II. Geschichte in chronologischer Reihenfolge.

An einer aktenmäßigen Darstellung des Prozesses gegen die unglückliche Fürstin aus badischem Haus, Herzogin Jacobe von Jülich-Cleve fehlt es bislang noch immer. Neben dem reichen in verschiedenen Archiven zur Verfügung stehenden Material kommen gelegentlich noch versprengte Aktenstücke an den Tag. So veröffentlicht O. Redlich ( 815) einen Brief der Herzogin an ihren Schwager, den Landgrafen von Leuchtenberg aus dem Jahre 1596 mit einer kurzen Einführung. Der Brief zeigt, wie seitens der Regierungsräte alles geschieht, um der gefangenen Fürstin die Mittel zu ihrer Verteidigung abzuschneiden und den Kaiser den Plänen der Räte geneigt zu machen. Aus welchem Bestand der interessante Brief gestohlen worden und dann zum Verkauf gelangt ist, bleibt ungewiß.

In die Zeit des 30 jährigen Kriegs führt ein Aufsatz von W. Beemelmans ( 832). In breiter, aber durchaus fesselnder Darstellung zeichnet der Verf. ein lebensvolles Bild des Kölner Stadtsyndikus Wissius, der die Stadt in Regensburg und bei den Verhandlungen mit den Schweden vertrat, schließlich aber mit dem größten Undank belohnt wurde, da er es gewagt hatte, gegen den Kölner Klüngel anzugehen und der herrschenden Partei entgegenzuwirken. Diese offenbar mit großer Liebe geschriebene Studie ermöglicht starke Korrekturen der bekannten Darstellung Ennens.

Lohmann ( 1802) unterrichtet darüber, wie es bei der Wahl einer Essener Äbtissin im 17. Jhd. herging, indem er die Akten der Kölner Nuntiatur und die Zeugenaussagen im Informativprozeß über die Wahl der Äbtissin Anna Salome von Salm-Reifferscheidt (1645 u. 1646) z. T. wörtlich wiedergibt. Diese Zeugnisse sind belangreich für die Zustände von Stift und Stadt Essen am Schluß des 30 jährigen Kriegs, beachtenswert aber auch für die Persönlichkeit der Erwählten, die zu den hervorragendsten Äbtissinnen des Stifts zählte und 42 Jahre regiert hat.

Das Bündnis Kurkölns mit Frankreich zeitigte im Jahre 1689 die verhängnisvollsten Ereignisse am Niederrhein, vor allem die Belagerungen von Bonn und Kaiserswerth. Der kleine Aufsatz von M. Braubach ( 843) gibt unter Beigabe einer Kartenskizze einen willkommenen Überblick über die militärische Lage des Erzstifts auf Grund der Berichte des kaiserlichen Generals Freih. v. Beer. Derselbe Verf. ( 846) bietet auf Grund Wiener Archivalien eine kurze Schilderung der Versuche des Kurf. Jos. Clemens von Köln, sich durch einen Paß des Kaisers aus den Händen der Franzosen zu befreien. Der Plan wurde insofern von Wien unterstützt, als er dort wegen Verhandlungen mit Bayern erwünscht schien. Mit dem Scheitern dieser Verhandlungen fiel auch er zu Boden. Und da die Franzosen davon Kenntnis erhalten hatten, wurde die Bewachung des Kurfürsten eine strengere. Als bemerkenswert ist dabei noch festzustellen, daß der Hofstaat des Kölner Kurfürsten auf französischem Boden sich auf 900 Personen belief. Für das Verständnis der schwankenden politischen Haltung des Kölner Kurfürsten Clemens August in den Jahren von 1740 bis 1756 war es sehr wichtig, die Berichte der österreichischen Diplomaten kennenzulernen, nachdem die Darstellung Ennen's sich im wesentlichen auf Meldungen der französischen Gesandten gestützt hatte. Denn zwischen diesen beiden Mächten,


