VI. Wirtschaftsgeschichte.

Wirtschaftsentwicklung und Wirtschaftsformen eines Zisterzienserklosters bis zur Mitte des 14. Jhds. erfahren in der Dissertation von Schwickert ( 1484) eine gründliche, auf reiches Urkundenmaterial sich stützende und das bekannte Bild ergebende Darstellung. Der weithin sich erstreckende Streubesitz Hainas gruppierte sich um eine Anzahl ländliche Wirtschaftshöfe, mehr als Rezepturen dienten die in den Städten erworbenen Höfe. Zahlreiche Schenkungen vermehrten den Besitz, Käufe setzen häufiger erst im 3. Jahrzehnt des 13. Jhds. ein. Die den Zisterziensern eigentümliche Wirtschaftsform, die Eigenwirtschaft, wird im Laufe des 13. Jhds. allmählich aufgegeben, Verleihungen, Erwerb von Zehnten u. a. werden üblich. Die Organisation des Wirtschaftsbetriebes in elf Verwaltungsbezirken erschließt W. aus Aufzeichnungen aus dem Anfang des 16. Jhds. Ein Verzeichnis über die Orte, in denen das Kloster begütert war, mit Register und einer Karte über das Wirtschaftsgebiet zeugen von der Sorgfalt der Arbeit. -- O. von und zu Gilsa ( 1546) zeigt, wie das ritterschaftliche Stift Kaufungen bereits seit dem 17. Jhd. die stiftungsmäßige Verwendung seiner Einkünfte hinter seine Darlehnsgeschäfte zurücktreten läßt. Im Ankauf von Grundstücken rechtlich beschränkt, wird es im 18. Jhd. geradezu zu einem Kreditorgan für die Landwirtschaft. Wenn sich das Stift nicht zu einem Institut ähnlich den älteren preußischen Landschaften entwickelt hat, so lag das nach v. G. an den besonderen hessischen Verhältnissen


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und an dem Charakter Kaufungens als milder Stiftung. Auch im 19. Jhd. bildet die Kapitalsanlage, die jetzt mehr und mehr in Wertpapieren erfolgt, die Hauptquelle seiner Einnahmen, seine Bedeutung als Kreditorgan hat es aber nach der Begründung der Landeskreditkasse 1832 eingebüßt. In der Nachkriegszeit gewinnen die Erzeugnisse einer gesteigerten Waldwirtschaft entscheidende Bedeutung. Als willkommene Beigabe sei die Tabelle der Fruchtpreise von 1658 bis 1835 erwähnt. --Winter ( 1428) behandelt die neueren wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt Bensheim, besonders in der Zeit nach der Einführung der Gewerbefreiheit, deren Einwirkung auf Gewerbe, Handel, soziale Schichtung und Berufsgliederung unter weitgehender Verwertung von statistischem Material zur Darstellung gelangt. -- Der Einfluß der von Graf Philipp Ludwig II. von Hanau aufgenommenen Niederländer wird von Frei ( 1547) als ausschlaggebend für die günstige Entwicklung des Hanauer Wirtschaftslebens nachgewiesen.

Die in ausgezeichneter Ausstattung herausgebrachte Arbeit von Margarethe Killing ( 1483) erhält ihren besonderen Wert durch die glückliche Art, in der hier Wirtschaftsgeschichte und Kunstgeschichte, sich gegenseitig fördernd, miteinander verbunden sind. Die erst im Spessart heimische Glasbereitung verschaffte seit dem 16. Jhd. Hessen eine weittragende Bedeutung im damaligen Wirtschafts- und Kulturleben. Die Organisation der Gläsner, der Spessartbund, wurde ebenfalls nach Hessen verlegt; der hessische Bund erstreckte seinen Einfluß bis in die nordischen Länder. Aber schon Ende des 16. Jhds. machte sich ein Zerfall dieses interterritorialen Bundes bemerkbar, der somit das Schicksal aller der großen Bünde teilte, die bei dem im 17. Jhd. einsetzenden schärferen Abschluß der Territorien gegeneinander eingingen oder zu Landzünften herabsanken. Über die einzelnen Glashütten, Produktion, Absatz und Handel werden wir von der Verfasserin eingehend unterrichtet. Für die bedeutende Ausfuhr in die glasarmen nordischen Länder und die Niederlande war die Lage der Hütten in der Nähe der Handelsstadt Münden besonders günstig. Interessant ist das Kapitel über den Wandertrieb der hessischen Glasmacher. Aus dem Auftauchen ihrer leicht erkennbaren Namen -- die Kunst war Monopol weniger Familien -- in anderen Ländern lassen sich wichtige Schlüsse ziehen. Es ist ein Verdienst der Verfasserin in dem zweiten Teil des Buches, der die Erzeugnisse des Gewerbes behandelt und vorzügliche Abbildungen bringt, in einer tiefdringenden Studie auf das Wesen und die kultur- und kunsthistorische Bedeutung der deutschen Gläser der Renaissance und Spätrenaissance hingewiesen zu haben.


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