2. Historische Landeskunde.

Zur Frage der keltischen Ortsnamen in Elsaß- Lothringen setzt Laugel ( 499) seine bereits im Vorjahr (vgl. Jahresber. 2, S. 612) angezeigten Untersuchungen in der Revue d'Alsace fort und behandelt in diesem zweiten Teil seiner Arbeit die aus Familiennamen abgeleiteten und mit der Endung -acus versehenen Ortsbezeichnungen. Auch hier ist wieder das Ergebnis, daß die gallorömische Art der Benennung im Elsaß nur spärliche und zum Teil unsichere Spuren hinterlassen hat (von den Aufstellungen Laugels dürfte hier vielleicht sogar noch das eine und andere abzustreichen sein), während Lothringen und besonders das pays Messin auch in dieser Beziehung eine »citadelle importante du romanisme« bildete. -- Im Gegensatz zu diesen rein philologisch orientierten Ausführungen versucht Langenbeck in seinen Beiträgen zur Siedlungsgeschichte ( 387) durch eine mehr auf die geographischen Voraussetzungen gerichtete Betrachtungsweise der Lösung des oft behandelten Ortsnamenproblems näherzurücken. Seine Übersicht über die -ingen-, -ach- und -heim-Siedelungen in der oberrheinischen Ebene (auch Baden wird in weitgehendem Maß mitbehandelt) führt zu dem Ergebnis, daß die -heim-Orte meist in dichtgedrängten Komplexen die wichtigen Linien und die Ebene beherrschen, während die anderen in Randstellungen gedrängt sind. Zur Erklärung dieses Zustandes scheint ihm einzig die von Schiber und Wolfram verfochtene Theorie geeignet, wonach auch die Ebene ursprünglich dichte alemannische Besiedlung zeigte, deren Spuren aber in den Ortsnamen durch die nach der fränkischen Eroberung sich durchsetzenden heim-Formen verwischt wurden, während die rein alemannischen Namensbildungen sich im wesentlichen nur in den Gebirgstälern erhielten. Die beigegebene Karte hätte diese Verhältnisse noch besser verdeutlichen können, wenn sie nicht zu stark überladen wäre und sich auf das Wichtigste beschränkte. -- Die Pages Alsaciennes, die zum 70. Geburtstag Christian Pfisters von seinen Schülern herausgegeben worden sind ( 148), vereinigen eine Reihe von teils unveröffentlichten, teils an sehr entlegenen Stellen gedruckten Arbeiten des Jubilars. Da sie durchweg Beiträge zur elsässischen Geschichte darbieten, können sie für Pfister nicht geradezu als charakteristisch gelten, denn seine Lebensarbeit war in erster Linie Lothringen und der Stadt Nancy gewidmet, als deren Geschichtschreiber er sich mit einer umfangreichen Stadtgeschichte und zahlreichen nebenhergegangenen kleineren Arbeiten einen wohlverdienten wissenschaftlichen Ruhm begründet hat. So wenig bezeichnend die Sammlung von diesem Gesichtspunkt aus ist, so unerfreulich ist sie außerdem dadurch, daß man zu wenig wählerisch in der Auswahl der Arbeiten war. Was Pfister in den Jahren 1917--1925 über die »Formation de l'Alsace-Lorraine« und ähnliche Themen geschrieben hat, verdient es kaum, in einer Jubiläumsschrift noch einmal aufgetischt zu werden, da die extremen Stimmungen der Kriegs- und Annexionszeit und der offenbare propagandistische Zweck keinen fruchtbaren Boden für ein ruhiges wissenschaftliches Durchdenken dieser Probleme bildeten. Es finden sich denn auch, abgesehen von der typisch französischen Auslegung der westfälischen Friedensbestimmungen (S. 17 ff.), genug Einseitigkeiten und Schiefheiten, etwa die völlige Ignorierung der elsässischen Geschichte vom 10. bis 17. Jhd. (S. 14),


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die pointierte Gegenüberstellung von caporalisme allemand und culture française (S. 277), der schöne Satz: »Le canon de Valmy délivra l'Alsace de l'oppression germanique« (S. 32) und ähnliche Zuspitzungen, die für den wissenschaftlich nicht geschulten Leser um so gefährlicher sind, je bestechender und eleganter die Diktion ist, in der sie vorgetragen werden. Für uns Deutsche ist aus dieser Kategorie von Arbeiten am fesselndsten die über »la vie publique en Alsace-Lorraine depuis 1871«, ein sehr geschickter Überblick, der freilich auch in dem was er ausspricht und verschweigt, manche Voreingenommenheit offenbart. Wirklich wertvoll sind dagegen einige durchaus wissenschaftlich gehaltene Arbeiten zu Einzelfragen der elsässischen Landesgeschichte, vor allem die bisher ungedruckten Vie de Ste. Odile, worin Pfister seine früheren Ausführungen (Annales de l'Est 1890--1892) revidiert und den sehr spärlichen historischen Kern aus der üppigen legendären Verhüllung kritisch herausschält, ferner La Ville de Ribeauvillé et le comté de Ribeaupierre 1648--1789, und Les juifs d'Alsace 1648--1791.


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