III. Rechts- und Verfassungsgeschichte.

Im Anschluß an seine Feststellungen


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über die Lage der Trierer Heiligkreuzkirche kommt G. Kentenich ( 1327) zu sehr beachtlichen Ausführungen über den alten Hundertschaftsbezirk, dessen Vorstand (der Zender) der Erbe des um 1140 erloschenen Burggrafenamts war und der den Zoll bei Castel besaß, das nichts anderes zu sein scheint, als die in den Kaiserthermen lokalisierte alte Burg. Wahrscheinlich haben wir hier die Wirksamkeit des alten Grafen aus fränkischer Zeit zu suchen, dessen Nachfolger dann der Burggraf wurde.

Die noch aus der Schule v. Belows hervorgegangene Dissertation von Joh. Somya ( 1328) kommt infolge der mangelhaften Quellenüberlieferung für Berg zu keinen völlig gesicherten Ergebnissen. Mit v. Below erblickt der Verf. im Besitz der »grafengleichen, vogteilichen Blutgerichtsbarkeit« die rechtliche und tatsächliche Grundlage der Landeshoheit. Die frühe und gründliche Verschmelzung von Grafschaft und Vogtei biete hier eine Besonderheit. Das Besteuerungsrecht der Grafen von Berg stamme aus der Vogtei, nicht aus der Grafschaft. Wenn nun auch die Lösung der vielfach sehr verwickelten und unklaren Verhältnisse, aus denen sich die Landeshoheit der bergischen Grafen gebildet hat, hier nur versucht werden konnte, so bietet die Untersuchung doch brauchbare Grundlagen für eine weitere Behandlung dieser Fragen.

In sorgfältiger Untersuchung weist H. Th. Hoederath ( 1712) nach, daß schon im 12. und 13. Jhd. die Kapläne der Essener Äbtissin als Notare fungierten und daß der capellanus honoris des 14. Jhd., der vor allem als Investitor und Richter genannt wird, dieselben Funktionen ausübte, wie später ein Generalvikar und Offizial der Bischofskurie. Die Tätigkeit der geistlichen Richter in den letzten 3 Jahrhunderten des Stifts wird dann geschildert, wobei zwar der Differenzen mit Kurköln Erwähnung geschieht, aber nicht der Zusammenstöße der geistlichen Jurisdiktion der Äbtissin mit der weltlichen Macht (Kleve bzw. Brandenburg), an denen es doch vermutlich nicht gefehlt hat. Beachtung verdient, daß der Essener Offizial noch nach der Säkularisation von 1802 bis 1821 die Aufsicht über die katholische Geistlichkeit des Essener Bezirks beibehält.

Das Offizialatsstatut des Erzbischofs Dietrich von Köln (1414--1463) hat für die Organisation des erzbischöflichen Hofgerichts erst die festumrissene straffe Form geschaffen. Die Entstehung dieser Gerichtsordnung lag bisher im Dunkel. Jetzt führt F. Gescher ( 1710) auf Grund einer Abschrift dieser Ordnung nebst datierter Ausführungsverordnung, die sich in einem jüngst vom Kölner Stadtarchiv erworbenen, bisher unbekannten Kopiar von St. Pantaleon befand, den Nachweis, daß die Ordnung dem Jahre 1435 entstammt. Die Ausführungsverordnung richtet sich an den Siegler Hermann von der Arcken, der damals erst 20 Jahre zählen konnte. Und diesem Jüngling unterstand nun »die sittliche Korrektion der gesamten Geistlichkeit«!

M. Vaßen ( 1541) bringt es durch ausgiebige archivalische Studien zu recht beachtlichen Ergebnissen über die Entwicklung der Wirtschaftsverhältnisse der Stadt Jülich sowie über die Verfassung und Verwaltung der Stadt. Die Boden-, Wasser- und Klimaverhältnisse bestimmen den agrarischen Charakter des umliegenden Landes und den Charakter der Stadt als Verkehrssiedelung und (infolge der günstigen strategischen Lage) als Festung. Jülich ist gewachsene, nicht gegründete Stadt! Gelegentlich der historischen Betrachtung fehlt es nicht an Widersprüchen, so, wenn Verf. sagt, daß die Vernichtung Nideggens (1543) die Verlegung der Residenz nach Jülich beschleunigt habe und kurz


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darauf berichtet, daß mit der (doch schon 1423 erfolgten) Vereinigung Jülichs und Bergs Düsseldorf Mittelpunkt und Residenz der wachsenden Ländermasse geworden sei. Von den beigefügten Karten bedarf die dritte, welche auf Grund der Schneiderschen Forschungen das römische Straßennetz veranschaulicht, mancherlei Korrektur durch das Hagensche Atlaswerk.

Für die Verfassungsgeschichte von Stadt und Stift Essen bieten die von FC. Büscher ( 1377, 1378) veröffentlichen Ordnungen mancherlei Interesse, so besonders die Kurordnung von 1602, die nicht nur Vorschriften über die Wahl des Rats und der Vierundzwanziger gibt, sondern auch Bestimmungen über die Stadtverwaltung enthält. Die Abfassung der Prozeßverordnungen ist offensichtlich in enger Anlehnung an die Reichskammergerichtsordnung von 1555 und an den das Prozeßverfahren regelnden Reichsabschied zu Regensburg v. J. 1654 erfolgt. Den Gerichtsordnungen schickt B. eine kurze Übersicht über die Gerichtseinrichtungen voraus, die im Stift Essen bestanden.

Die Dissertation von G. Heusch ( 1375) begnügt sich damit, die einzelnen Entwürfe zur Reform der Aachener Verfassung aus den Jahren 1786 bis 1792 kurz zu skizzieren. Sie stellt fest, daß die Beeinflussung dieser Entwürfe durch die staatspolitischen Ideen des 18. Jhds. eine nicht geringe gewesen ist. Jedoch lasse sich ein unmittelbarer Zusammenhang der Aachener Bewegung mit der Brabanter Revolution oder den Unruhen in Lüttich nicht nachweisen. -- Die Einleitung, ein Überblick über die Aachener Verfassung bis zum 18. Jhd., zeigt mancherlei Fehler und Flüchtigkeiten.

Aus der Menge der Flugschriften, in denen seit 1814 der Rhein und die Rheinlande die Öffentlichkeit beschäftigten, hat G. Wohlers ( 976) diejenigen behandelt, die dem Kampf zwischen preußischem Recht und der am Rhein heimisch gewordenen französischen Gerichtsverfassung galten. Die Veröffentlichung der Kabinettsorder vom 20. Juni 1816, die der neu zu errichtenden Immediatjustizkommission nahelegte, sich »um nützliche und erfahrungsreiche Mitteilungen zu bemühen«, gab das Signal zum Beginn der Auseinandersetzung, die durch Sethe u. a. gefördert wurde. Das Endergebnis der literarischen Auseinandersetzung darf man in der Schrift des Düsseldorfers J. P. Brewer erblicken, »Über das öffentliche Verfahren vor Gericht«, dessen Beweisführung die Immediatjustizkommission in mehr als einem Gutachten zustimmte.


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