6. Kultur- und Bildungsgeschichte.

J. Kleinpaul ( 2108) berichtet über


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die geschriebenen Zeitungen am sächsischen Hofe nach einer Sammlung im Dresdner Hauptstaatsarchiv. Er hält diese für ebenso reichhaltig wie die Fuggersche Sammlung in Wien, wenigstens in politischer Hinsicht. (Für das 16. Jhd. wäre nachzuholen, daß sehr viele Zeitungen für Moritzens Zeit in den Akten zu wichtigen Vorgängen stecken; so hat Moritz auch schon Magister Franz Kram seit 1546 als politischen Agenten im Auslande beschäftigt.) Kl.s Arbeit bezieht sich besonders auf Kf. August, der 1575 mit verschiedenen deutschen Fürsten ein Abkommen über gegenseitige Zeitungsvermittelung schloß und überhaupt jede Berichterstattung an ihn eifrig förderte. Kl. behandelt die Technik der Übermittlung und die einzelnen Schreiber, soweit sie bekannt sind, bis etwa 1660. Dann hörten mit dem Erscheinen der gedruckten »Leipziger Zeitung« seit 1. 1. 1660 die geschriebenen kostspieligen Zeitungen allmählich von selbst auf. Über den Inhalt der Zeitungen fallen nur einige Andeutungen.

R. Kötzschke ( 95) unterrichtet mit seinem Aufsatze zugleich kurz über die allgemeine Bedeutung der Universität Leipzig im 18. Jhd., wenn er sich auch im besonderen das Ziel gesetzt hat, die geschichtlichen Studien an ihr zu verfolgen. Der erste ordentliche Professor nur für Geschichte war J. B. Menke (1699--1732). Die historischen Hilfsfächer fanden z. T. schon Pflege in Leipzig, während die sächsische Geschichte bloß vorübergehend behandelt wurde und nicht zu einem ordentlichen Lehrstuhl kam. Glafey ist als ihr Vertreter für kurze Zeit zu nennen, obwohl er sein Hauptwerk »Kern der Geschichte usw.« erst als Archivdirektor in Dresden so ausbauen konnte, wie es noch heute vielfach benutzt wird. Als die wichtigsten Leipziger Lehrer der Geschichte im 18. Jhd. behandelt K. ausführlicher: Rechenberg, Menke, Mascov, Jöcher, Gottsched, Christ, Glafey, Ernesti, Boehme, Wenck und Weiße, der sich auch stärker mit sächsischer Geschichte beschäftigte.

Die Arbeit von H. Schuster ( 221) beruht auf den Grundlagen, die durch die Inventarisation der Kunstdenkmäler in Sachsen geschaffen worden sind. In wohl erschöpfender Weise zieht sie Akten und Literatur über den Königstein heran und entwickelt, von zahlreichen Abbildungen unterstützt, den Ausbau der einzelnen Gebäude und der ganzen Festung bis 1802. Sie macht mit ihren Angaben begreiflich, daß der Königstein jungfräuliche Festung geblieben ist und im Laufe der sächsischen Geschichte wiederholt als letzter Zufluchtsort für die Regierung gedient hat.

W. Lippert ( 988) bereichert die zwar ungemein große, aber in den Ergebnissen nicht immer stichhaltige Wagnerliteratur um ein Buch, das allen Ansprüchen der Kritik standhält. Die verhängnisvolle Teilnahme R. Wagners an der Dresdner Revolution von 1849 wird hier aus umfassender Aktenkenntnis zum erstenmal so geschildert, daß wir auch die mancherlei Widersprüche verstehen, die bisher nach des Meisters eigenen Worten und nach den sonstigen Berichterstattern ungelöst blieben. Nach juristischen Begriffen ist Wagner danach doch tiefer in Schuld verstrickt gewesen, als man zumeist nach seiner eigenen Ansicht annahm. Wäre er nicht rechtzeitig entkommen, so hätte man ihn wohl ebenfalls vor Gericht gezogen und wie seine Dresdner Freunde verurteilt. Allerdings ist das Material gegen ihn erst 1856 zusammengestellt worden (S. 17 f.), aber es war auch dann noch so belastend für ihn, daß Kg. Johann sich bis 1862 weigerte, eine Begnadigung auszusprechen, trotzdem R.


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Wagner sich in den 6 Jahren persönlich und durch hohe Gönner, wie die Großherzöge von Weimar und Baden und die Prinzessin Augusta von Preußen, immer wieder darum bemühte. Bewundernswert ist dabei auch Liszt in seiner nie wankenden Freundestreue. Wagner selbst hat sich stets darauf berufen, daß er 1849 nur durch die allgemeine Erregung fortgerissen worden sei, aber von Natur aus gar keine Neigung zur Politik gehabt habe. In der Tat muß man ihm auch zugeben: er war als Künstler von fast überfeinen Nerven weit mehr Stimmungsmensch als jeder andere seiner Dresdner Freunde und sollte darum nicht bloß nach dem Vergehen gegen das Gesetz beurteilt werden. Wie sehr er auch zunächst über seine Freiheit jubelt, er fühlt doch -- je länger, je mehr -- in der Fremde, daß er nur auf deutschem Boden und in deutscher Geisteswelt das Höchste schaffen kann (S. 86), und darum quält er sich mit Begnadigungsversuchen ab, weil er weder in Zürich, noch in Venedig oder Paris zu beglükkendem Schaffen kommen kann. Man darf ihn auch nicht etwa als doppelten Renegaten ansehen, sondern er folgt mit den Bittgesuchen nur wieder den innersten Schwingungen seines Wesens so unmittelbar, als es 1849 in seinem verworrenen Begeisterungsgefühl für eine neue deutsche Zukunft der Fall war. Immerhin hatte auch Kg. Johann von Staats wegen ein Recht, mit der Begnadigung zu zögern, und vielleicht hat sogar erst die Entbehrungszeit Richard Wagner selbst zur tiefsten Erkenntnis seiner deutschen Sendung gebracht. Trotzdem ist es gut, daß der Bogen gegen ihn nicht überspannt wurde, und das ist hauptsächlich das Verdienst des Grafen Seebach, des sächsischen Gesandten in Paris.


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