IV. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.

In weitem Umfange haben schon die territorial- und stadtgeschichtlichen Veröffentlichungen Fragen dieser Sondergebiete berührt. So sind v. Klockes Soester Forschungen ständegeschichtlich höchst bedeutsam. Schnettler ( 286) macht an einer Reihe von Beispielen (nicht abschließende) Beobachtungen über scheinbare und wirkliche Unregelmäßigkeiten in der Gruppierung der Zeugenlisten (z. B. Vorrang des Ritters vor dem Knappen höheren Standes). In den Familiengeschichtl. Blättern 25, Sp. 201 ff. legt er in kritischer Stellungnahme zu Forschungsergebnissen Philippis und v. Klockes (vgl. Jberr. Bd. 2, 1926, S. 590) seinen Standpunkt in der Frage der Altfreiheit des Dienstadels dar, der sich stärker als der von jenen vertretene an die herrschende Meinung anschließt. -- Ähnlich ist seine Haltung gegenüber den Femefragen ( 1303). Unter berechtigter Ablehnung der von A. Waas (schon in Vogtei und Bede II, 1923, S. 65 ff.) aufgestellten Theorie tritt er mit reichlicher Begründung aus westfälischen Urkunden für die Kontinuität von Grafengericht und Freigericht in Westfalen ein. -- Die in die Zeit des Ausklangs der Freigerichte führende Arbeit von Graewe ( 1333; Phil. Diss. Göttingen) erhält ihren Wert hauptsächlich durch den darin mitgeteilten, mit viel Eifer zusammengetragenen neuen Quellenstoff (darunter ein Auszug aus einer unbekannten Urk. Erzb. Engelberts von Köln von 1222); für die verfassungsgeschichtlichen Probleme war ihm freilich nur wenig Ertrag abzugewinnen. Vornehmlich werden die Stellung des Landesherren zu den Freigerichten und die Verhältnisse der Freibauern. die G. den ostfälischen Schöffenbarfreien gleichsetzen möchte, beleuchtet. -- Bei Röhls Schrift ( 1380; jetzt auch in: Vestische Zeitsch. 35, 1928, S. 1 ff.) liegt das Schwergewicht auf der systematischen Darstellung des im Vest Recklinghausen nach der Einlösung durch Kurköln ( 1576) geltenden Jagdrechts. Erst aus dieser Zeit gibt es dafür


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besondere Rechtsquellen; sie werden nach den verschiedensten Gesichtspunkten verarbeitet. -- Das »Fronhauser Recht«, dessen Wesen im Anfang des 19. Jhds. nicht verstanden wurde, stellt, wie Hallermann ( 1339) ausführt, nicht ein eigentümliches bäuerliches Besitzrecht dar, sondern nur ein von dem andrer Höfe kaum abweichendes Recht einer Villikation des Klosters Scheda, die ursprünglich Vilich gehörte. -- Irgendwelche Besonderheiten weist auch die von Deipenbrock ( 1432; Diss. Münster 1920) nur oberflächlich beschriebene Organisation des Essener Oberhofes Huckarde auf; an ihm ist bemerkenswert, daß die Äbtissin über sein Zentrum die Landeshoheit erlangte, und so eine kleine, auf den geschichtlichen Karten bis in jüngste Zeit fehlende Exklave im preußischen Gebiet entstand. -- Einen recht eigenartigen Beitrag zur Siedlungsgeschichte hat Frz. Viegener geliefert (Die Waldmastgenossenschaften der Stadt Rüthen. Jur. Diss. Münster, 261 S., 6 Karten). In gedehnten Erörterungen, die neben breiten referierenden Partien auch manche eigene Beobachtung enthalten, nimmt er zu den verschiedensten Problemen der ältesten Besiedlung und zur Markgenossenschaftsfrage Stellung, nicht nur im Hinblick auf sein engeres Arbeitsgebiet. Mehr auf quellenmäßigem Boden bewegen sich seine Darlegungen über die allmähliche Aushöhlung der Markgenossenschaft Rüthen durch die Stadt, die schließlich die Verwaltung jener völlig an sich brachte.

Auf den handelsgeschichtlichen Ertrag der verschiedenen Arbeiten v. Klockes und v. Winterfelds zur Soester und zur Dortmunder Geschichte ist oben schon hingewiesen worden; namentlich unsere Kenntnis vom Anteil Westfalens am hansischen Handel ist dadurch wesentlich gefördert und Seegers Darstellung in einigen Punkten ergänzt und berichtigt worden (vgl. besonders v. Klocke in 1486). Auf der Suche nach dem Grunde des Zusammenschlusses der Westfalen und Preußen zu einem Drittel ist Wink, nach Prüfung der bisherigen Hypothesen und Abwägung des Für und Wider, zu einem Non liquet gekommen. L. v. Winterfeld sieht (in 1489, S. 8) die Ursache in der Kolonisation Preußens durch Westfalen. -- Mit dem jener großen westfälischen Vororte kann sich der Fernhandel Bielefelds nicht messen; durch Dürftigkeit der Quellen wird zudem die Erkenntnis noch sehr beschränkt. Immerhin kann aus ihnen Vollmer ( 1491) baltische wie friesisch-niederländische Handelsbeziehungen nachweisen, die u. a. dem Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Ravensbergs dienten. -- Uralt und für die Anfänge Soests von ausschlaggebender Bedeutung ist die dortige, seit dem 10. Jhd. bezeugte Salzgewinnung gewesen. Sie verfiel bereits im hohen MA. Anders das um 1175 erstmalig belegte Sassendorfer Salzwerk, das noch heutigen Tages blüht. Seine Entstehung führt v. Klocke ( 1431) auf den Zusammenschluß ansässiger freier Bauern zu einer Sälzergenossenschaft zurück, die sich allein das Siederecht wahrte, wenn auch Anteile an den Pfannen in fremdes Eigentum gerieten. Im 15. Jhd. verschmilzt das Sälzertum mit dem Patriziat des nahen Soest. -- Dem Aufschwung der industriell günstig gestellten Grafschaft Mark bereiteten die schlechten Verkehrsverhältnisse ein großes Hindernis. Man wandte darum im 18. Jhd. dem Ausbau der Wasserwege besondere Aufmerksamkeit zu. Außer Lippe und Ruhr hat damals auch die kleine Emscher zwischen beiden, ähnlich wie im Ravensbergischen die Werre, Beachtung gefunden. M. Horst hat die (nicht ausgeführten) »Pläne zur Schiffbarmachung der Emscher aus der zweiten Hälfte


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des 18. Jhds.« (Phil. Diss. Münster = Veröffentl. des Stadtarchives Wanne- Eickel. III 1, 111 S.) recht anschaulich geschildert, sucht aber die Schuld an der Nichtverwirklichung der Projekte wohl zu stark bei den Behörden. [J. Bauermann.]


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