S.555

Österreich und Frankreich, pendelte das Interesse des Kurfürsten hin und her, abwägend, welche von beiden ihm den größten Vorteil verschaffte, um seine künstlerischen Neigungen befriedigen zu können. Somit bieten die gründlichen und für die Zeitgeschichte höchst ergebnisreichen Ausführungen M. Braubach's ( 879) auf Grund seiner Studien im Wiener Archiv eine willkommene Bereicherung unserer Kenntnis der Verhältnisse am kurkölnischen Hofe (vgl. auch das Referat S. 226). Bei dieser Gelegenheit sei auf die schöne Monographie von E. Renard ( 2032 a) über Clemens August, den »rheinischen Mäzen und Waidmann«, hingewiesen, die eine ausgezeichnete Würdigung der Persönlichkeit des Kurfürsten bietet.

Die Dissertation von K. Bierbrauer ( 884) entwirft auf Grund von Wieder und Wiener Akten ein lebensvolles Bild von der Vermittlertätigkeit des Grafen Joh. Friedr. Alexander von Wied in den Konflikten zwischen Österreich und Frankreich in den Jahren 1735--38 und 1741, sowie zwischen Preußen und Frankreich 1757. Sein Kampf gegen die finanziellen Ansprüche des Kaisers und sein Eintreten für den Protestantismus im Siebenjährigen Kriege sind wohl die Höhepunkte seiner politischen Betätigung. Der Verf. hat mit liebevoller Versenkung in die Eigenart des Grafen die schwierige Lage, in der dieser sich 1757 befand, außerordentlich anziehend zu schildern verstanden. Als Regent seiner Grafschaft zeichnete er sich besonders durch humanes und tolerantes Wesen aus, hat für Hebung von Landwirtschaft und Industrie viel geleistet und in der Verwaltung zahlreiche Verbesserungen veranlaßt. Besonders bemerkenswert sind auch seine Handels- und Kolonisationsbestrebungen.

Über revolutionäre Stimmungen und Vorgänge in Trier, die dem Ausbruch der französischen Revolution vorangingen, unterrichtet der lesenswerte Aufsatz von J. Wagner ( 892 a). Die Einweihung des Schlosses in Koblenz im Jahre 1786 hatte in Trier böses Blut gemacht. Aber daneben finden sich noch mancherlei Anzeichen, daß der Geist der Widersetzlichkeit allenthalben Boden gewann, bis es dann am 23. Oktober 1789 zu einem förmlichen Tumult kam. -- Die interessante Studie von Jos. Hansen ( 892) bildet den Auftakt zu einer vom Verf. geplanten größeren Darstellung, die noch durch eine umfassende Quellenpublikation ergänzt werden soll. Sie zeigt, daß die französische Auffassung von der um 1800 am linken Rheinufer herrschenden Stimmung sehr starker Korrektur bedarf und daß gerade im Rhein-Mosel-Departement, in dessen Namen Görres auftrat, sich nur eine geringe Zahl von Kantonen an der Adreßbewegung von 1798 beteiligt hatte. Vor allem bietet der Verf. hier aber eine wertvolle Schilderung des Fortschreitens der Aufklärungsbewegung in den rheinischen Staaten.

Die (ungedruckte) Dissertation von K. Bell ( 1379) sucht die Frage zu beantworten, ob und inwieweit von einer unmittelbaren Einwirkung der Französischen Revolution auf die Gesinnung der Bevölkerung im nördlichen Deutschland, besonders innerhalb des preußischen Staatsgebiets, die Rede sein könne. Aus diesem Anlaß untersucht er die klevische Landtagsverfassung, um zu zeigen, wie sich die Stände im Wandel der Zeit betätigen, und kommt nach eingehender Darlegung des Verhaltens der Stände im 17. und 18. Jhd. zu dem Ergebnis, daß die Anhänglichkeit an Preußen und der Haß gegen Frankreich einer Einwirkung der Französischen Revolution in diesem Gebiete entgegenstanden.


Diese Seite ist Bestandteil des Informationsangebots "Jahresberichte für deutsche Geschichte" aus der Zwischenkriegszeit (1925-1938)