2. Historische Landeskunde, einschließlich Ortsgeschichte.

H. Beschorners Aufsatz ( 505) vermittelt einen klaren Begriff von der Bedeutung der Ortsnamenforschung für Sachsen und auch für Deutschland -- namentlich soweit es die deutschen Siedlungen gegenüber dem Slawentum zu bestimmen gilt. Er erörtert weiter, wie die Flurnamensammlung in Sachsen durchgeführt ist, und stellt in einem sorgfältigen Anhang die nach Verfassernamen alphabetisch geordneten Arbeiten über Wüstungen im Gebiete des Freistaates Sachsen zusammen.


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-- Über Geppert's ( 404) bereits im Vorjahre als maschinenschriftliche Dissertation vorliegende Arbeit: Die Burgen und Städte bei Thietmar von Merseburg vgl. Jahresberr. 1926 S. 277.

H. Gröger ( 781) ist mir nur nach dem Auszug im Jahrbuch der Philos. Fakultät Leipzig 1922 bekannt und erweckt danach den Eindruck, daß die Arbeit zwar nicht besonders neu in ihren Ergebnissen, aber abwägend im Urteil ist. Entgegen dem Titel spricht der Auszug freilich in der Hauptsache von den Burgen, während wir über die Ausbildung der dazu gehörigen Herrschaften nur mit ein paar Worten abgespeist werden. Die Burgen schaffen vor allem die Grenzsicherung gegen Böhmen, bis diese mit dem Unglücksvertrage von Eger 1459 für Sachsen-Meißen tatsächlich hinfällig wurde. --

Die Arbeit von J. Leipoldt ( 408) ist als Dissertation in Leipzig schon 1925 eingereicht worden, der Druck als 36. Jhrschr. des Ver. f. voigtl. Gesch. berücksichtigt aber noch die Forschungsergebnisse bis Juli 1927. Ungewöhnlicher Fleiß und eine bemerkenswerte Selbständigkeit im Urteil wie in der Methode der Untersuchung führen zu Ergebnissen, die über den Rahmen des behandelten Gebietes hinaus Beachtung verdienen. Von den geographischen Bedingtheiten aus werden die Siedlungsformen in allgemeinen erörtert und dann die sprachlichen Erscheinungen besprochen, die für die Herkunft der Siedler zu beachten sind. Dann erstehen die geschichtlichen Zusammenhänge vor uns: von der Vorgeschichte und der deutschen Eroberung bis zur ostdeutschen Kolonisation. Bei der Kolonisation behandelt L. zunächst die umgebenden Nachbargebiete und weiterhin die territoriale Entwicklung im engeren Vogtlande in Gruppen nach erkennbaren Sonderbezirken. Hierbei werden für das Vogtland auch kirchliche Entwicklung, soziale Schichtung und Bevölkerungsmischung überblickt, soweit die Quellen sie erkennen lassen.

O. E. Schmidt ( 413) versucht, die Besiedelung des sächsischen Elbkessels und die Anfänge von Dresden in neuen Farben zu schildern, verliert sich aber m. E. dabei doch zu sehr in den reflektierenden Ton seiner Kursächs. Streifzüge. Die Gegenüberstellung von deutschem Rundling und slawischem Quellweiler werden in dieser Bestimmtheit wohl nur wenige Siedlungsforscher annehmen, die Schlüsse aus den Urkunden hingegen wird mancher anzweifeln, dem strenge Sachlichkeit mehr als dichterische Beschwingtheit gilt (S. 35, 47 f.) Zu Pirna bringt Meiche ( 220) umfassendere Unterlagen, die freilich Schm. bei der Abfassung seines Aufsatzes noch nicht zugänglich waren. Für die Anfänge von Dresden scheint mir die Unterscheidung zwischen damaligen und späteren Verhältnissen nicht scharf genug zu sein. --

