3. Quellen und Darstellungen.

Zur mittelalterlichen Geschichte Badens ist nur die fleißige Dissertation von Meinzer ( 773) zu nennen, der auf Grund des reichen, in den Regesten der Markgrafen von Baden aufgespeicherten Materials eine Biographie Markgraf Karls I. (1453--1475) bietet und darin über die früheren summarischen oder veralteten Darstellungen in manchen Punkten hinauskommt. Karl war in seinen weitverzweigten politischen Unternehmungen unbeständiger und daher weniger glücklich als sein Vater. Die Niederlage bei Seckenheim, das verunglückte Eingreifen in den Lütticher Bistumsstreit, unaufhörliche Reibereien mit Württemberg und schließlich die Ausbreitung der burgundischen Macht am Oberrhein machten seine Hoffnungen auf Arrondierung seiner Lande zuschanden. Die (S. 45 Anm. 2 aufgezählten) kleineren Erwerbungen vermochten ihn für zahlreiche Verluste und finanzielle Opfer nicht zu entschädigen. Dem Defensivbündnis mit einigen kleinen Ritterfamilien,


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das wesentlich zur Abwehr befürchteter burgundischer Übergriffe bestimmt war und nach zehn Jahren ablief, tut Meinzer (S. 40) doch wohl etwas zu viel Ehre an, wenn er es als einen Ersatz für die fehlgeschlagene Hoffnung auf eine einträgliche Landvogtei ansehen will. -- Das im vorigen § bereits angezeigte Werk von Rosenkranz über den Bundschuh ( 760) behandelt in seinem Hauptteil die Bauernbewegungen innerhalb der Grenzen des heutigen Baden, die Bruchsaler Erhebung des Jahres 1502, den Bundschuh von Lehen 1513, den Bühler Armen Konrad von 1514 und den großen Bundschuh von 1517. Der Arme Konrad des Jahres 1514, der sich ganz auf die Bühler Lokalgravamina (Rügegericht, Erbordnung und Fischrecht) beschränkt, fällt völlig aus dem Rahmen der von R. behandelten, durch wachsenden Radikalismus und grundsätzliche Auflehnung gekennzeichneten Bundschuh-Bewegung heraus und hätte füglich in diesem Werk keinen Platz verdient. Die geplanten Erhebungen der Jahre 1502, 1513 und 1517, durch die Führerpersönlichkeit des Untergrombacher Bauern Joß Fritz zu einer Einheit verschmolzen, bilden dagegen die folgerichtigen Etappen in der Entwicklung des Bundschuh-Gedankens von lokaler Unzufriedenheit zum allgemeinen Umsturz. Schon 1502 war die Aufwerfung des Bundschuhes nicht mehr wie 1493 bei Schlettstadt letztes verzweifeltes Mittel, sondern von vornherein ein wesentlicher Punkt des Programms, das die allgemeine Idee von der »göttlichen Gerechtigkeit« verwirklichen sollte. Die hier schon greifbare und in Joß Fritz verkörperte Wendung zu krassem Radikalismus war auch nach dem Mißlingen dieses Versuchs nicht mehr aufzuhalten. Sie erreichte ihren Höhe- und Endpunkt in der großen Verschwörung von 1517, die sich auf beide Rheinufer und selbst bis ins Württembergische erstreckte und in Baden, besonders in Ortenau und Breisgau, mindestens 35 Ortschaften ergriffen hatte. -- Aus den Vorarbeiten zu einem neuen demnächst erscheinenden Band des Badischen Inventarisationswerks ist der Aufsatz von Rott über Baden-Baden im 16 und 17. Jhd. erwachsen (ZGORh. NF. 41, 38), der zur Topographie und Baugeschichte dieser Stadt manche neuen Aufschlüsse bringt. Bemerkenswert ist die aus einem amtlichen Bericht geschöpfte Feststellung (S. 57), daß bei der Niederbrennung der Stadt durch die Franzosen 1689 weder die Gräber der Markgrafen erbrochen noch die Mauern der Stadt niedergerissen wurden, wie bisher im Anschluß an den unzuverlässigen Bericht eines Karmeliterpaters (Theatr. Europ. 13, 707) von manchen Autoren wiederholt worden ist. Eine ausführliche Denkschrift des badischen Amtmanns an den Türkenlouis v. J. 1691 mit Plänen für den Wiederaufbau wird im Wortlaut abgedruckt. -- Die Jahrzehnte von der napoleonischen Zeit bis zum Jahre 1870, die in mehr als einer Hinsicht den Höhepunkt der badischen Geschichte bilden, haben schon manche Feder in Bewegung gesetzt. Daß trotzdem auch hier noch Ersprießliches zu leisten ist, wird aber durch die Produktion des Berichtsjahres in erfreulicher Weise bewiesen. Schnabel ( 908) hat in seiner Biographie Sigismunds von Reitzenstein diesen »Begründer des badischen Staates« eigentlich erst wieder neu entdeckt, der das Staatsschiff mit Weitblick und kalter Berechnung durch zwei klippenreiche Jahrzehnte seit 1795 hindurchsteuerte und an der Bildung des badischen Mittelstaates den allein entscheidenden, an seinem inneren Ausbau einen überragenden Anteil hatte. Von dem Augenblick an, da Reitzenstein mit der Voraussetzungslosigkeit, die das Kennzeichen jeder höheren staatsmännischen Begabung ist, den unbedingten Anschluß des Grenzstaates

