VI. Wirtschafts- und Sozialgeschichte.

An seine früheren Arbeiten anknüpfend, geht Mendl (S. 622 Nr. 24) nun der Entstehung der Zünfte (Zechen) nach, wobei er Z. Winters These für Böhmen, die Zünfte seien aus freiwilligen Brüderschaften entstanden, zugunsten der schon in den ältesten Denkmälern auftretenden Zwangsorganisation (»officium«, »Ordnung«, pořádek«) bekämpft. Schon in der ältesten Prager »Ordnung« von 1318 kommt dieses Prinzip zum Ausdruck, daneben freilich auch der Bruderschaftsgedanke, der zunächst in der 1324 freiwillig geschlossenen Goldschmiedebrüderschaft ausschließlich vorherrscht. In der ganzen Zunftbewegung trat dann das zunftfeindliche Verhalten des Königtums im 14. Jhd. hinzu. Ansätze lassen sich bereits in der Zeit Wenzels II. feststellen. Der Widerstand wuchs in den dreißiger und vierziger Jahren, als die Zünfte politische Rechte zu erlangen trachteten und der Kampf mit dem Patriziat um die Herrschaft in der Stadt losbrach. Besonders scharf trat Karl in Mähren gegen die Zünfte auf, zu Beginn der fünfziger Jahre auch in Böhmen, und zwar nicht nur gegen die politischen Bestrebungen, sondern auch gegen die wirtschaftlichen Ziele (Zunftzwang). Ja, er beschränkte die Zünfte empfindlich und räumte den städtischen Behörden einen viel größeren Spielraum den Zechen gegenüber ein ( 1352). Immer mehr überwog die Zahl der Vorschriften die der Rechte. Diese Tendenzen der böhmischen Regierung Karls bewegten sich auf einem breiteren Hintergrunde, da im Reiche, auch in den böhmischen Nebenländern Ähnliches vor sich ging. Es war überall der Kampf der Regierung mit der »revolutionären Selbsthilfe der Untertanen«. In all dies griff dann


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auch der Streit der Tuchmacher und Tuchschneider ein. Aber die Zunftbewegung ließ sich nicht niederdrücken. Wenzel IV. nahm zu dieser Frage keine einheitliche Stellung ein. Aber obwohl die königliche Regierung nicht mehr restlos dem Patriziat günstig gesinnt war, behielt es doch noch einige Zeit die Herrschaft in den Städten, bis sich in den Hussitenwirren das Verhältnis umkehrte. Den zuverlässigen Ausführungen M.s wäre das von Wostry veröffentlichte Pamphlet (Mitt. d. Ver. f. Böhm. 1914) von Nutzen gewesen. -- In das Gebiet der deutschböhmischen Handelsgeschichte des 18. Jhds. schlägt »Die Handelskorrespondenz des Braunauer Negotianten Franz Anton Strischek« ein, die F. Meißner im Jahrb. d. Riesengebirgsvereins 16, 59--78 veröffentlicht. Strischek besaß ein bedeutendes Handelshaus für Leinwand. -- Liebevoller Pflege erfreut sich weiterhin die Erforschung der Geschichte der sozialen und Rechtslage des Bauerntums, wozu Černý (S. 621 Nr. 5), auf dessen Arbeit später eingegangen werden wird, diesmal am meisten beigetragen hat. An wichtigen Fragen rührt auch Hrubý (S. 621 Nr. 10), der, wie in früheren Arbeiten, darauf aus ist, die Vermögenslage des Bauernstandes in der Zeit vor der Weißenberger Schlacht zu prüfen, was ähnlich Pekař und Krofta bereits früher versuchten. Bisher wurden dazu vor allem die von Kalousek edierten »Bauernordnungen« benützt. Man kann dieser Frage aber auch an Hand der Inventare bäuerlicher Hinterlassenschaften nachgehen, wie sich auch der adlige Vermögensstand sehr wohl an den gleichen Quellen abschätzen läßt, von denen H. drei aus Mähren, und zwar das der Burg Helfenstein bei Leipnik ( 1552), Groß- Meseritsch ( 1615), Mährisch-Trübau ( 1621), seinen Untersuchungen zugrunde legt. Auch für das bäuerliche Leben wählt er Beispiele aus Mähren und kommt für das 16. Jhd. zu der Überzeugung, daß die Viehzucht den Ackerbau überwog, daß die besäte Fläche um vieles kleiner war als heute. Gerade in der mährischen Slowakei gab es schon damals sehr wohlhabende Bauern, ebenso war ihre Vermögenslage in der Iglauer Gegend günstig. Die Schloßinventare überraschen durch die übergroße Einfachheit und Armut, dann auch durch den stark militärischen Charakter, der dafür spricht, daß im 16. Jhd. der böhmisch-mährische Adel noch stark in den Überlieferungen der Kriege im 15. Jhd. lebte. Freilich machen sich im 16. Jhd. dann bereits italienische Kultureinflüsse geltend, die durch den Hof Ferdinands I. und durch häufigeres Reisen des Adels nahegelegt wurden. Am Ende des 16. Jhds. tritt dann deutlich der Umschwung in der Haltung des Adels ein. Davon zeugt das den Berka gehörige Schloß Meseritsch. Die katholisch-spanische Art trat nunmehr hervor. Wieder wirkte das Beispiel des Hofes ein. Im 17. Jhd. weisen dann die Adelssitze bereits eine große Pracht auf. Im Anhang druckt H. bäuerliche und adlige Inventare ab. -- Für die böhmische Herrschaft Reichenburg beschreibt Kosinová (S. 622 Nr. 17) die Entstehung im Anschluß an Sedláček, bespricht dann vor allem die in dieser Herrschaft seit dem Ende des 17. Jhds. geführten Grundbücher, Urbare, Hochzeits-, Tauf-, Kaufbücher usw. nach der formalen Seite. --Roubik (S. 623 Nr. 37) legt für den so sehr durch Dichtung und Sage umsponnenen Chodenaufstand in den neunziger Jahren des 17. Jhds., der mit der Hinrichtung des Bauernführers Kozina ein blutiges Ende nahm, viel neues Material vor, das die mit zähester Hartnäckigkeit an den ihnen einst von den Königen gegebenen Privilegien hängenden Chodenbauern beleuchtet. R. verspricht eine Gesamtdarstellung der Chodengeschichte.


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