II. Topographische Nachschlagewerke, Ortsnamenkunde:

Die wichtige Aufgabe der Herstellung historischer Ortsverzeichnisse in Deutschland hat insofern eine Förderung erfahren, als für Sachsen eine Veröffentlichung Alf. Meiches ( 220) vorliegt, und zwar für ein Teilgebiet: eine »historisch-topographische Beschreibung der Amtshauptmannschaft Pirna«, also für das landschaftlich und historisch besonders anziehende Gebiet der Sächsischen Schweiz. Die allgemeine Bedeutung dieser Schrift ist darin zu suchen, daß eine neue Art eines historischen Ortsverzeichnisses damit erprobt wird, wobei die Fülle und Vollständigkeit der einzelnen Nachrichten wesentlich über das bisherige Maß hinausgeht. Der wissenschaftliche Wert solcher Gestaltung steht fest; es wird freilich aus äußeren Gründen fraglich sein, ob der damit geschaffene Typ allgemeiner Anwendung finden kann. -- Einige lehrreiche Beiträge zur Ortsnamenkunde bringt der neue (III.) Band der Zeitschrift für Ortsnamenforschung. Der Herausgeber selbst, J. Schnetz ( 490), setzt darin seine Untersuchungen zu den Flußnamen Deutschlands fort (Kocher aus kelt. Wurzel kuk, »Krummfluß« nach den Flußwindungen); E. Schwarz ( 512) beschäftigt sich mit der Namengebung der Flüsse nach dem Quellgebiet und der Mündung in den Sudetenländern. Auch wird der Meinungsaustausch über die Flußnamen


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auf -apa fortgesetzt. Eine Arbeit über die rheinischen -ingen-Orte ist von W. Kaspers ( 501) begonnen worden, zunächst eine sorgfältige Zusammenstellung der auftretenden Namen; als Bedeutung wird nach Fr. Kluges Erklärung die Zugehörigkeit angesehen, gleichviel ob eine Bildung mit Personennamen oder Sachbezeichnung nach Erscheinungen im Gelände vorliegt. Einen namhaften Fortschritt bringt eine Arbeit Ad. Bach's ( 391), der die Förderung rheinischer Siedlungsgeschichte von der Ortsnamenforschung her in Angriff genommen hat. Seine gründliche Untersuchung beschränkt sich auf die Siedlungsnamen des Taunusgebiets, zeichnet sich aber durch die Ausbildung einer neuen, verfeinerten Untersuchungsmethode aus. Darlegungen über die Landesnatur und die wichtigsten geschichtlichen Tatsachen werden vorangestellt. Sodann führt der Verfasser auf Grund vorangegangener historisch-philologischer Voruntersuchung der überlieferten Namen eine wirkliche Statistik der Ortsnamenbildung durch, indem die Unterschiede des Auftretens der Namengruppen in der Zeitfolge sowie nach den Verbreitungszonen klargelegt werden. In bemerkenswerter Weise verwendet er dabei die Grundsätze heutiger Mundartenforschung mit dem Nachweis jüngeren Wandels der Sprachformen durch Angleich und allerlei Vorgänge des Sprachverkehrs. So wird in wesentlich gesteigerter Genauigkeit der Tatsachenermittlung eine Chronologie der typischen Namen nach Perioden herausgearbeitet, die nunmehr viel verläßlicher als bisher es ermöglicht, die Siedlungsnamen für die Erkenntnis des Gangs der Besiedlung zu verwerten. Dabei wendet sich B. nicht nur gegen die gerade für Hessen vorgetragene Lehre Arnolds über Unterschiede fränkischer und alemannischer Ortsnamengebung, sondern setzt sich auch mit ähnlichen Aufstellungen Schumachers auseinander und verteidigt -- namentlich gegen Einwendungen Steinbachs -- seine eigene These, daß eine Doppelbenennung nach der Bezeichnung der Siedler (-ingen) und der Siedelweise (-heim, -hausen u. a.) ursprünglich üblich gewesen sei, bis ein räumlicher Ausgleich der Formen des Sprachbildes sich ergeben habe. Eine sehr lehrreiche Erörterung der westslawischen Ortsnamen wird H. Fel. Schmid ( 405) verdankt. Es wird darin ein Überblick über die Entwicklung und die Ergebnisse der von slawischen Gelehrten, zumal für Polen, betriebenen Ortsnamenforschung gegeben; wichtig ist dies nicht nur wegen des damit gebotenen Einblicks in den Stand dieser Forschungen, sondern besonders auch deshalb, weil für das slawisch besiedelte Gebiet ganz ähnliche Fragen der Namensforschung aufgetreten sind und ähnliche Erklärungsversuche (Benennung nach Sippe, Besitz, Grundherrschaft, Dienstsiedlung, natürlichen Merkmalen u. a.) unternommen wurden wie im Bereich der deutschen Ortsnamenforschung. Auch bei jenen Namen spielt die Unterscheidung rein topographischer und anderer sachlicher Bezeichnungen sowie solcher Namensformen, die patronymische (pluralische) oder possessive Bildung aufweisen, eine bedeutsame Rolle. Die zeitliche Einreihung ist dadurch gefördert, daß die älteste urkundliche Überlieferung jener östlichen Lande einer Epoche angehört, in welcher die Namenbildung noch vielfach im Fluß war. An der Möglichkeit sozialgeschichtlicher Auswertung und damit auch an einer kritischen Verwendung der Namen für siedlungsgeschichtliche Aufschlüsse hält Schm. in gut begründeter Darlegung fest.


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