III.--IV. Historische Kartographie, historisch-politische Geographie.

Die wichtigste Erscheinung ist eine neue Veröffentlichung in der Reihe der Arbeiten


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zum geschichtlichen Atlas von Hessen und Nassau in den von Edm. Stengel herausgegebenen »Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte« Heft 3: G. Wredes »Territorialgeschichte der Grafschaft Wittgenstein« ( 202) nebst einem Atlas von 12 Karten. Die Arbeit bezieht sich auf ein schon um seiner Lage willen wichtiges Gebiet, an der fränkisch-sächsischen Stammesgrenze im Flußbereich der oberen Eder und Lahn. Mit größter Sorgsamkeit ist die quellenmäßige Untersuchung durchgeführt. Von Feststellungen zur Gaugeographie (Lahn- und Hessengau) wird ausgegangen und sodann die Ausbildung des Territoriums dargestellt. Einen breiten Umfang nimmt die Ermittlung der Landesgrenzen ein, woran sich die Behandlung der inneren Landeseinteilung schließt (Ämter, Landgerichte, Verwaltungsbezirke der neueren Zeit, Kirchspiele, Forsten). Ein knapp gehaltenes Ortslexikon wird beigefügt, auch ein Register der Flur-, Fluß- und Straßennamen. Eine besondere Bedeutung hat nun die Veröffentlichung dadurch, daß eine neue Methode in Anwendung kartographischer Darstellungsmittel ausgeprobt wird. Die Kartenbeigaben werden auf eine sog. »Grundkarte« (1:100 000) bezogen, in der das Gewässernetz, Ortszeichen und Ortsnamen eingezeichnet sind, ohne Gemarkungsgrenzen. Dazu kommen nun durchsichtige Blätter (Pauspapier, Oleaten), welche die historisch wichtigen Erscheinungen darstellen: urkundliche Belege der Ortschaften, Besitz- und Rechtsverhältnisse, Landesgrenzen und Bezirke, so daß die Möglichkeit besteht, verschiedene solche Blätter übereinanderzulegen und die historischen Beobachtungen mannigfaltig zu kombinieren. In technischer Hinsicht sind diese Karten durch klare, geschmackvolle Ausführung ausgezeichnet. Als Arbeitsmethode beim Studium historischer Probleme ist dies Verfahren sicher zweckmäßig, zumal da es eine große Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit gestattet; für die Darstellung der endgültigen hauptsächlichsten Ergebnisse zur geschichtlichen Landeskunde wird freilich wohl die Eintragung in einzelnen Kartenbildern ihre Vorzüge behaupten. -- Auch die Studien und Vorarbeiten zum Historischen Atlas von Niedersachsen haben ihre Fortsetzung erfahren. Einen Teil des welfischen Territorialstaates in Südhannover hat Gertrud Wolters ( 1341) bearbeitet: »Das Amt Friedland und das Gericht Leineberg« bei Göttingen. Die Untersuchung dient vornehmlich verfassungsgeschichtlichen Zwecken; es gilt, die Entwicklung der Landesherrschaft und ihrer Rechte klarzulegen, wobei der Ausgang der Entwicklung teils in der gräflichen Gewalt, teils in der Niedergerichts- und Banngrundherrschaft erblickt, als wesentlich aber die räumliche Geschlossenheit der öffentlichen Rechte und der Schutz durch Burgen bezeichnet wird. Drei beigegebene Kartenskizzen dienen zu möglichster Klarstellung der verwickelten Territorialgeschichte. Die Bildung der Territorien am Obermain hat Erich Freiherr von Guttenberg ( 186) in einer umfassenden, sehr gründlichen Untersuchung aufgehellt. Im Eingang wird auf die Zeit slawischer Besiedlung eingegangen und überzeugend nachgewiesen, daß eine politische Herrschaft der Slaven in den Landen am Obermain zu keiner Zeit bestanden hat. Auch das Dasein eines ostfränkischen Stammesherzogtums wird in Abrede gestellt. Sodann wendet sich die Darstellung den Markgrafen von Schweinfurt zu, die als ein selbständiges ostfränkisches Geschlecht erwiesen werden. Bei der Gründung des Bistums Bamberg haben, wie der Verfasser meint, nicht Absichten einer Germanisierung Oberfrankens bestanden; vielmehr zeigt sich auch dabei jene Politik Kaiser Heinrichs II., den weltlichen Machthabern gegenüber

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die Hochstifter als Stütze des Königtums und des Reiches nutzbar zu machen. Weiterhin wird auf die Entstehung des fürstbischöflichen Bamberger Territoriums eingegangen. Als Grundlagen der landesherrlichen Gewalt werden die Immunität und Vogtei, die gräflichen und herzoglichen Rechte erörtert; ausführliche Darlegungen gelten den Standesverhältnissen der Grafen und edelfreien Herren, sowie der Ministerialen (nebst Stammestafeln). Auf einer Kartenbeilage werden die Hochgerichte der Territorien (des Fürstentums Bamberg und des Burggrafentums Nürnberg ob dem Gebirg) im 15. und 16. Jhd. (mit Einfügung der Grenze der ostfränkischen Grafschaft des Radenzgaues) dargestellt, im Maßstab 1:250 000, der wegen der gut verwendbaren kartographischen Grundlagen gewählt worden ist, leider in Abweichung von dem für andere Gebiete des deutschen Reichs und Österreichs sonst vorgezogenen 1:200 000. Die Abfassung des ältesten Bamberger Urbars wird anhangweise auf 1322--1328 bestimmt.


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