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an Frankreich als einziges Heilmittel erkannte und zur Anwendung brachte, bis zu seinen letzten Schritten auf der politischen Bühne in den dreißiger Jahren war er einer Fülle von Widerständen ausgesetzt, die sein Leben zu einer wahren Tragödie machten. Gegen die Anfeindungen des Geheimen Rats und des unfähigen Ministers Edelsheim und die legitimistischen Bedenklichkeiten des alternden Karl Friedrich mußte er seine ersten Schritte erkämpfen wie alle späteren gegen die Kabalen am Hofe und die Mißgunst der Kollegen und Beamten. Daß er trotzdem unbeirrt seinen Weg ging, verrät außer einer an klassischen Vorbildern erstarkten Seelengröße eine Begabung, die weit über den Kreis seiner Aufgaben hinausreichte. Auch darin liegt Tragik, daß er der Rheinbundpolitiker war und bleiben mußte, dessen Kraft schließlich nur »dem Aufbau einer zweckwidrigen partikularen Gewalt gedient hat«. Die fesselnde, formvollendete Darstellung, in der Schnabel dieses bewegte und bedeutsame Leben an uns vorüberziehen läßt, macht die Mühen der archivalischen Forschung vergessen, die ihr zugrunde liegen. -- Mit der Herausgabe der monumentalen Aktenpublikation über Großherzog Friedrich I. durch Oncken ( 995) hat die Badische Historische Kommission einer Ehrenpflicht genügt und damit zugleich über den Umkreis ihres engeren Interessengebietes hinaus einen grundlegenden Baustein zur deutschen Geschichte des 19. Jhds. beigetragen. Denn die Jahrzehnte vom Krimkrieg bis zur Reichsgründung, die in diesen beiden Bänden umfaßt werden, sind die bedeutsamsten der badischen Geschichte; es war die Zeit, da Baden, aus der Enge seiner mittelstaatlichen Grenzen hinaustretend, zu einem entscheidenden Eingreifen in den Gang der deutschen Entwicklung bestimmt schien, eben dank der Persönlichkeit seines Landesherrn, der gewiß kein politischer Genius war, aber dadurch aus der Reihe seiner Standesgenossen bedeutend hervorragte, daß er die zwei Grundgedanken des Zeitalters, den nationalen und den liberalen, frühzeitig in sich vereinigte und auch unter Rückschlägen und Enttäuschungen mit reinem Idealismus und männlicher Charakterstärke festhielt. Es war freilich nach einem Wort Roggenbachs auf die Dauer nicht möglich, von der Basis eines Mittelstaates aus deutsche Politik zu treiben, und Friedrich mußte diese bittere Wahrheit bis zur Neige kosten, denn auf die hoffnungsschwangeren Jahre der friedlichen Bundesreformpläne, in denen er seinen Zielen nahe zu sein schien, folgte der Aufstieg der Bismarckschen Großmachtpolitik, die ihn -- bei aller Übereinstimmung der schließlich erreichten Ziele -- die Verschiedenheit der dahin führenden Wege aufs schmerzlichste empfinden ließ und ihn sogar gegen seine Überzeugung an die Seite Österreichs führen mußte. Das Jahr 1866 bedeutet die tiefste Depression in Friedrichs politischem Dasein vor dem endlichen, von Schwierigkeiten starrenden Wiederanstieg. Die darstellende Einleitung Onckens, die in dem Gang dieses persönlichen Lebens zugleich den Gang der deutschen Geschichte aufzeigt, hebt die Quintessenz der Quellenpublikation in klaren Zügen und mit souveräner Beherrschung des Stoffes heraus. Unter den Korrespondenten nimmt Wilhelm von Preußen weitaus die erste Stelle ein, nächst ihm stehen Ernst von Coburg, Roggenbach, der Staatsrat Gelzer und andere. Die Korrespondenz mit Roggenbach erscheint nur einseitig, da die Briefe Friedrichs an den Minister, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, leider verloren sind. Der zweite Band wird zum größten Teil von Friedrichs Versailler Tagebuch eingenommen. (Vgl. auch S. 253.)


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