M. Kästner ( 411) zeigt in gründlicher Untersuchung -- erst für die Zeit von 1700 bis zur Gegenwart und dann im Verfolg der Stadt- und Kaufbücher auch für 1500 bis 1700 -- daß die sogenannten Anspännergüter in Frankenberg die Reste alter Hufen sind. Somit ist die Stadt Frankenberg aus einem kurzen Reihendorfe hervorgegangen, das wahrscheinlich im 12. Jhd. gegründet worden ist. Ein Hufenstreifen ist noch für 1510 fast vollständig nachzuweisen. Die Untersuchung Kästners mahnt zur Vorsicht, daß die Möglichkeit solcher Entstehung auch bei anderen Städten im ostdt. Kolonisationsgebiete mehr beachtet werden muß.

J. Langer ( 412) erhärtet in geographisch-rechnerischer Untersuchungsmethode eine Vermutung R. Kötzschkes, daß Freiberg mit seinen 24 Ratsleuten


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eine besondere Stellung unter den deutschen Städtegründungen behauptete, vor allem weil diese Ratsleute zugleich Lokatoren gewesen seien. Flurkroki von 1842 mit Flurbuch und die Flurnamenmappe des HStA. Dresden sind die Hauptquellen für L.s Untersuchung der Flur- und Hufenverteilung in und um Freiberg. Die 24 Ratsmannen erscheinen danach in der Tat als »eine Gruppe von Unternehmern wie das Unternehmerkonsortium in Lübeck« und setzen sich wohl zusammen aus 12 der Sächsstadt (bergmännischer Betätigung) und 12 der Oberstadt (kaufmännischer Betätigung), wobei eine Gebundenheit an die ursprüngliche Flureinteilung in 24 Hufenanteile als sicher anzunehmen ist. Der treffliche Aufsatz geht zwar hauptsächlich von geographischen Betrachtungen aus, ist aber geschichtlich gut gegründet und sollte darum mit seiner Methode und mit seinen Ergebnissen von keinem Siedelungsforscher übersehen werden. --

Gotha, das Buch einer deutschen Stadt ( 216). Heft I behandelt die natürlichen Grundlagen der Siedelung Gotha in 4 Abschnitten: geographische Lage, geologischen Aufbau, Volkskunde und Bilder aus der Vorgeschichte. Das Buch der Stadt Gotha will nicht so sehr der Wissenschaft dienen als vielmehr ein Heimatbuch sein und die gesamte Entwicklung der Stadt allgemeinverständlich darstellen und in guten Bild- und Schriftbeigaben festhalten.

K. Reumuth (Heimatgeschichte für Leipzig ... Bearb. von R. Kötzschke u. a. VIII, 308, XXV S.) hat als Herausgeber verstanden, eine von Fachgelehrten geschriebene Heimatgeschichte für Leipzig und Umkreis herauszubringen, die in Anlage und Durchführung mustergültig ist. Sie wendet sich nach dem Vorwort des Herausgebers zwar in erster Linie an die neuen akademischen Volksschullehrer, um diese für den Geschichtsunterricht aus der Heimatgeschichte zu schulen, aber sie verdient, daß sich die Hoffnung des Herausgebers auf eine Wirkung in weitere Kreise erfüllen sollte. Auch der Historiker wird dieses Buch mit Nutz und Frommen lesen, denn ein gutes Stück der ganzen deutschen Geschichte spiegelt sich darin.

H. Gröger ( 407) schildert in seiner Studie auf archivalischen und literarischen Grundlagen zunächst die Zustände auf und um Burg Meißen bis ins 13. Jhd. Er führt dann weiterhin aus, daß zwar die Voraussetzungen für die Stadt Meißen bereits in den Gewaltenbereichen des Markgrafen, Bischofs und Burggrafen begründet sind, daß aber die eigentliche Stadt erst um 1205 von Mkg. Dietrich dem Bedrängten ins Leben gerufen worden ist.

