. Vereins f. Geschichte Schlesiens Bd. 62 (1928), S. 355 ff., wo auch weitere Ergänzungsvorschläge für eine Neuauflage gemacht sind. -- Während bei dieser Bibliographie in erster Linie eine scharfe Kritik aus der Fülle der Heimatliteratur das wissenschaftlich Wertvolle herausschälen mußte, ist in dem fast gleichzeitig von K. Kaisig und H. Bellée unter Mitarbeit von Lena Vogt bearbeiteten und herausgegebenen oberschlesischen Literaturnachweis ( 19) für die mehr lokal-praktischen Bedürfnisse dieser Bibliographie der Gesichtspunkt der Vollständigkeit stärker in den Vordergrund gestellt. Es ist dies eine fast vollständige Sammlung des gesamten über Oberschlesien im Rahmen seiner Grenzen vor der Zerreißung des Landes nach dem Weltkrieg vorhandenen historischen Schrifttums. Aus dem Gebiet der Naturwissenschaften, Volkswirtschaft, Technik und der Erzählungsliteratur sind absichtlich nur die wichtigeren Erscheinungen aufgenommen worden. Ein besonderer Vorzug dieses auch die Schlesien betreffende polnisch-tschechische Literatur stark berücksichtigenden Literaturnachweises ist u. a. die Aufnahme eines Verzeichnisses von Karten und Stadtplänen und das sehr sorgfältige und umfangreiche Orts-, Personen- und Sachregister, das die Benutzung ungemein erleichtert.

Genealogie:

Gegenüber Reiches Untersuchungen über die Herkunft des Peter Wlast (Jahresb. 1926, S. 564) stellt Fed. v. Heydebrand und der Lasa in seiner den genealogischen Zusammenhängen des altpolnischen Magnatentums nachgehenden Abhandlung ( 730) neue, z. T. anfechtbare Behauptungen auf, hinsichtlich deren H. F. Schmid in der Ztschr. d. Ver. f. Gesch.


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Schlesiens Bd. 62 (1928), S. 345 Anm. 5, auf die den beiden vorgenannten Autoren unbekannt gebliebene Abhandlung von F. Friedberg, Ród Łabędziów w wiekach średnich (Das Geschlecht der »Schwäne« im Mittelalter), Rocznik Towarzystwa Heraldycznego w Lwowie VII, Kraków 1926, S. 1--100, verweist, die viele der von Reiche und Heydebrand angeschnittenen Fragen bereits gelöst hat. -- Nur als Vermutung spricht K. Wutke ( 327 a) aus, daß die Heimat des nach Schlesien eingewanderten Wallonengeschlechts der »Gallici« (deutsch Walch, polnisch Włoch) -- als deren erste Vertreter die am Hofe der Herzöge Heinrich III. und Heinrich IV. von Breslau bekannten Gebrüder Eberhard und Simon Gallici in den verschiedensten Hof- und Staatsstellungen als Palatin, Hofrichter, Kastellan, Prokurator usw. erscheinen und die selbst eine bedeutende kolonisatorische Tätigkeit entfalteten -- in der Wallonenkolonie der Namslauer Gegend zu suchen sein könnte. Der Aufsatz gibt weiter neben einer Fülle von genealogischen Nachrichten über dieses bedeutsame Adelsgeschlecht eine tabellarische Übersicht der Gallici. -- Der (1912--1923) in 4 Bänden erschienenen »Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter (1635--1815)« läßt W. v. Bötticher ( 318) als Ergänzung zu H. Knothes 1879 erschienener, bereits den Adel des Görlitzer Weichbildes berücksichtigenden, Geschichte des Oberlausitzer Adels vom 13. bis Ende des 14. Jhd. eine auf dem reichhaltigen archivalischen Material der Stadt Görlitz fußende Darstellung des Adels des Görlitzer Weichbildes um die Wende des 14. und 15. Jhd. in alphabetischer Anordnung folgen, die zugleich eine Gütergeschichte dieses Gebietes ist. Die vielfachen schlesischen Beziehungen machen dies Buch auch zu einem unentbehrlichen Handbuch der schlesischen Adelsgeschichte.


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