III. Stadtgeschichte.

Die Geschichte der Stadt Soest hat eine namhafte Förderung, besonders nach der sozialgeschichtlichen Seite hin, durch eine Reihe von Arbeiten F. v. Klockes erfahren. Auf ihnen wie auf einigen älteren Studien baut sich seine zusammenfassende Behandlung des Soester Patriziats ( 1336) auf. Die frühste Spur eines mit obrigkeitlichen Funktionen ausgestatteten Patriziats findet sich in einer Urkunde des Soester Patroklistifts von 1166--1170, deren (etwas knappe) diplomatische Prüfung keine Verdachtsmomente ergibt; in der verfassungsgeschichtlichen Bewertung durch v. Klocke kommt die Beteiligung des erzbischöflichen Schultheißen an dem beurkundeten Rechtsakt (in einer Marktangelegenheit) nicht zu rechter Geltung. Die Ausbildung der Ratsverfassung setzt v. Kl. »um oder bald nach 1200« ( 1334). Der patrizische Geschlechterkreis war verhältnismäßig ausgedehnt. Die wesentlichsten Herkunftselemente sind das auswärtige Bürgertum, die ländlichen Altfreien, die Sassendorfer Sälzer und die Ritterschaft. Seine wirtschaftliche Grundlage hat das Patriziat im Fernhandel sowie im Renten- und Grundbesitz. Über den Anteil an ersterem gibt eine Einzelstudie näheren Aufschluß, die besonders die Ergebnisse der Geschlechterforschung verwertet ( 1486; ferner: Soester Ostlandfahrer in Riga während des 13. Jhds. Ebda. S. 97--128). Zu beachten wäre gewesen, daß die Annourkunde, in der die Soester Kuniberttradition niedergelegt ist, eine Fälschung des 12. Jhds. ist; auch die vielgenannten Medebacher Privilegien sind eine kritische Untersuchung wert. In der Stadtverwaltung herrschen die Patrizier zwar schon seit dem 13. Jhd. nicht mehr allein, haben aber doch auf lange hin noch das Übergewicht. Das Bürgermeisteramt war, wie sich aus einer eigenen umfangreichen Abhandlung (mit einer Bürgermeisterliste, die von 1418 ab auf einem Ratswahlbuch beruht) ergibt ( 310), bis in die 2. Hälfte des 15. Jhds. fest in Patrizierhand. Dabei war, im Gegensatz zu andern Städten, Wiederwahl selten, Wechsel selbst unter den Geschlechtern die Regel. Ausschließlich Patriziern sind, neben Ritterbürtigen, die Pfründen des Patroklistifts erreichbar (vgl. Zt. für vaterl. Gesch. 80, 1922, II S. 70 ff.). Seit dem 15. Jhd. macht sich auf allen Gebieten die Konkurrenz des Honoratiorentums geltend, einer Mittelschicht, deren sozialen Aufbau aufgehellt zu haben ein besonderes Verdienst v. Kl.s ist. Die alten Geschlechter, in ihrem Bestand vermindert, ziehen sich mehr und mehr auch vom Handel zurück und entwickeln sich zu einem Stadtadel, dessen Angehörige nun z. T. wieder aufs Land zurückwandern. -- Gegenüber Dortmunds Stellung wird Soests ma. Bedeutung leicht falsch eingeschätzt. L. v. Winterfeld ( 1337) sucht das Rangverhältnis der beiden, -- wie ein fein durchgeführter Vergleich zeigt, ihrer


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inneren Struktur nach in vieler Beziehung nahe verwandten -- Städte nach sachgemäßen Maßstäben zu bewerten. Bis etwa 1200 steht die Reichsstadt voran, wird dann aber von dem kölnischen Soest, wo sich schon vor 1114 ein städtisches Gemeinwesen gebildet habe, überflügelt, um im 14. Jhd. erneut die Führung zu bekommen. Der rege Wettstreit zwischen beiden bedingt auch einen in der Soester Fehde zu offenem Kampf entbrennenden politischen Gegensatz (vgl. hierzu v. Klocke in 1486, S. 36 ff.). -- Vor Soest hat Dortmund im 14. Jhd. die großen Führer hansischer Wirtschaft voraus, wie Tilemann Lemberg, der zeitweilig die englischen Staatsfinanzen beherrschte -- ihm gab Eduard III. 1346 eine Königskrone zum Pfand --, oder wie die Brüder Hildebrand und Siegfried Veckinchusen, die jung die Vaterstadt Dortmund verließen, um in Riga, Lübeck, Brügge ein (unbeständiges) Glück zu suchen. Dem ersten hat v. Winterfeld ein biographisches Denkmal gesetzt ( 1489), für letztere ihre (von Stieda übersehenen) Dortmunder Beziehungen klargestellt ( 1490).