A. Meiche ( 220) legt mit der Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna die Frucht langjähriger, mühseliger Sammelarbeit vor. In der Anlage A werden nach einem Entwurfe des im Kriege gefallenen Forschers A. Hennig die Ortsformen und Flurtypen vorangestellt, soweit sie für die A.H. Pirna in Betracht kommen. Anlage B bietet das Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen, namentlich bei archivalischen und literarischen Quellen, nun folgen die einzelnen Ortsangaben in alphabetischer Reihe. Wer schon einen bestimmten Anhalt für seine Forschungsgebiete hat, vermag nach dem Durchlesen einiger Artikel sofort festzustellen, was er nach der durchgängigen Anordnung erwarten kann: Flur, Name, Zugehörigkeit, Besitzer, Kirchliches, Nahrung, Verkehr, Gewerbe, Größe, Änderung des Ortsbildes durch Naturereignisse u. ä. Es ist nicht zu viel behauptet, daß kein anderer Verwaltungsbereich von der Größe der A.H. Pirna in Deutschland eine historischtopographische


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Beschreibung gleichen Umfangs und gleicher Gründlichkeit aufzuweisen hat. Allerdings wird es demgemäß noch lange dauern, bis die Früchte der treuen Einzelarbeit Meiches auch in den Scheuern aller einschlägigen Forschungsgebiete geborgen sind. Geschichte, mit fast allen ihren Hilfsfächern und Grenzgebieten, und Volkswirtschaft werden vor allem aus dem Werke Nutzen ziehen, aber auch für die Gesellschaftswissenschaft birgt es eine zunächst unübersehbare Fülle von Einzelerkenntnissen, die es in die Gesamtanschauung der sozialen Entwicklung vom Ausgang des M.A. bis zur Gegenwart zu verarbeiten gilt. --

A. Dietrich (Erzgebirg. Exulantendörfer. Crimmitschau. [409] zeigt, wie die sechs sogenannten Exulantendörfer in der Herrschaft Purschenstein und im Amte Frauenstein entstanden sind, und daß sie mit Recht so heißen, weil eben Exulanten aus Böhmen die Anreger und Hauptträger der Siedelarbeit nach dem 30 j. Kriege gewesen sind. In drei großen Wellen (1620, 1627 u. 1648) überfluteten die wegen ihres evangelischen Glaubens flüchtenden Deutschen und Tschechen von Böhmen her das Erzgebirge, und schließlich war nach dem großen Kriege ihre Anzahl in manchen Ortschaften so groß, daß nur neue Siedelungstätigkeit der Wohnungsnot abhelfen konnte. Im engen Kreise der Herrschaft Purschenstein war es möglich, diese Tätigkeit im einzelnen zu verfolgen, und darin liegt das Verdienst der Arbeit Dietrichs für andere gleichgeartete Forschungen. Wir erfahren, wie der Siedelungsvorgang sich zugetragen hat, welche Pflichten die neuen Untertanen auf sich nehmen mußten, wie die Höfe nacheinander durch Rodung entstehen und daher keinen einheitlichen Flurplan aufweisen und endlich auch -- aber freilich zu knapp --, wie sich das kulturelle Leben und der soziale Aufbau in den neuen Dörfern gestaltet hat. --

K. Hahn ( 1498) verfolgt den Zweig der Welser in Zwickau, der hier seit 1476 zunächst sehr stattlich aufzublühen schien, dann aber in »Armut und Dürftigkeit« im Ausgang des 16. Jhds. verdorrte. Peter Welser konnte 1476 an der Palästinafahrt Hz. Albrechts teilnehmen und heiratete später in die Zwickauer Ratsgeschlechter hinein. Bereits über die Kinder Peters kam das Unglück durch verfehlte Heiraten und durch verkrachte Spekulationen im Bergbau. Die weiteren Nachkommen sanken vollends in das Kleinbürgertum hinab und fristeten nur noch kümmerlich von Unterstützungen ihrer süddeutschen Verwandten das Leben. Der letzte empfing als Soldat 1611 noch einen Zehrgroschen des Rates und verdarb dann irgendwo im Kriege oder auf der Landstraße. --


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