VI. Kirchengeschichte.

Der leider immer noch viel zu wenig erforschten Geschichte des Erzstifts Magdeburg widmet W. Hoppe ( 1634), der bekannte Biograph des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg, dankenswerterweise eine wertvolle und gediegene Untersuchung, die den Zweck verfolgt, »Magdeburg in den Verlauf der allgemeinen ostdeutschen Geschichte zu stellen« und darzutun, welch bedeutende Rolle das Erzstift in der Ostmarkenpolitik des MA. gespielt hat. Hoppes Abhandlung, die sich durch wohlabwägendes Urteil und klare Herausarbeitung der Probleme auszeichnet, stellt nicht nur eine Zusammenfassung und Verarbeitung der umfangreichen Literatur dar, sondern bietet auch sonst mancherlei neue Erkenntnis, besonders hinsichtlich der kirchenpolitischen und weltlichen Ansprüche des Erzstifts. -- Ein kirchenrechtlich interessantes Problem, das der Entstehung der Erfurter Pfarreien, untersucht A. Overmann ( 1717), und zwar stellt er fest, daß es in ältester Zeit, entsprechend den beiden Siedlungen, aus denen die Stadt entstanden ist, nur zwei Pfarrkirchen gegeben, daß sich aber im zwölften Jhd. dieser Zustand geändert


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habe. Den Termin für diese bedeutsame Änderung setzt Overmann mit guten Gründen in das Jahr 1182, in dem nach seiner Ansicht eine Neuordnung und Regelung der Erfurter Pfarreien (insgesamt 26 Pfarrkirchen um das Jahr 1300) stattgefunden hat. -- Die Schicksale des 1213 oder 1214 in Ankuhn bei Zerbst gegründeten Benediktinernonnenklosters verfolgt R. Specht ( 1690) bis zu dessen Aufhebung im Jahre 1540. Als Anhang zu seinen Ausführungen, die in ihrem letzten Teil einen Beitrag zur anhaltischen Reformationsgeschichte enthalten, bringt er noch eine Übersicht über den Besitz und die Personalien des genannten Klosters. -- Über Wesen, Geschichte und Organisation der Kalande auf dem Eichsfelde unterrichtet eine kleine Arbeit von G. Wolpers (Die Kalandsbruderschaften im Eichsfelde, in: Unser Eichsfeld, Jahrgang 22). Als ältesten Kaland nennt Verf. die um 1300 in Duderstadt entstandene Brüderschaft, während die zu Seeburg erst in der ersten Hälfte des 14. Jhds. gegründet worden ist. Letztere gehört zu den wenigen Kalanden, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten haben. -- Zwei Urkunden (von 1467 und 1491) für eine bislang unbekannte Dombaubrüderschaft in Magdeburg, die fraternitas s. Mauritii, druckt A. Schmidt ( 1650) ab. -- Mit der frühesten Reformationsgeschichte beschäftigt sich P. Kalkoff ( 1744), der sich kritisch mit einer Besprechung seines Buches »Humanismus und Reformation« durch N. Paulus auseinandersetzt und aufs neue die Ansicht vertritt, daß die theologische Fakultät der Universität Erfurt in den entscheidenden Jahren der Reformation streng am katholischen Glauben festgehalten habe. Weiterhin sieht er in Justus Jonas den Führer im Kampf gegen die Bannbulle Luthers. -- Von den Versuchen des Bischofs Adolf von Merseburg, die Reformation in seinem Stift zu bekämpfen, berichtet auf Grund von Weimarer Akten K. Pallas ( 1903) und liefert damit einen höchst wichtigen Beitrag zur Reformationsgeschichte überhaupt. Gut herausgearbeitet ist vor allem die Stellung, die Kurfürst Friedrich der Weise und sein Bruder Herzog Johann den reformationsfeindlichen Bestrebungen des Bischofs gegenüber einnahmen. -- Einen zwar schon bekannten, aber nicht sorgfältig abgedruckten Brief Martin Luthers aus dem Jahre 1522 und ein Schreiben Melanchthons aus dem Jahre 1543, beide an den Grafen Ludwig zu Stolberg gerichtet, veröffentlicht W. Herse ( 1836). -- Eine eingehende Würdigung der von Nicolaus Krumpach, dem sogenannten letzten katholischen Pfarrer von Querfurt, hergestellten Übersetzungen neutestamentlicher Schriften, die z. T. in die Zeit vor Luthers Herausgabe der Übersetzung des Neuen Testaments im Jahre 1522 fallen, enthält der Aufsatz von H. G. Voigt ( 1651). -- Den Kampf des orthodoxen Theologen Georg Christian Eilmar (seit 1698 Oberpfarer an der Kirche zu U. L. Fr. in Mühlhausen) gegen den Pietismus (dessen Vertreter S. Ph. Klettwich, Dr. med. in Langensalza, und Joh. Ad. Frohne, Superintendent in Mühlhausen) behandelt Th. Wotschke ( 1901). Am Schluß sind einige Briefe Lungerhausens an A. H. Francke abgedruckt. -- Die kirchlichen Zustände Magdeburgs im Anfang des 19. Jhds. veranschaulicht W. Stietzel ( 1900); den Hauptteil seines Aufsatzes bildet aber vor allem eine Darstellung der Leidenszeit während der französischen Besetzung (1806--1813).


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