VIII. Wirtschaftsgeschichte.

In seinem Aufsatz über den Wiederaufbau der Stadt Magdeburg nach 1631 untersucht E. Neubauer ( 1569) an Hand der erst neuerdings der Forschung zugänglich gemachten Grundbuch- und Testamentsakten des Magdeburger Amtsgerichts, die sich jetzt im Staatsarchiv Magdeburg befinden, die Frage, in welchem Umfange die fast vollständig zerstörte Stadt allmählich wieder erstanden ist, nach welchen Plänen man überhaupt die Stadt wiederaufbauen wollte und wie man sie dann schließlich aufgebaut hat. Das Ergebnis der Untersuchung, die eine dankenswerte Fülle neuer Erkenntnisse vermittelt, kann dahin zusammengefaßt werden, daß 1722 noch 72 Brandstätten und 1737 immer noch 8 Brandstätten vorhanden waren, so daß also der Wiederaufbau länger als ein Jahrhundert gedauert hat. -- Eine nicht unwichtige Ergänzung der vorstehend genannten Arbeit bildet die Spezialuntersuchung H. Leonhards ( 1570) über die Geschichte der Magdeburger Seidenkramerinnung von 1631 bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts, in der auch mancherlei über ihre Entstehung, Verfassung usw. berichtet wird. -- Ein interessantes und höchst bedeutendes Kapitel der hallischen Wirtschaftsgeschichte behandelt H. Freydank ( 1496) in seiner fleißigen Dissertation über die dortige Pfännerschaft im MA., neben deren äußerer Geschichte auch die technischen und rein wirtschaftsgeschichtlichen Fragen (Absatzgebiete, Verfassung, Handelsstraßen u. a. m.) eingehendste Berücksichtigung finden. -- Die von W. Schulze ( 1441) vorgelegte Untersuchung, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Zeitz und die Bedeutung dieser Stadt im


S.532

mitteldeutschen Wirtschaftsgebiet zu umreißen, ist in der Hauptsache volkswirtschaftlich orientiert und weist daher in dem eigentlichen historischen Teil, der die Zeit von den Anfängen der Stadt bis 1815 umfaßt, erhebliche Mängel, vor allem in bezug auf Kenntnis und Wertung der Quellen auf. Ausgezeichnet ist dagegen die Schilderung der modernen Verhältnisse, d. h. der Periode von 1815 ab, in der sich Zeitz zu einem bedeutenden Industrieort entwickelte. -- Einen Beitrag zur Geschichte des Handels liefert Fr. Heydenreich ( 1440) mit seiner Dissertation über die Naumburger Peter-Paulsmesse, deren Entstehung er auf das durch Konrad II. verliehene forum regale zurückführt, während das älteste Meßprivileg, zu dem die Stadt Leipzig die Anregung gegeben zu haben scheint, jedoch erst aus dem Jahre 1514 stammt. Von den Ausführungen Heydenreichs verdienen besonders die über die Streitigkeiten mit Leipzig und über die Organisation der Messe, die wegen des immer geringer werdenden Verkehrs 1909 in einen Herbstmarkt umgewandelt wurde, Beachtung. -- Dem Problem, in welchem Maße die Stadt Wittenberg als wirtschaftlicher Faktor die Ansichten Luthers über ökonomische Grundtatsachen beeinflußt hat, geht E. Eschenhagen ( 1497) nach, die ein anschauliches Bild von dem »wirtschaftlichen Milieu«, aus dem die Reformation hervorgegangen ist, entwirft. Die Grundlage ihrer Ausführungen, die sich mit dem Stadtbild, der Einwohnerzahl, der Verfassung und Verwaltung, dem Münzwesen, den Preis- und Vermögensverhältnissen beschäftigen, bilden die Kämmereirechnungen und Steuerregister, die mit großer Gründlichkeit ausgeschöpft worden sind. -- Die schon oft behandelte Frage nach den Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges untersucht A. Frohn ( 1567) für die Reichsstadt Mühlhausen, wobei er zu dem Ergebnis gelangt, daß der kulturelle und wirtschaftliche Tiefstand in der Hauptsache keineswegs als eine Folgeerscheinung des Krieges zu betrachten sei, sondern daß er aus der Zeit vor dem Kriege herrühre. -- Der Aufsatz von A. Schmidt ( 1495) über die Baurechnungen der Mainzer Hofkapelle zu Erfurt enthält einen längeren beachtlichen Exkurs über die Geschichte der Erfurter Steinmetzen, deren Ordnungen von 1423, c. 1500, 1547 und 1588 am Schluß abgedruckt werden. Was das Alter dieser Zunft betrifft, so macht Schmidt ihre Entstehung in der ersten Hälfte des 14. Jhds. wahrscheinlich, ebenso, daß man gegen Ende des 15. Jhds. den Anschluß an den Steinmetzhüttenverband vollzogen zu haben scheint. -- Die moderne Wirtschaftsgeschichte der Stadt Erfurt hat ebenfalls im Berichtsjahr eine erhebliche Förderung erfahren, und zwar durch die Dissertation von H. Ernst ( 1565) über die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt bis zur Reichsgründung und durch die umfangreiche Untersuchung von K. Trautmann (Wirtschaftsentwicklung, Koalitionsgestaltung und Arbeitskämpfe im Wirtschaftsgebiet der Stadt Erfurt während der Jahre 1899--1925, maschinenschriftliche Dissertation Halle, Teildr. Kirchhain 1927), der von den einzelnen Phasen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Arbeiterbewegung Erfurts in der Zeit von 1899 bis 1925 ein klares und deutliches Bild entwirft. -- Nicht nur auf unser Gebiet beschränkt ist A. Wieskes ( 1568) Arbeit über den Elbhandel und die Elbhandelspolitik bis zum Beginn des 19. Jhds., doch stehen naturgemäß die Ausführungen über die Bedeutung Magdeburgs für den Elbhandel, über sein Verhältnis zu Hamburg und Leipzig und über das Stapelrecht im Mittelpunkt seiner Untersuchung. War der Elbhandel bis zum Beginn des 13. Jhds. vorwiegend Querhandel gewesen, so

S.533

weist Verf. für die Folgezeit ein Vorherrschen des Längshandels nach. Im übrigen werden die späteren Verhältnisse des Elbhandels zur Zeit der Stadt- und Territorialwirtschaft bis zum Jahre 1821 verfolgt, in welchem Jahre durch die Elbschiffahrtsakte die Freiheit der Elbschiffahrt von Böhmen bis zur Mündung konstituiert wurde.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)