IV. Darstellungen nach der Reihenfolge der Ereignisse.

In die Zeit des werdenden Territorialstaats führt die Arbeit von Mohr ( 778, vgl. Jahresberichte 1926, 982). Sie zeigt die Bedingtheit der auf Ausdehnung und Schaffung von Stützpunkten gerichteten Politik des Fuldaer Abtes von der landschaftlichen Lage und der Verkehrslage des Territoriums. Die landespolitischen Interessen des Abtes bestimmten sein Verhältnis zu den wittelsbachisch gesinnten Territorialnachbarn und ließen ihn zum Anhänger Kaiser Ludwigs von Bayern werden, dessen Interessen zu wahren er klug genug war und an dem er auch einen wertvollen Bundesgenossen fand.

Der Aufsatz von Hofmann ( 885) beleuchtet die mißliche Lage, in die kleinere Reichsstände wie Nassau-Oranien durch die Verpflichtung zur Stellung ihres Truppenkontingents im Reichskriege gegen Preußen 1757 gerieten. Einen breiten Raum nimmt die Schilderung der Verhandlungen auf dem niederrheinisch-westfälischen Kreistag in Köln ein. In dem umfänglichen Buche von Wilhelm Karl Prinz von Ysenburg ( 932) wie in der kleinen von Bach


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( 914) mit großer Wärme verfaßten Schrift spiegeln sich Zustände, Ereignisse und Menschen wieder, deren Kenntnis, in jenem durch das Leben eines zwar nicht hervorragenden, aber »nach Abstand ringenden« Mannes näher gebracht, in diesem vermittelt durch das Stein'sche Elternhaus in seiner geistigen Höhe, zur Erfassung des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jhd. wesentlich beiträgt. Die auf gründlichem Aktenstudium beruhende Arbeit von Weyer ( 925) macht es sich zur Aufgabe, den preußischen Minister, Fürsten Wilhelm von Sayn-Wittgenstein, in wesentlich milderem Lichte erscheinen zu lassen, als wir ihn nach dem Urteil von Stein und Treitschke zu sehen gewohnt sind. Sie bildet den ersten, bis 1806 reichenden Teil einer von W. geforderten wissenschaftlichen Biographie Wittgensteins. Wenn Wittgensteins Gedanken in diesem Zeitraum mehrfach auf Gelderwerb gerichtet waren, so galten sie seiner wirtschaftlichen Versorgung. Als Oberhofmeister der Königin trat er in preußische Dienste, nach der Einrichtung einer ständigen preußischen Gesandtschaft in Kassel wurde ihm dieser Posten übertragen. Unter König Friedrich Wilhelm III. wuchs sein Einfluß, und diese Tatsache läßt für seinen Charakter sprechen. »Gute Menschen, wie die von allen verehrte Königin-Witwe, wie die Königin Luise, wie Friedrich Wilhelm III.... sind auf die Dauer von schlechten Menschen nicht zu täuschen.« Die durch die Pyrmonter Konvention von 1797 hergestellte Verbindung Hessen-Kassels mit Preußen zu pflegen und zu erhalten, war Wittgensteins Aufgabe. Ihm gelang es, den Landgrafen-Kurfürsten und seine Politik zu Preußens Gunsten zu lenken. In der Darstellung tritt der Charakter des Landgrafen, sein Geiz, seine Unentschlossenheit und Unzuverlässigkeit in die schärfste Beleuchtung, wie auch die unklare hessische Politik eine durchaus ungünstige Beurteilung erfährt. Die allgemein geschichtliche Bedeutung der Tätigkeit Wittgensteins in Kassel, durch die ein engerer Anschluß Hessens an Frankreich verhindert wurde, ist nach Ansicht des Verf. dadurch gekennzeichnet, daß sie ebenso mitbestimmend für das spätere Schicksal Hessens wie für den Aufstieg Preußens wurde. --Reichert ( 1797) untersucht den Gewinn Hessen-Darmstadts aus den Säkularisationen des 19. Jhds. und verwendet dazu in der Hauptsache Archivalien des Staatsarchivs und des Finanzministeriums zu Darmstadt. Versuche, die Verschuldung des Landes zu beheben, führten zu übertriebenen Entschädigungsforderungen. Das erstrebte Großhessen zwischen Rhein, Main, Neckar und Tauber ließ sich aber nicht erreichen; was aber aus dem »Entschädigungsgeschäft« herausgeschlagen wurde, verdankte Hessen seiner geschickten Vertretung in Paris durch den Oberstleutnant von Pappenheim. Der territoriale Erwerb aus den kurmainzischen Ämtern (1802/03), mit dem sich die Arbeit befaßt, wird im einzelnen nachgewiesen.


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