II. Gesamtgeschichte und Territorien.

Die »Beiträge zur westfälischen Heimatkunde« (hrsg. von Th. Wegner, Paderborn, F. Schöningh. 152 S., 7 RM.) enthalten die Wiedergabe einer Vortragsreihe aus dem Jahre 1925 zur Natur, Geschichte und Volkskunde Westfalens. Nach Gegenstand und wissenschaftlicher Haltung sind erwähnenswert die in Methode und Beurteilung einzelner Fragen mehrfach vom Gewohnten abweichenden Ausführungen von Th. Baader über die »Grundlagen der Sprachgeschichte Westfalens« (S. 88--110) und K. Spannagels wohlabgewogene Betrachtungen über »Westfalen im Rahmen des preußischen Staates«, die die Gegensätzlichkeit zwischen den alten preußischen Besitzungen (Mark, Ravensberg, Minden, Tecklenburg) und den Erwerbungen von 1802 hinsichtlich des Grades der innerlichen Eingliederung in den preußischen Staat unterstreichen und die Bedeutung betonen, die jener westfälische Besitz für die Entwicklung des preußischen Staates gehabt hat. -- Terheyden ( 722) beschäftigt sich vorwiegend mit der Stellung des Ravensberger Grafengeschlechts in seinem Ursprungsland, dem Dersi- und Lerigau (Calveslage sein Stammsitz); erst um 1150 fällt ihm Ravensberg zu, das ihm schließlich, nach den großen Abtretungen an Münster 1252, allein bis zum Aussterben des Mannesstammes 1346 verbleibt. -- Tiefer sucht Schnettler ( 721) in den Werdegang der Grafschaft Mark einzudringen, indem er zunächst dem Güterbesitz des Grafenhauses nachgeht. Er beschränkt sich dabei fast ganz auf Zeugnisse aus der Zeit bis 1300, ohne die spätere Überlieferung nennenswert für die Aufhellung der Besitzverhältnisse in dieser früheren Zeit heranzuziehen. Als älteste Besitzung des bergischen Grafenhauses in Westfalen will Schn. nicht Altena, sondern Hövel (Kr. Lüdinghausen) angesehen wissen. -- Umfassender und gründlicher ist Wredes vortreffliche Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein ( 202), eine Vorarbeit für den geschichtlichen Atlas Hessens. Untersucht und dargestellt werden die Anfänge des Grafengeschlechts (mutmaßlicher Zusammenhang mit den Edelherren von Grafschaft), die Bildung des Gebiets, seine Grenzen, die Verwaltungseinteilung (4 Ämter in Anlehnung an die Burgen), die Gerichtsverfassung (4 Landgerichte, von denen 2 auf alte Zenten zurückgehen), die (der Besiedlung folgende) Entwicklung des Pfarrsystems, bei der von einem Anschluß der weltlichen Organisation an die kirchliche nichts zu bemerken ist, sich vielmehr ein deutlicher Zusammenhang der Urpfarreien mit den Hundertschaftsbezirken zeigt, schließlich die in ihrer


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Gesamtheit den Grafen zustehenden Forsten, eine der hauptsächlichen Grundlagen der gräflichen Macht. Durch die beigegebenen 12 Kartenblätter werden die geschichtlichen Erscheinungen in vollkommener Weise veranschaulicht. Zu erwähnen ist auch noch das ausführliche Ortslexikon nach dem Muster des kurhessischen von Reimer. -- Unter den kölnischen Besitzungen in Westfalen befand sich das Vest(=Gogericht) Recklinghausen infolge der Nachbarschaft von Kleve und Mark beständig in bedrohter Lage. Erzbischof Dietrich v. Mörs (1414--63) gelang es zwar, wie Breuer ( 779) in eingehenden Darlegungen zeigt, klevische Ansprüche abzuwehren und adligen Widerstand im Innern zu brechen, doch zwangen ihn die schweren Bedrängnisse der Soester Fehde 1446 zur Verpfändung des Vests, die erst 1576 ein Ende fand.


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