Der immer mehr in Aufnahme kommenden topographischen Erforschung der Stadtentwicklung leistet für Dortmund das Häuserbuch v. d. Berkens ( 392) wertvolle Dienste. Es gibt, nach heutigen Straßen und Nummern geordnet, ein Häuserverzeichnis der Altstadt mit Größenangaben und Listen der Besitzer von etwa 1700--1850; doch werden auch ältere Nachrichten, z. T. aus ungedruckten Quellen, berücksichtigt. -- Für Münster entwickelt M. Geisberg (in 203, S. 249 ff.), im Anschluß an die Baugeschichte des Rathauses (gegen O. Stiehl), seine Ansicht von der Entstehung, dem Ausbau und der Befestigung der Stadt. An gleicher Stelle veröffentlicht v. Klocke Auszüge des 16. Jhds. aus dem verlorenen ältesten Ratswahlbuch Münsters von 1354 bis 1531 (S. 109--116). Ed. Schulte schildert in volkstümlicher Form den Hergang der Ratswahl in jüngerer Zeit (S. 62--66) und gibt Listen der Bürgermeister (S. 66--70), der Kurgenossen (des Wahlkollegiums) von 1520--1802 (S. 117--203) und der Ratsmitglieder von 1661--1802 (S. 205--225). Wertvoll ist die Zusammenstellung von münsterschen und münsterländischen Hausmarken aus dem Stadtarchiv Münster durch E. Hövel (S. 331--366). Ihre Verwendung als Frachtmarken zeigt ein von Schmitz-Kallenberg ( 1550) veröffentlichtes Dokument von 1600, in dem es sich um die Beanstandung münsterscher Leinwandlieferungen in London handelt.

Von den drei Städten, die eine Gesamtdarstellung ihrer Geschichte erhalten haben, ist Schwerte am schlechtesten gefahren. Denn Feldhügels kurzer Abriß (bis 1815) schöpft weithin aus zweiter Hand und läßt in der methodischen Verarbeitung seines Quellenstoffes vieles zu wünschen übrig ( 204). Eine solide, auf ausgedehnten Quellenstudien aufgebaute und allen billigen wissenschaftlichen Anforderungen genügende Leistung stellt dagegen dar, was Führer für das 1327 mit Stadtrecht beliehene Rheine geschaffen hat ( 205); seine Darstellung streift auch das benachbarte Kloster Bentlage und die Saline Gottesgabe. Recht undurchsichtig scheint die Vorgeschichte dieser bischöflichen Stadtgründung (vom Typ der Burgmannsstädte) auf dem Boden eines alten Herforder Hofes bleiben zu müssen. Aus einer ganzen Reihe von Einzelbeiträgen verschiedener Mitarbeiter setzt sich die Festschrift »700 Jahre Stadt Hamm« ( 203 a) zusammen. Den Hauptanteil hat J. Lappe, der ausführlich die Entwicklung Hamms in MA. und Neuzeit, besonders nach der zuständlichen Seite hin, unter reichlicher Mitteilung der benutzten Quellen schildert (S. 49--155). Über


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die Gründung der Stadt ist er anderer Meinung als F. Philippi, der (S. 43 bis 47) die sog. Gründungsurkunde von 1213 behandelt hat, die aber noch nicht von Hamm, sondern von einer Stadt Mark (ö. Hamm) spricht. L. sieht darin (wie Erhard) nur eine ältere Benennung für das spätere Hamm, Ph. denkt (wie Overmann) an eine bald danach eingegangene selbständige Anlage. Demgemäß ist auch beider Auffassung des Gründungsberichts bei Levold von Northof eine verschiedene. Daß dieser, wegen der in der Erzdiözese Köln im 13. Jhd. geltenden (und von Levold auch angewandten) Osterdatierung ins Jahr 1227 (nicht 1226) gehört, hat Ph. noch nachträglich richtig erkannt (Beitr. z. Gesch. Dortmunds 36, 1928, S. 287). Dagegen sind Levolds Worte wohl (mit Lappe) nur auf das zerstörte und nach Hamm verlegte Nienbrügge (w. Hamm) zu beziehen, für das sich Westf. UB. V Nr. 296 (1221) und III Nr. 193 (1223) noch gar nicht oder wenig (Schnettler in 721, S. 186) beachtete Zeugnisse finden. Besondere Abhandlungen sind u. a. der Kirchen- und Schulgeschichte (von H. Eickhoff; seicht), den Bauten (von M. Jucho; aufschlußreich), den Siegeln und Wappen (von J. Bauermann), den Münzen (von K. Kennepohl) und den milden Stiftungen (von A. Schillupp) gewidmet. -- Die Auswirkungen der preußischen Städtepolitik des 18. Jhds. hat am Beispiel Hamms Lappe (mit ungünstiger Beurteilung) gekennzeichnet, v. Klocke an dem Soests (in 310). Eine eigene Studie Lampmanns ( 1367 a) befaßt sich mit der vorfriderizianischen Gestaltung der Dinge in Minden, durch die Reglements von 1711 und, einschneidender, von 1723 (Diss. Münster 1915).


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